Archiv für den Tag 22/05/2006

Monte Verita, die Suche nach der Wahrheit

Das Wetter war wie Männer – wechselhaft. Zuerst schien die Sonne auf der Terrasse, dann weht der Wind und plötzlich kam der Regen. Im Kraftort Monte Verita besuchten wir einen Japan-Like Teegarten.
Lenin, Trotzki und Hesse waren schon da. Die Suche nach der Wahrheit im Berg der Wahrheit. Hier wurde Lebensform experimentiert, diskutiert und praktiziert. Nun werden nur Spuren hinterlassen, ausser einem Hotel, der Markierung des Kraftortes und dem exotisch angelegten Garten, nur Sagen und Erinnerungen. Unsere Gesellschaft und Erziehung wollen keine Sinnsuchende produzieren, sondern effiziente Arbeiter. Tee, Zen und Yoga gehören immer mehr zu Wellness-Welle. „Experte“, „Guru“ und „Meister“ reiten zusammen die Welle, damit alle sich „well“ fühlen und weiter arbeiten gehen. Unsere Welt ist somit in Ordnung.

Der Geist der Sinnsuchende und der Wahrheitsuchende wurden ersetzt mit Wellness und Exotik.
Buddha erzählte eine Geschichte von vier Blinden, die einen Elefant untersuchten. Jeder behauptet, dass er den Elefant „gesehen“ hat, indem er ein Teil dieses riesige Tier berührt hat. Ihre Wahrheit beruhte auf ihr beschränktes Erfahrungshorizont und konnte und insistierte auf diese Wahrheit.
Krieg, Gier und Missverständnisse sind wohl auf unsere beschränkte Sicht zur Wahrheit zurückzuführen.

Zen-Meister Michel Bovay aus Zürich erzählte mir einmal, dass er sich jedes Mal hinterfragt, ob er berechtigt sei, auf seinen Platz zu sitzen bevor er das Zazen (Zen-Meditation) leitet. Ein guter Meister sollte sich immer hinterfragen können – sagte er. Ich erinnere mich, was Teemeister Haas in Freiburg mir im März erzählte. Zu seiner Abschlusszeremonie der Ausbildung in Japan schenkte die Urasenke-Lehrerin jedem Teeschüler aus Europa auf der Heimreise einen Spruch „Vergesse nicht, dass Du eigentlich nichts kannst!“
Jedes Mal frage ich mich selbst, „ist es Dir klar, was Du hier niederschreibst?“


In Monte Verita

Der Wind weht und der Himmel tropft. Meine Haare kleben an mein Gesicht. Wehmutig stelle ich fest, dass die Wahrheit mich eigentlich nicht interessiert. Ich möchte nur die kosmische Ordnung verstehen, die hinter allen weltlichen Phänomenen verstecken. Diese Ordnung zu begreifen, die Menschen zusammenführt und trennt, die Zivilisation entstehen und zerstören lässt und uns zum Leben und Sterben bringt, und sich von „eigenen Vorstellung“ zu befreien ist wohl die eigentliche Erbe von Monte Verita?