Archiv für den Monat Januar 2009

Bailin Gongfu

Das Provinz Fujian ist das Heimat von hochwertigen roten Tee bzw. Schwarztee. Hochwertiger Roter Tee wird als Gongfu Hongcha bezeichnet: per Hand verarbeitet und in einem aufwendigen Verfahren. Bailin Gongfu war zwar ein Begriff, wirklich interessiert war ich nicht.

Ich bin ein Dianhong Fan und Hongyu Süchtige. Ich liebe kräftige Schwarztee mit Milch – das darf ich vielleicht nicht ganz laut sagen. Aber es ist wahr.

Bailin-Gongfu hieß früher, immerhin hat dieser Tee breits mehr als 100 Jahre alte Tradition: „Elegante Kaiserin“ (Xiu Li Huang Hou). Dieser Name reizte mich nicht besonders, ihn kennen zu lernen.

bailin Bailin Gongfu

Aber man täuschte sich – bzw. ich täuschte mich.

Der Name ist oft nur eine Projektion.

Einmal scherzte Carola, dass unsere erste Begegnung sie sehr enttäuschte. Das war 2006 Sommer, ich war unter dem Stress von dem Qigongmeister Chens Besuch und seinen Fans. Für sie war ich nicht nur hektisch, sondern gar nicht teeistisch. Eine Teefrau, oder eine so genannte Meister im Tee sollte doch stets in Ruhe und Eleganz verweilen. Meine Erscheinung bewies den Gegenteil. Zum Glück zog irgendetwas vom Tee sie so stark an, dass sie trotzdem bei mir paar Kurse mitmachte und wir wurden die besten Teams. Diese großzügige Löwinschwester ist unentbehrbar. Was uns verbindet ist nicht bloss die persönliche Zuneigung, die wieder wegen Zu- und Abneigung abgewendet werden kann, sondern die gemeinsame Liebe zu einem Material und der gemeinsame Weg.

Das Blog ist inzwischen so weit, dass viele Teefreunde mir darüber direkt ansprechen. Sicher freue ich mich darauf und möchte allerdings immer relativieren, dass es auch nur eine Erscheinung ist.

Glaube mir nicht zu viel, sondern sei kritisch, was hier alles steht. Tee ist nicht nur das, was hier geschrieben wird – ich ebenfalls nicht. Eine Person hat verschiedene Facetten. Was eine tatsächlich ist, kann man nicht über seine geschriebene oder gesprochene Worte lesen. Eine Person kennen zu lernen, lernt man am besten, in dem wie sie in einer Interaktion steht. In einem Monolog lernt man nur die geschriebene oft nicht gelebte Wünschvorstellung kennen, nicht die Person. Man lernt mich eigentlich erst richtig kennen, wenn es eine Interaktion stattfindet. Z. B. wie ich die Kommentare attakiere oder antworte – nicht was die Buchstaben sich darstellen.

Ebenfalls kann man Tee nicht kennen lernen, wenn man die geschriebenen Worte oder gesprochene Erzählung ernt nimmt. Tee spricht für sich. Die Art, wie ein Tee sich in verschiedenen Materialien, verschiedenen Zubereitungsmethode und Ziehzeit manifestieren, verrät er, was er ist – nicht in seiner Form, seine Ettikette.

Der Bailin Gongfu hat mich überrascht. Ich bekam von zwei Klienten aus zwei Länder den Auftrag einen guten Bailin zu suchen. Wie muss ein Balin schmecken? Ein Tee, der im Frühling einen schönen Yinzhen Baihao ist, und im Sommer zu einer eleganten „pfiffigen“ Kaiserin verwandelt wird?

Man lobte ihn einst: langhaltige zurückhaltende aber präsente Duftnote, leicht fruchtig. Der Aufguss geschmeidig und sanft. Der Abgang fein und lang.

Ich schmeckte in ihm einen ausgeprägten Mandelduft, der in Hongyu ebenfalls vorkommt. Bei Hongyu war noch eine leichte Nuance von Pfefferminz, während bei diesem Bailin reine fruchtige Aromen leicht nach Apfel, Aprikose-Kern und frisch gemalenen Mandel sich zum Ausdruck kommen.

Irgendein alter Chinese (Zenmönch Nanqian) sagte einmal: „Wissen ist eine Verblendung. Nichtwissen ist ein Mangel an Unterscheidung.“ Dieser Satz berührt mich zu tiefst im Herzen.

