Der Oriental Beauty aus Beipu, Taiwan.
Oriental Beauty hat nun verschiedene Kandidaten. Der einstige Formosa Oolong ist nun konfrontiert mit verschiedenen Kandidaten aus China. Fujian war ursprünglich die Heimat von verschiedenen Oolongs, die von anderen nachgeahmt wurden. Paochung und Dancong sind Kopie von Wuyi Yancha, während Tie Guanyin aus Taiwan auf den Tie Guanyin aus Anxi zurückzuführen war. Nun gibt es auch Kopie von Oriental Beauty aus Fujian. Eine historische Ironie?
Als China noch kulturelles Mutterland war, pilgerten Japaner, Koreaner, Südasiaten nach dem Reich der Mitte. Dort lernten sie Buddhismus, Tee und verschiedene Sitten kennen. Japanischer Kimono ist eine abgeguckte Mode aus Sechs Dynastien in China. Diese kulturelle Adaption erlebt in dem jeweiligen nacheifernden Land eine kulturelle Blüte und dessen Früchte können wir heute sehr gut beobachten. Japanische Kultur ernährt sich aus dem chinesischen Boden, aber entwickelt sich zu einem eigenständigen Stil und Richtung. Japaner verstehen ihre Kultur als eine eigenständige, nicht als eine Kopie.
Der Tee kam nach Taiwan durch chinesische Einwanderer, die eigentlich Wirtschaftsflüchtlinge waren. Sie fanden in Taiwan eine neue Heimat und pflanzten dort ihren Tee, den sie in ihrer Heimat gerne tranken. Durch den Engländer Dodd wurde Formosa Oolong Ende 19. Jahrhundert (1866) richtig weltberühmt – dieser Formosa Oolong war der Oriental Beauty (Baihao Wulong Cha)! Ein Zufallsprodukt, der aus Sparsamkeit und Überlebenswille des taiwanesischen Teebauer entstanden ist. Wir wussten nicht mehr, woher dieser Name stammt. Wir wussten nur, dass dieser Tee eine einzige taiwanesische Kreation ist. Alle andere Formosa Oolong, sei es Paochung, sei es Dongding oder Hochlandoolong, sind mehr oder weniger inspiriert von dem Fujian Oolong. Sie entwickelt sich zwar zu einer eigenen Richtung, aber ihr Ursprung ist chinesisch. Nur den Oriental Beauty könnte man nirgends in der chinesischen Literatur im Festland China, in ihrer Tradition nachschlagen.
Nun findet die Einwanderungsrichtung umgekehrt statt. Es ist so unberechenbar wie die Geschichte. Taiwanesische Einwanderer gehen nun Richtung China – nicht als Wirtschaftsflüchtlinge, sondern als Investoren! Taiwanesischer Teebauer kehrt nach Anxi zurück und pachte Länderei, um ihren „taiwanesisierten“ Oolong herzustellen. Darunter auch Oriental Beauty. Manche produzieren Oriental Beauty nach dem Formosa Vorbild, manche… produzieren einfach etwas und verkaufen weiter ins Ausland!
Der Wind weht nun in einer anderen Richtung. In Europa gibt es nun verschiedene Oriental Beauty! Die „wirkliche“ Beauty, die von Insekten gebissen wurden und wunderschönen honigarigen fruchtigen Aufguss anbieten, ist konfrontiert mit anderen „Beauties“, die halbkugelige Form und starke Röstung zeigen, oder nach Kastanien schmecken. Die Konsumenten in Eurpan können sich als Kaiser fühlen, zwischen verschiedenen Oriental Beauties aus verschiedenen Herkünften zu wählen. Aber wer ist die „wirkliche“?
Der chinesische Harry Potter erzählt seine Geschichte schon mit 9 Bänden, während das englische Original weniger hat – nur 6 Bände. Wer ist die Kopie, wer ist der original? China ist die Weltfabrik.
Wenn der Teehändler in Europa sich nicht mit der Geschichte des Tees und der Sprache des Tees beschäftigt, ist ausgeliefert von dem so genannten „Experten“ aus Asien. Der Expert oder der Verkäufer kann immer etwas erzählen, aber ein Tee spricht immer dieselbe Sprache, wie er ist. Der Händler hätte dann Interesse sein Fachwissen selbst weiter zu bilden und den Tee wirklich zu verstehen, wenn der Konsument ihn auffordert.