Freundin Geli kam mich vor Weihnachten besuchen und reichte mir ein schönes Buchlein „Die Geheimnisse der Kaiserin. Fernöstliche Strategien für Frauen.“ Sie möchte mich gut beraten bevor ich in einer von Männer dominierten Gesellschaft wie Zürich runter gehe.
Wir tranken den frisch angekommenen Oriental Beauty. Lieblich, intensiv und unverwechselbar aber nicht dominant.

Ich blätterte das Buch kurz und merkte, dass die deutsche Autorin Krautwald über die Kaiserin Wu Zhao (Wu Zetian 武則天) schrieb. Sie hat in einem anderen Buch bereits über die Kaiserin beschrieben.
Zu Beginn der Tangzeit gelang der Konkubine Wu Zhao der Aufstieg zur mächtigsten Frau Chinas – der ersten und einzigen Kaiserin, die je in diesem Land herrschte. Die Kaiserin Wu war eine visionäre und unkonventionelle Politikerin, raffinierte Strategin und gleichzeitig engagierte Förderin der spirituellen Traditionen (Medizin, Daoismus, Zen-Buddhismus), dabei mehrfache Mutter, Gattin zweier Kaiser und Liebhaberin schöner Männer. Der „Medizinkönig“ Sun Simiao persönlich schrieb eine Anzahl von Rezepten für seine Kaiserin und erhielt kaiserliche Geschenke dafür. Die Kaiserin Wu setzte viele Änderungen alterhergebrachter Traditionen durch, vor allem auch zugunsten von Frauen. Insgesamt stach sie im Laufe ihrer Herrschaft in so viele politische Wespennester, dass sie aus Rache posthum zum sexuell unersättlichen und daher unweiblichen Monster deklariert wurde. Erst die moderne Geschichtsschreibung hat begonnen, die historische Bedeutung der Kaiserin Wu neu zu beschreiben.
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Wu Zhao wurde in ihren Bücher als eine Alternative zu der Männer-Kaisers beschrieben und als eine „gelebte ideale Weiblichkeit“ gefeiert. Ich wunderte mich gewaltig über dieses neue Erkenntnis!
Wu Zhao, eine ambitionierte kaiserliche Konkubine, die die Stellung der damaligen Ehefrau des Kaisers übernehmen wollte und intrigierte gegen sie. Sie brach ihre frisch geborene Tochter um und wies der Kaiserin dem Schuld zu. Der Kaiser glaubte ihr und übergab ihr der Stellung der Kaiserin. Sie hatte mehrere Söhne, die intelligent und eigenwillig waren. Sie wäre nie an die Macht gekommen, wenn sie nicht ihre intelligenteste zwei Söhne politisch ermordet hätte! In ihrer Epoche war das Geheimdienst selten so aktiv und geschätzt. In ihrer Epoche war die politische Lage selten so angespannt. In ihrer Epoche war die Stellung der Frauen in China selten besser als sonst.
Die Strategie dieser Kaiserin als etwas besonders als „Fernost“? Spachlos trank ich den Oriental Beauty.
„Was ist denn deine Ideal für Weiblichkeit?“ fragte mich Geli. Ich dachte nach.
Neulich habe ich ein schönes Buch gelesen – leider auf Chinesisch von Zhang Yihe. Ein guter Schriftsteller bringt uns das Lebensgefühl anderer Persönlichkeit anderer Zeit nah, als ob wir sie selbst kennengelernt hätten.
Zhang beschrieb ein Peking-Oper Paar Ye Shengzhang. Ein charmanter und berühmter Oper-Sänger, der in der Kulturrevolution verfolgt wurde. Als ein junger gutaussehender Mann hatte Zhang unzähliche Romanze und uneheliche Kinder. Zhang interviewte Yes Kinder, wie ihre Mutter damit umging. Der Sohn ebenfalls ein Pekingsänger geworden, erzählte, dass seine Mutter eine besondere Persönlichkeit gewesen sei. Wenn sie wusste, dass ihr Mann andere Frauen wieder schwängerte, ging sie zu diesen Frauen. Sie verpach ihnen ihre jegliche Art von Unterstützung und lud sie zu Familiefest ein. Er kennt seine Halb-Geschwister und kommt miteinander gut aus. Es gibt nichts besseres als eine grosse Familie zu haben. Seine Mutter konnte über ihre Verletzheit und Schmerzen hinaus und handelte das, was für alle gut war. Sie heiratete diese Familie, liebte diesen Mann und liebte auch seine Kinder.
Als sie starb, sagte sie zu ihrem Mann. Er sollte wieder jemanden heiraten, damit jemand sich um ihn kümmern kann, damit er nicht allein ist. Er heiratete bald und liess sich bald darauf scheiden. Wieso? Ich denke, die Antwort ist einfach. Welche Frau könnte er wieder heiraten wie seine frühere Ehefrau, die nicht nur nach ihren Gefühlen handelt, sondern dem gemeinsame Wohl?
Natürlich ist Ye ein egozentrischer Ehemann gewesen. Dagegen verkörpert seine Frau ein Ideal der Weiblichkeit – das Gebende und Stärkere.
Ein Oriental Beauty ist ein hervorragender Tee, nicht weil sein Duft blendend und atemberauschend ist. Oriental Beauty ist schön, wenn sein Duft unsere Nase anhaltend und ergiebig umhüllt. Oriental Beauty ist hervorragend, wenn sein Aufguss nicht dominant, sondern sanft und geschmeidig ins Gaumen fliesst. Oriental Beauty ist unverwechselbar, wenn seine honigartige Lieblichkeit langsam unsere Härte und Kante schmelzt…
Wer hat gesagt, dass Frauen sich durchsetzen müssen? Wir müssen nur lernen, zu führen. Eine selbst bestimmende Frau lebt nicht in der Fremdbestimmung und bestimmt nicht Andere. Egal von welcher Kultur sie stammt. Man muss nicht alles „Fernöstliches“ verklären!

von Ulja Krautwald (sogar ein Grüntee-Buchautorin)