Teeseminar I & II in Zürich

Liebe Teefreunde, das Seminar I am 28.02 sind noch Plätze frei.

Das Seminar II Oolong am 1.03. in Zürich ist mehr als ausgebucht. Es wird schwierig noch mehr Anmeldungen anzunehmen.

Vielleicht ist das Seminar II Oolong am 15.03.09 in Berlin eine Alternative? 

Bitte Melden Sie Sich bei Frau Kristine Mager.

 Tel. 030 28 04 06 60 • Mail: teeimport@aol.com

Am 01.03 kommt der Insektforscher ebenfalls zum Teeseminar Oolong. Es wird bestimmt lustig, mehr über den Werdegang von Oriental Beauty zu erfahren.

Oriental Beauty, Zikade und der Insektenforscher

Ich komme aus einer Sub-Tropischen Insel, wo ein Oase bedeutet für Ungezifer! Katalaken sind die schlimmsten, was es auf der Erde überhaupt gibt! Mein Vater war immer der Feuerwehrmann und später wurde mein Bruder. Einen Insekten-Forscher zu werden war sicher nicht mein Traum!

Einen insektenforscher lernte ich in meinem Teeseminar kennen. Er erzählte von den Insekten, die den Zauber von Oriental Beauty ermöglicht. Ich bat ihm für unsere Teefreunde einen kurzen Text zu schreiben, um die Geheimnisse zu lüften.

Ich bewundere Menschen, die im Hintergrund für Ihre Leidenschaft arbeiten, die Menschen, die ihren Weg gehen. Vor allem wenn sie sich mit Dinge beschäftigen, was „nutzlosen“ Ungezifer heisst. 

Ich danke Berhard Merz, ein Teeliebhaber und ein hervorragender Insektenforscher. Ein Mann, ein Wunder – seine Liebe zu einem geheimnisvollen Getränk und zu einem mysteriösen Welt der Ungezifer pflegt.

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Nun zu den Insekten: Nach meinem Wissen heisst der „Oriental Beauty“ so, weil die Blätter der Tee-Pflanze von Insekten befallen werden. Es handelt sich dabei um sogenannte Kleinzikaden, das heisst Insekten, die wie die echten Singzikaden aussehen (und im Mittelmeerraum vor allem sehr häufig sind), aber eben sehr klein sind, so um 2-3 mm lang. Sie sind überall auf der Welt sehr häufig, auch in der Schweiz kennen wir über 400 verschiedene Arten! Zikaden ernähren sich ausschliesslich von Pflanzen (wir haben also nichts zu befürchten) und haben einen kleinen Stechrüssel. Damit stechen sie die Pflanzenzellen an und saugen den Inhalt aus den Zellen heraus. Das hat zur Folge, dass die Blätter mit einem Befall von solchen Kleinzikaden nachher „gesprenkelt“ sind, d.h. sie haben kleine braune Flecken auf der grünen Fläche (und es verbreitete sich vor etwa 20 Jahren einmal die Nachricht in den Medien, dass das Ozon die Pflanzenblätter kaputt macht, bis man sah, dass die kleinen braunen Flecken von Zikaden-Stichen stammten, also war dies eine Fehlmeldung!). Nun, damit die Zikaden die Zellen auch aussaugen können, müssen sie zuerst ein wenig Speichel in die Pflanze spritzen, der den Pflanzensaft ganz flüssig macht und verhindert, dass diese Zuckerlösung (Pflanzen-Zell-Saft enthält viel Zucker) den Rüssel verstopft. Offenbar geht dieser Speichelsaft mit dem Zellsaft eine spezielle Verbindung ein, welche dem Tee-Blatt neue Duftnoten vermittelt und so zur Berühmtheit des Oriental Beauty beiträgt. Ein weiterer Punkt ist, dass die kleinen Löcher in den Zellen natürlich den Zugang von Sauerstoff zu den Zellen erleichtern. Das führt dazu, dass der Oriental Beauty stärker oxydiert ist als zum Beispiel ein Pouchong oder Tien Guan Yin, nicht nur am Rand, sondern auch auf der ganzen Fläche kann er oxydieren. Eine Internet-Seite mit Fotos der Zikade, die fälschlicherweise also „Paoli“ bezeichnet wird, gibt es auf der folgenden Internet-Seite:
http://freebsd.tspes.tpc.edu.tw/~afu/6401.htm

Der Name „Paoli“ bezieht sich auf die Person, welche die Zikade zum ersten Mal beschrieben hat und ihr den Namen „formosana“ gegeben hat. Heute heisst diese Zikade wissenschaftlich Jacobiasca formosana. Sie hat natürlich keinen deutschen oder englischen Namen, da sie in Ländern, in denen Deutsch oder Englisch gesprochen wird, gar nicht vorkommt.

