Archiv für den Monat Dezember 2018

Ein Jodeln aus Alishan

Es ist rasch dunkel und jeden Tag ein bisschen schneller.

Guten Nervenmantel brauche ich um diese stressige Zeit auszuhalten. Während andere Geschenke aussuchen und einkaufen, muss ich Ruhe und Distanz pflegen. Manchmal fühlt man sich ganz tief in Alpen, wo zu bestimmten Monaten keine Sonne strahlt. Zu solchen Moment braucht man schwebende Klänge und schwebenden Tee, der einen aus den tiefen Täler in die weite Landschaft tragen!

Ein schwebender Alishan alte Machart aus meinem Keller. Zufällig gefunden. Bereits zwei Jahre gelagert und gereift!

Es gibt genügende Alishan und eine Menge von so genannten Hochlandsoolong. Was macht einem Alishan Oolong heute zu einer Rarität?

Ein rarer Oolong ist heute ein Tee, der nach einem bestimmten Vorbild gemacht, anstatt an den Mainstream-Geschmack zu orientieren. Anstatt einseitigen grasigen frischen Noten schmeckt ein Oolong von alten Machart nach reifen Früchten und geöffneten Blumen. Das bedeutet auf das reifere Pflückgut zu warten antatt die zarten jungen Blätter, die langes Welken und Fermentation nicht aushalten. Lange Fermentation verwandelt die grünen Blätter zu einem facettenreichen Tee, der zugleich elegant und tiefgründig ist.

Ich schrieb die Degustation mit diesem Alishan 2016 in meinem Notiz:

Dieser Hochland-Oolong aus Taiwan ist durchdrungen vom fast mystischen Gaoshan-Qi (Hochlandsenergie). Ein Tee, der inspiriert und beflügelt, etwas vom Begehrtesten unter Teekennern. Sein blumiger Duft ist begleitet von feinen Zitrusfrüchten. Dies verleiht ihm ein frisches, elegantes Parfüm. Im Mund fließt süßes, fruchtiges Tauwasser, nach Melone und reifer Ananas schmeckend. Die Geschmeidigkeit des Aufgusses belebt unsere Sinne, man fühlt sich auf einer Blumenwiese, getragen vom schwebenden Jodel aus den hohen Bergen in die weite Landschaft!

Hier ist ein Stück improvisierten Jodelns nach dem Mittagsessen des Volkes Zou, das bis heute in Alishan ansässig ist!

https://youtu.be/wIIFGB_bVtg

Lange Fermentation über die Nacht anstatt vor Mitternacht die Fermentation zu stoppen.

Die Flucht ist beschämend, aber nützlich

Viele neue Besucher von Shui Tang kommen oft mit dem Begriff „Guifei“ oder „Mixiang„, nicht klar. Was ist das? Und was ist Oriental Beauty?

Oft frage ich mich, ob ich dies oder jenes richtig oder falsch gehandelt habe. Ich gebe zu, dass ich nicht immer sehr effizient bin, wenn ich über mein Verhalten reflektiere. Meistens vertraue ich, dass es einen tieferen Sinn gibt, warum dies oder jenes geschieht. Das Denken stört meistens unser Handeln. Vor allem solche Ratgeber-Tipp wie „wo liegt Deine Stärke?“ oder „Wo sind die Schwäche zu überwinden?“ Muss man seine Stärke ausbauen, wenn man in dieser Welt erfolgreich handeln will? Muss man seine Stärke zeigen, wenn man eine Position ausbauen will? Ich denke in diesem Moment oft an die Geschichte von Panda!

Panda. Fast jeder kennt Panda. Panda hat drei schlimmste Schwäche: Er bewegt sich zu langsam, ist Einzelgänger, und hat zu wenig Lust auf Sex. Der Panda konnte vor und während der Eiszeit nicht erfolgreich gegen anderen Tiere um Lebensraum kämpfen, so dass eine Flucht in die Bergen oder Hochebene notwendig war. Die Konsequenz dieser Flucht ist auch die Umstellung auf den Vegetarismus. Weil die Paarungszeit so kurz und zu knapp (Einzelgänger müssen zusammenkommen….), hält die Population an der Grenze und die Nahrung ausreichend sein kann. Seine erfolgreiche Gegner wie Mammute überlebten zum beispiel die Eiszeit nicht, auch wenn sie stark genug waren, ihre Ressourcen und Lebensraum gegen Panda zu verteidigen. Wer ist stärker? Der Überlebte ist stärker, weil er geflohen war? Oder derjenige, der freiwillig aus der Zeitgeschehen würdevoll ausgeschieden ist?

Der Panda hat seine Schwäche erkannt und anerkannt. Er hat entsprechend gehandelt, ohne viel Wertung zu wagen. Er hat überlebt bis heute. Vielleicht ist der wirklich Stärkere nicht wirklich gewollt, stark zu sein. Er will bloß nach seiner Vorstellung leben. Die Flucht in die Höhe, wo die Anderen nicht wollen, gibt einem einen unabhängigen Raum, etwas zu verwirklichen, ein bescheidendes Dasein in der Freiheit zu gestalten – wie das Volk Dogon.

Atong (mein Teelehrer in Taiwan) sagte mir oft, dass der Tee und der Mensch sehr ähnlich sind. Oriental Beauty ist entstanden, weil die Zikaden gnadenlos die Teeknospe befallen haben! Das Volk Haka, das Oriental Beauty zu dem weltberühmten Oolong macht, verlor den Kampf im 19. Jahrhundert gegen anderen Einwanderer aus Quanzhou, zum Beispiel Anxi und Zhangzhou (Fujian Provinz in China) und floh in die Bergen. In den Bergregion um Taoyuan konnten sie ihr Leben nach ihrer freien Vorstellung gestalten und arbeitete sehr hart an ihr Paradies. Heute ist der Preis Oriental Beauty im Hochsommer so hoch, dass man sich fragen muss, wo die Grenze von Scham und Gier liegt.

Oolong aus den von Zikaden befallenen Teeknospe heißt Oriental Beauty. Ursprünglich war es ein Abfallprodukt, weil die Ernte stark geschädigt war. Aus dieser zu verschmähenden Pflückgut ist ein großartiger Tee geworden. Mixiang oder Guifei Oolong nennen wir, wenn das Pflückgut ebenfalls von Zikaden befallen sind, aber die Blätter sind reif anstatt Knospe. Das heißt, aus von Zikaden befallenden reifen Teeblätter kann man Guifei oder Mixiang Oolong produzieren! Die Geschichte von „Guifei Oolong“ ist ebenfalls eine Geschichte aus einer verherrenden Natur-Katastrophe! Eine Erdbeben zerstört die Teegarten Dong Ding Berg. Die Teebauer versuchte aus diesem Schaden etwas Sinnvolles zu gestalten, um ihr Zuhause zu sichern!

Gewöhnlich will ein Verbraucher einen einwandfreien Tee, der weder von Schädlingen befallen war, noch behandelt wird. Wenige Teeliebhaber erkennen in solchen „geschädigten“ Pflückgut einen großartigen Tee, der aus der Schwäche der Natur entstanden ist und in einer Verwandlungskunst entwickelt wird. Solcher großartiger Tee hat ein riesen Potential, wenn man ihn reifen lässt! Der Schwächere, der von Schädlingen attackiert wurde, wird großartig durch die Zeit, wenn wir ihn ohne zusätzliche Handlung in Ruhe lässt!

Nicht die Flucht ist beschämend, sondern eine nach der Kondition unbewusste Handlung. Unsere Schwäche sind unser Chance!

Teepflanzen und seine Zikaden.