Es gibt noch einen ganz ähnlichen Fall, nämlich denjenigen des sogenannten „Muscatel“ Darjeelings. Es handelt sich dabei um einen Sommer-Darjeeling, der in einigen Gärten in der Darjeeling Provinz vorkommt und dort ebenfalls von Kleinzikaden gestochen wird. Damit bekommt der Tee auch hier eine neue Duftnote, eben dem Muskat-Duft. Dabei handelt es sich aber um eine andere Zikade, die den Namen „Empoacsa flavescens“ heisst (oder auch Empoasca vitis, je nach Forscher, das Problem der Namensgebung bei Insekten!). Diese Zikade kommt übrigens auch in der Schweiz vor und ist hier ein gefürchteter Schädling auf Weinpflanzen. Zu dieser Art habe ich gerade keine Fotos auf dem Web gefunden, aber sie sieht sehr ähnlich aus wie die Jacobiasca formosana.

Übrigens: Tee-Gärten, die von diesen Zikaden befallen sind, dürfen natürlich nicht gespritzt werden, das heisst, sie sind mehr oder weniger „biologisch“, auch wenn sie kein solches Zertifikat tragen. Auch sind diese Tees erst im Sommer erhältlich, da ja die Zikaden zuerst die Zellen stechen müssen. Das ist normalerweise erst ab etwa Mitte Mai der Fall (vorher sind diese Tiere noch im Ei-Stadium, sie müssen zuerst schlüpfen und können erst dann saugen). Deshalb gibt es z.B. keinen Frühlings-Darjeeling mit dem Muskat-Duft, sondern erst der 2nd flush hat diese Eigenschaft.

Ist Dir diese Antwort schon genügend ausführlich. Sonst helfe ich gerne weiter und suche Informationen. Das dürfte für mich doch einfacher sein, da ich den ganzen Tag mit Insekten arbeite. Selber beschäftige ich mich mit Fliegen und kenne Zikaden nicht gut. Aber im Nachbar-Büro arbeitet ein sehr netter Forscher, der sich fast ausschliesslich mit Zikaden beschäftigt und mir gerne hilft!

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Wer hätte noch mehr Frage zu disen Zikaden? Unser Insektenforscher in Genf steht uns exklusiv zur Verfügung!

Röstung II (Hongpei)

Röstung II (Hongpei)

Dieses Foto ist mit Blitz. Zwei Fotos von dem gleichen Shuixian Dancong Milanxiang 2008 vor und nach der Röstung.

Foto links vor der Röstung. 

Foto rechts nach der Röstung.

Man sieht, dass die Farbe von der gerösteten Shuixian dunkler aussieht als der ungeröstet. Die Teeblätter im Aufguss von der ungerösteten Shuixian sich besser entfaltet als der geröstete.

Röstung I (Hongpei)

Röstung I (Hongpei)

Gewiss duften die meisten Orchideen in meisten Nase nicht.

Seit letzten Februar blühen die Orchideen in meinem Zimmer ununterbrochen. Irgendwie fühlen sie sich wohl, dass sie eine faule Nachbarin gefunden haben. Ab und zu bekommen sie Wasser, wenn die Nachbarin nicht vergisst. Eine Blume, süß in ihrer Unschuld, duftend in ihrer Stille. Wie klingt denn eigentlich die Sprache, durch die Blume zu sprechen?

Ich bewundere diese Pflanzen und sprach manchmal zu ihr, wie schön sie sind. Wenn eine Blüte verwelkt, fällt sie irgendwann auf dem Boden. Anscheinend vergessen sie nicht, ihr Beste für die Welt hinterzulassen. Ich schmecke in dieser verwelkten sterbenden Blüte stets eine konzentrierte Süsse, trocken und intensiv. Ihr letzter Klang. Okakura schrieb, dass ein Mensch erst ein Mensch wurde, nachdem er mehr als nur die eigentlichen Lebensnotwendigkeiten von der Natur forderte. Ein Mensch wurde erst ein Mensch, als er ins Reich der Kunst eintrat, indem er den feinen Nutzen des Nutzlosen erkannte.

Der Mensch in Urzeit unterschied sich vom Tier, als er seinem Mädchen eine Blume brachte, in der Blume die Sprache der Liebe erkannte und durch die Blume sprach.

Wozu sollte man einen Tee rösten? Warum wird überhaupt ein Tee geröstet. Ist es nicht schön, die Teeblätter so zu belassen, wie sie unbehandelt schmecken? Ist es nicht immer besser, wenn die Natur natürlich bleibt? Weshalb kam der Mensch auf die Idee, die Teeblätter aufs Feuer zu legen, Energie und Zeit zu investieren?

Sicher war früher in China der Transportweg lang und aufwendig. Klar war die Konservierungsmethode rückständig und unpraktisch. Um die Aromen des Tees besser zu schützen und zu stabilisieren wurde diese Methode erfunden – für die Gegenden, die sich leisten konnten, den Tee übers Feuer zu behandelt. Für anderen Gegenden oder in einer anderen Zeit, wo mandas Wissen nicht hatte, wußte man nur, dass man den Tee vor der Zubereitung kurz übers Feuer rösten sollte. Dieser Vorgang hilft, dem Fremdgeruch zu beseitigen – dies standen in allen Teebücher in der Tang- und Sungzeit.

Die Rolle der Röstung beim Oolong wurde es mir zum ersten Mal richtig klar, als der Shuixian Milanxiang mir erklärte.

Milanxiang ist eine beliebte Art von Dancong Shuixian, der nicht nur leicht Note von Pfirsich oder Longgan hat, sondern auch intensive Nuance von Honig und Orchideen.

Zwei Milanxiang Shuixian aus dem gleichen Tee, der gleichen Partie. Der einzige Unterschied ist die Röstung.

Der ungeröstete Milanxiang schmeckt in den ersten 5 Minuten leichter, eleganter und blumiger als der geröstete. Nach zehn Minuten als die Aufgüsse kalt wurden, wurden die Sprache plötzlich anders. Der geröstete gewinnt immer mehr Tiefe, Intensivität und Geschmeidigkeit. Süss wie Honig, wie sterbende Orchideen und wie eine reife platzende Frucht!

Selten bekommt man solche Intensivität im Aufguss. Die Flüssigkeit fliesst wie ein guter Rotwein, ölig in der Tasse. Selbst nach 15 Minuten merkt man kaum die Herbe, nur leicht spritzige Pickel an der Zunge. Der ungeröstete Shuixiang schmeckt nach 15 Minuten bereits sehr herb und diese Herbheit ist so dominant, dass sie kaum zu überwinden erscheint. 

Kaum zu glauben, dass sie der gleiche Tee ist! Kaum zu glauben, dass Tee für sich spricht.

Nun wurde es mir auf einmal bewußt, was Okakura in seinem Buch trauert. Der Mensch vergißt immer mehr, was einen Menschen ausmacht – die Kunst aus dem Nutzlosen das Nutzliche zu erkennen, der Versuch, etwas Mögliches aus dem Unmöglichen zu ermöglichen. Röstung ist eine Kunst, einen Tee zu verfeinen, ohne etwas hinzufügen. Eine Kunst, die aus einem Tee das Beste zu ermöglichen. Eine Kunst, die das Maximal von einem Tee fördert.

Foto: links – ungerösteter Milanxiang; rechts – gerösteter Milanxiang.

Regenbogen in Shuixian Dancong

Im Sommer, wenn es regnete. Wenn es in mir anfing zu schimmeln, sagte er „Es regnet, freue Dich nicht auf den Regenbogen?“

 

Gestern in diesem Schneeregen, wenn es in mir anfing zu zittern, sagte er „Es schneit, freue Dich nicht um so mehr auf den Frühling?“

 

Manchmal, wenn es mich einengt, in dieser Berglandschaft, wenn ich anfange zu fluchen, sagt er „Freue Dich nicht auf das Meer? Das Meer, das Extreme umfasst – Sehnsüchte und Freiheit, Weite und Grenze, Hier und Dort.“

 

In Dancong Shuixian finde ich diese Stimmte, die in jenen Moment auftaucht, wenn die Angst wieder Überhand übernimmt. Ein Tee wie der Regenboden, der nur nach dem Regen kommt, wenn die Sonne wieder bereit ist aufzugehen. Die Sonne in jedem Herzen.

 

So einen Tee zu finden war fast unmöglich. Dancong gibt es tatsächlich überall, aber ein Regenbogen in jedem Dancong zu finden nicht. Catherine fragte mich jedes Mal im Telefon, „Hast Du wieder den Dancong?“ Enttäuschende Antwort musste ich geben. Ein Dancong, der nicht nur so heißt und nicht nur teuer ist, der blumig, fruchtig und intensiv schmeckt, der im Aufguss nicht bitter wird! Eine Mission impossible! Die Teebauer in Guangdong sagten immer, Dancong muss bitter sein! Ich sah diese Antwort nur traurig an. Ich sah Regen, Schneefälle und steilen Berghänge…

 

Manchmal bekam ich Muster und schickte nach Taiwan. Mein Lehrer gab mir immer nur enttäuschende Antworte. Ich insistierte in diesem Sommer, ich will einen Dancong Shuixian, auch wenn er nicht Deinen Kriterien nicht 100% entspricht! Er sagte mir mit ruhigen Stimme, „Menglin, Du kannst nicht mehr zurückgehen, wenn Du bereits auf einen Weg gehst. Wir können nicht mehr zurück auf das andere Niveau.“ Im Herbst bekam ich wieder paar Dancongs. Ich glaubte einen Regenbogen gesehen zu haben. In meiner Chinareise nahm ich diesen Tee nach Taiwan und bat meinen Lehrer ihn zu rösten. Anfangs war er sehr kritisch und meinte, ich würde Geld verschwenden. Ich kaufte 5 Kgs. Nach der Röstung war nur noch 4,2 Kgs. Das Ergebnis war eine Überraschung. Er war entzückt von seinem eigenen Werk! Dieser Shuixian dunkel in Farbe, leicht im Gaumen; Süß im Duft, lieblich zwischen der Zunge, fruchtig wie ein Longgan oder Lychee, spritzig herb und zugleich gehüllt von Geschmeidigkeit und Vielschichtigkeit. Wie ein Regenboden schließt er das Herbe und das Liebliche, das Leichte und das Schwere in einem, das Nähe und die Ferne zusammen. Der Vergleich vor und nach der Röstung macht einen klar, dass die Röstung eine Kunst sein muss, aus einer Raupe zu einem Schmetterling zu verwandeln, aus dem Regen zu einem Regenbogen zu verzaubern!

Ich wollte diesen Tee nicht verkaufen, vor allem nicht einfach so, dachte ich. Oder ich muss noch mehr haben. Dann rief ich meinen lieben Bruder an und er sollte mir welchen aus Shanghai nach Taipei transportieren, damit er von Meisterhand geröstet ist. Mein Bruder tat es tatsächlich, er kaufte einen neuen Koffer vor seinem Abflug, um diesen 5 Kilos zu transportieren. Was ein Bruder einfach für seine Schwester tut! Nur 5 Kilos, mehr gab der Teebauer einfach nicht mehr her.

Nun warte ich jeden Tag auf die Post, die mir den Regenbogen bringt. Wenn die schweizer Post es wüsste, würden sie vielleicht noch mehr Zoll auf dem Regenbogen schlagen?

Wenn es regnet, freue Dich auf den kommenden Regenbogen!

                                                                                    

Fragen zur Gongfu Cha II

Ich bin sehr beeindrückt von den ernsthaften Fragen des Teefreunds aus dem hohen Norden.

1. Die traditionelle Gongfu Cha wurde in dem Gegend von Fujian und Chaozhou praktiziert. Insofern ist es ein Kult des Oolongs. 

Heute praktiziert man diese Zubereitungsart ebenfalls mit Grüntee (in Glaskanne oder Gaiwan) und mit Pu Er (Zisha).

2. Dass das hohe schmale Duftglas nur für Tie Guanyin verwendet wird und nur beim 1. Aufguss, ist mir unbekannt. Aber mein Wissen ist auch spärlich.

3. Sollte man tatsächlich eine Kanne nur für eine Sorte Tee reservieren?

Wenn man sich das leisten kann, warum nicht?

Ich mache fast alle Oolongs in einer gleichen Yixing-Kannen. Den Pu Er nehme ich allerdings eine andere. Mit mener Jadekanne bin ich bestens zufrieden. Pu Er, Oolong kommen gut miteinander klar in dieser Kanne.

Sorry, ich mache daraus kein Geheimnis. Ich sehe keinen Grund, warum man sooo viele verschiedene Teekanne braucht, außer man sei süchtig – wie ich. Ich sammele gerne Teekanne, aber nicht wegen Tee, sondern wegen meiner „Sucht“.

4. Man kann Tie Guanyin in allen Kanne zubereiten, vorausgesetzt: der Tee ist gut. Tee passt situativ in unserem Alltag wunderbar an. Man kann Tie Guanyin in der Schale, in der Glaskanne oder in Tonkanne zubereiten. Wer sollte mir denn vorschreiben, was richtig sein sollte?

Auf anderer Ebene passt eine Yixing-Kanne gut zum einem guten Tie Guanyin, der hohen Temperatur verträgt. Andererseits schmeckt ein schöner Tie Guanyin in Porzellan ausgesprochen elegant und duftend. Die Unterschiede festzustellen gehört der Kunst des Tees. Entdeckung, Freude und Genuss spielen dabei die wesentliche Rolle anstatt dem Gedanke von richtig oder falsch.

Der heutige grüne Tie Guanyin verträgt nicht mehr den hohen Temperatur. Insofern ist es fraglich, ob eine Yixing-kanne empfehlenswert ist.

Ich bereite Tie Guanyin sowohl in Ton, in Porzellan als auch in der Jadekanne.

5. Tie Guanyin braucht viel Platz in der Kanne. Nicht nur Tie Guanyin, sondern auch die gerollten Oolongsorten.

Mein Faustregel ist: den Boden der Teekanne mit Tee leicht bedecken. Je nach Sorte 1-3 Minuten ziehen lassen. Diese Menge reicht für 4-5 Aufgüsse.

Wenn Sie die Hälfte der Kanne füllen, dann freuen sich ihr Teehändler sehr.

Wenn die Teeblätter gar nicht entfalten, dann wissen Sie, wo Sie nicht mehr einkaufen sollen. Verkohlte Blätter entfalten sich nie. Solche Blätter werden von manchen europäischen Teehändler als Spezialität verstanden.

6. So original wie möglich Tie Guanyin zuzubreiten – das möchte ich auch können!

Ich bin kein Teemeister oder irgendein Guru. Ich könnte mit Ihnen nur meine Erfahrungen austauschen.

Als Romeo zu Besuch war, erzählte er mir von You Tube, wo er vieles über Gongfu Cha gesehen hat. You Tube ist kein Bildungsstätte!! Aber es liegt nicht an meinem Interesse hier zu verkunden, was richtig oder falsch ist, was original oder Fälschung sei sollte.

Tie Guanyin bereite ich so zu. Das Wichtigste ist dass mein Tie Guanyin selten der moderne grüne ungeröstet ist. Ich trinke überwiegend geröstete, gelagerte Tees. Gern habe ich den Aufguss intensiv und aromatisch. Nicht leicht oder mild.

Ich nehme eine Teekanne, sei es Porzellan oder Ton oder Jade – in unterschiedlicher Phase habe ich unterschiedliche Tick…  Den Boden der Teekanne leicht bedeckt. Wasser gleich nach dem Siedpunkt giesse ich die Kanne auf und gleich ab. Wenn die Teekanne warm ist, fülle ich den Tee. Dann geniesse ich den Duft, der aus der Kanne steigt. Anschliessend mit dem heißen Wasser aufgiessen. 1.10 Minuten ziehen lassen. (1 Minuten bei Muzha Tie Guanyin, Sie könnten ihn gerne um 10 Sekunde verlängern, wenn Sie noch kräftiger haben möchten). Je stärker der geröstet ist, desto kürzer.

Traditionell trank mein Großvater diesen Tee aus einem Porzellan-Becher mit Deckel…

Ich hoffe, meine Antwort war hilfsreich…

Fragen zur Gungfu Cha I

Liebe Frau Menglin-Chou

ich wenden mich heute an Sie mit ein paar Fragen zur Kung Fu-Teezeremonie. Ich selbst bin seit Jahren Tee-Enthusiast und erfreue mich immer wieder an dem wohltuenenden, reichen und komplexen Teegeschmack der Oolong-Tees. Damit sich der Tee voll und ganz entfalten kann, möchte ich in der Zubereitung alles richtig machen und gerne die traditionelle chinesische Vorgehensweise einhalten.

Hier meine Fragen hierzu:

  • Ist es richtig, dass zur traditionellen Kung Fu-Teezeremonie nur Oolong verwendet wird?

  • Ist es richtig, dass das hohe schmale Duftglas nur für Tie Guan Yin verwendet wird (und nur beim 1. Aufguss)?

  • Ich verwende eine echte Yixing-Kanne. Ich habe gehört, dass man nur den gleichen Tee in einer Kanne zubereiten soll, weil mit der Zeit die besondere Teeeigenschaften vom Ton aufgenommen werden. Wie ist das zu verstehen? Soll ich beispielsweise nur immer einen Dong Ding darin zubereiten, nicht aber mal einen Tie Guan Yin oder Da Hongpao (für diese Sorten ich dann zwei weitere Kannen benötigte)? Oder kann ich innerhalb der Oolongs mal den einen, mal den anderen darin zubereiten?

  • Kann man Tie Guan Yin auch in einer Yixing-Kanne zubereiten? Ist das (traditionell) üblich oder verwendet man dafür lieber einen Gaiwan (oder gar etwas ganz anderes)?

  • Tie Guan Yin benötigt beim Aufbrühen sehr viel Platz, um sich zu entfalten. Es heißt, dass bei der traditionellen Zubereitung mit einer Yixing-Kanne ziemlich viel Tee hinzugegeben werden soll (Kanne bis zur Hälfte gefüllt). Die Ziehzeit ist dann entsprechend kürzer. Meine Frage:

  • Wie mache ich das nun mit dem Tie Guan Yin? Ein Beispiel: Meine Kanne hat ein Fassungsvermögen von 150ml. Rechnerisch müssten 2 Gramm reichen, um einen schmackhaften Tee zu bekommen. Der Tee schmeckt so aber ziemlich schwach. Fülle ich die Kanne nun bis zur Hälfte (in diesem Falle ca 8 Gramm, können sich die Blätter garnicht entfalten und der Tee schmeckt auch nicht richtig…

  • Können Sie mir einen Tipp geben, wie ich Tie Guan Yin am besten nach der traditionellen chinesischen Weise zubereiten kann (Kanne/Menge/Wassertemperatur/Ziehzeit)? Ich möchte sehr gerne auf die traditionellen Aspekte Rücksicht nehmen, um es so “original” wie möglich zu machen


Ich würde mich sehr freuen, wenn Sie mir bei meinen Fragen helfen könnten und bedanke mich schon jetzt für Ihre Zeit und Mühe! Ich bin immer wieder fasziniert von den vielen spannenden Antworten, die Sie auf Ihrem Blog geben. Vielleicht wären diese Fragen auch für die übrigen Besucher lesenswert?

Mit besten Grüßen

Ch.

Angst und Vision

Angst und Vision

Foto: Ein Kulturnachmittag mit jap. Kammermusik, Lesung und Tee in Zürich

Freundin Anna kam aus Berlin und war zutiefst besorgt wegen meinem neuen Projekt mit dem Teehaus an der Spiegelgasse. Sie redete mir zwei Tage lang über die Gefahr, wie ich mich finanziell ruinieren kann. Ich sollte wieder zurück nach Deutschland und dort etwas machen anstatt in diesem Bergland umgebend von Mountain-People, die eigentlich nur Kühe und Bankier haben. „Was willst Du von den Menschen hier?“ „Nichts. Ich will nur meine Vision verwirklichen.“ „Hast Du keine Angst.“ Oh, doch. Eine ganze Menge.

 

Eine ganze Menge Angst begleitet mich schon seit Geburt. Angst steuert unbewusst unser Leben, treiben uns in die Anhängigkeitsbeziehung und entscheidet unseren Weg. Aus Angst werden wir konditioniert, auf den widerstandlosen Weg zu gehen. In einer Krisenzeit reagieren wir meistens auf Angst und aus der Konditionierung. Selten hören wir auf unsere Intuition. Auch wenn ich eine ganze Menge Angst beobachte, sollte ich mein Leben der Angst übergebe?

 

Urangst, die mit Existenz verbunden ist, ist ein Spiegelbild unseres Selbst. Ein Kampf ist von Anfang an verloren. Ich sehe sie und kann nur mit ihr befreundet sein. Angst kann mich bremsen, verhindern und meinen Boden wegziehen, in eine Abhängigkeit zu treiben, Menschen zu gefallen, Dinge aufzublasen und das wahre Ich aus den Augen zu verlieren. Muss man tatsächlich armselig werden, wenn man in der materiellen Armut steckt? Ist der innere Reichtum zwangsläufig abhängig von der materiellen Fülle? Ich sehe eine große Lektion des Lebens vor mir, eine Erbsenprinzessin.

 

Wenn die Angst die bremsende Kraft im Leben ist, was wäre die treibende Kraft unser armseliges Dasein?

 

In meiner ersten Reise nach China, traf ich mein „Teespion“ Luo in Fuzhou. Es war unsere erste Begegnung. Ein aufrichtiger schüchterner Mann, der mich in den ersten 15 Minuten nicht in die Augen anschauen konnte, zeigte mir mit einem chinesischen maskulinen Stolz die Stadt. Er lief vor mir und gab mir das Gefühl beschützt zu sein. Mit seiner in den Teebranchen tätigen Studienkollegin gingen wir zusammen in ein sehr edles Teehaus. Ein hübsches Mädchen geschminkt und geschmückt von einem chinesischen Kleid bereitete Tee für uns zu. Das Gespräch fing mit Celadon an. Luo fragte mich, ob ich koreanisches Celadon kenne. Ich liebte einst Celadon, Celadon in jeglicher Interpretation bis ich den Keramiker Hsu kennen lernte. Celadon, meistens ein Blendwerk, glänzt in grün. Selten schafft ein Keramiker Celadon matt und die Farbe zwischen Himmelblau und grün zu brennen. Koreanisches Celadon, andere Farbton, andere Art des Berührens und ein anderes Gefühl der Schwerkraft. Für mich ist das koreanische Celadon schwerer, dunkler und eigenartig. Wir sprachen über viele Dinge, viele schöne Dinge und noch mehr Dinge über die Schönheit des Lebens. Das Mädchen, mit ihren Orchideenfinger stets Tee zubereitete, fragte mich, ob sie alle diese schönen Dinge lernen kann, wenn sie nach Taiwan geht. Sie würde so gerne mit mir nach Taiwan gehen, diese schönen Dinge für ihr Leben zu lernen. Mich schauten sechs Augen an. Sechs leuchtende Augen voller Lebenshunger und Freude. Luo sagte, er würde gerne mit mir nach Taiwan gehen, bei meinem Lehrer Tee lernen. Seine Kollegin sagte, sie hat die Liebe zum Tee nie in dieser Form erlebt. Schöne Dinge geben uns Kraft zu glauben, dass das Leben sich zum Guten wendet. Schöne Dinge geben uns Licht und zeigen, wohin wir weiter gehen wollen – zur Veränderung, zum Aufbruch in ein anderes Ufer.

 

Wir suchen bewusst oder unbewusst die Nähe bestimmten Menschen. Wir vermissen bewusst oder unbewusst Begeleitung bestimmten Dinge. Manche finden es in Tee, manche finden es in Fernsehen, manche finden es in Sex. Die Dinge sind unschuldig und spiegeln nur, wer wir sind. Die Dinge sind unschuldig und spiegeln uns nur, wie wir sie sehen. Wie wir sie sehen, entscheidet dann, ob wir Glück anziehen oder Pech.

In diesen leuchtenden Augen am diesen Herbstabend sah ich Licht und die treibende Kraft in Menschen, die mir vorher unbekannt waren, aber ab jenem Moment Weggefährten wurden. Wir werden diesen kurzen Abend nicht vergessen, dass wir von schönen Dingen umgebend waren und so nah an die Schönheit des Lebens saßen. Wir waren im Einklang mit allen.

 

Heute Nachmittag lass Dirk den Text von Okakura. Was ist Teeismus? Okakura erklärte ihn in kurze Sätze:

Teeismus ist ein Kult, gegründet auf die Verehrung des Schönen inmitten der schmutzigen Tatsache des Alltags… Den Wesen nach ist er eine Vereherung des Unvollkommenen, denn er ist ein zarter Versuch, etwas Mögliches zu vollenden in diesem Unmöglichen, das wir Leben nennen.

 

Das Projekt, in der Bankenstadt Zürich ein Teehaus zu starten, ist ein zarter Versuch, etwas Mögliches zu vollenden in diesem Unmöglichen, das wir Leben nennen.