Archiv für den Monat Juni 2013

Ein Aermel voller Düfte – Oolong aus Shan Lin xi

Shan Lin Xi
Ich habe wirklich viele guten Tees in meinem Leben getrunken. Oft handelt sich nicht mehr um einen so gegannten guten Tee, vielmehr geht es mir um einen Tee, der mich bewegt und inspiriert.
Oft habe ich meinen Lehrer Atong gefragt, weshalb er keinen Oolong aus Shan Lin Xi hat. Seine Antwort war immer, wenn er einmal einen guten findet! Wie schmeckt ein guter Shan Lin Xi?
Man sagt oft, dass es im Sommer bei Teegeschäften ein Sommerloch gibt. Sommerzeit, Eis-Zeit. Auch Besucherzeit. An so einen warmen Tag kommt nur gewollter Besucher. Letzte Tage empfange ich viele Besucher aus der Ferne, wegen Tee wegen Menschen. Für meinen Besucher bereite ich den neuen Shan Lin Xi. Einerseits weil ich ihn näher kennen lernen möchte – es ist schön mit Teefreunde gemeinsam ohn zu erkunden; andererseits weil er unbekannt ist unter den Teefreunden.
Von den entzückten Augen und begeisterten Miene beobachte ich den Erfolg dieses Neuankömmlinge. Ein Aufguss nach den anderen, Ein Atmenszug nach einem anderen. Düfte betörten unsere Sinne – Blüte aus Süden… waren es Osmanthus, Rosen und Lilien? Sanft im Gaumen, dickflüssig auf der Zunge, Nachklang wie Balsam. Angenehm und ungewöhn zugleich. Fremd und vetraut gleichzeitig.
Gegen Abend nachdem letzte Gäste aus Amerika Shui Tang verliess, draussen auf den Neumarkt herrschte noch Lärm – Samstagabend im Sommer gefüllt von Gespräche und Gelächter, schaute ich die bergvolle Blätter aus Shan Lin Xi erinnerte ich mich an einen Ausdruck, wie ich diesen Tee beschreiben würde…
紅袖添香 Hong Xiu Tian Xiang
Roter Aermel voller Düfte
Ich liebe Düfte und sammle gerne verschiedene Düfthölzer und Harz. Nicht wegen esoterischem Spass, sondern aus reiner Liebe. Ich liebe den Aufwand, wenn ich Duftkugel aus Dufthölzer, Honig und Harz knete, wenn ich Asche siebe, wenn ich so aufwendig den Duft geniesse. Ein Hauch von Ruhe und Frieden. Meistens brenne ich auch Rächerstäbchen, nur weil es Fremdgeruch vertreiben soll. Aber für Spass und für mich, bringt der Aufwand mir innerlich viel mehr. Bei jeder Schritt der Vorbereitung wird der Ärmel immer wieder von Duft gefüllt.
Ähnliche Handlung, ähnliche Frieden und Freude wiederholten und beglückten wohl auch Menschen in alten China. Es wurde gerne erwähnt in der männlichen Phantasie der alten Zeit. Bei einem Buch begleitet von einer Schönheit, dessen Aermel voller Düfte – was will man mehr von Leben?
Shan Lin Xi Hochlandsoolong von Atong begleitete mich und meine Gäste an jenem Samstag bis spätem Abend. Er wird wie der Aermel voller Düfte noch weitere Menschen bei einem Buch, bei einem Besuch oder bei einem Sonneuntergang begleiten.

Das Gesicht einer Nacht 夕顏

Das Gesicht einer Nacht 夕顏

松樹千年終是朽,槿花一日自為榮。
Auch wenn Kieferbäume Tausendjahre alt werden, werden sie irgendwann zerfallen.
Auch wenn Hibiscus nur ein Tag lang blüht, strahlt sie in voller Schönheit.
Bai Ju Yi (772–846), Tang-Dynastie China

Wenn ich in mir Unruhe spüre, mache ich unbewusst mir eine Schale Tee. Je nach meiner eigenen Auffassung wähle ich einen – selten einen grünen.
Grüner Tee geniesst im Europa wegen der angesagten Wirkung gegen Krebs einen Kultplatz. Die meisten Menschen hier haben selten einen Zugang zu ihrem eigenen Körper und glauben gerne an PR-Texte. Sie kaufen das, was empfohlen wurde und wo gepriesen wird mit einem Daumen nach oben oder nach unten. In jedem Frühling zerbreche ich meinen Kopf, um das Verhältnis von Preis und Qualität vom grünen Tee stabil zu halten. Zu viel eingekaufter güner Tee bedeutet für Shui Tang ein Verlust, weil die Schönheit des grünen Tees in meinen Augen eben nur von kurzer Dauer ist. In Japan gibt man sogar den Genusszeitraum von drei Monaten. Aber wenn ich alte Texte von 千利休, Sen no Rikyū lese, dann werde ich richtig verwirrt, dass er den alten Tee bevorzugt und den neuen Shincha als zu unreif bezeichnete.
Ich bin noch tiefer in Pu Er Tee verliebt, seit ich aus Yunnan von den alten Bäumen zurück komme. Der einfache Geschmack gleicht die Schönheit aus der einfachen Erde. Etwas, was reifen muss, um Facetten und Tiefe zu gewinnen – das spricht mir wohl wegen meinem Alter immer mehr an. Das grasige Grün verliert immer mehr mein Gunst.
Seit paar Wochen reisen immer mehr frische grüne Tees in Shui Tang an. Wir sind ganz fleissig beim packen. Die frische grasige Note und federleichte Blätter strahlen eine unglaubliche Leichtigkeit aus. In dieser Hitze Zürichs greife ich ihn sogar freiwillig zu. Während Natascha nach dem Feierabend noch für mich den Computer reparierte, machte ich mir eine Schale Matcha… Plötzlich sass ich im Garten von Sanzenin in Ohara. Der alte Kiefer und Moos scheinen greifbar zu sein. Der alte Kiefer kann lang leben, während mein Leben ein Provisorium ist…
Sara fragte mich auf der Reise, weshalb ich viele Leute aus Europa nach Yunnan mitnehmen wollte. Ich antwortete, weil mein Leben ein Provisorium ist, während der Tee weiter geht. Irgendwann bin ich weg und Tee muss im Europa tiefe Wurzel einschlagen.
Mein Leben ist so kurz wie der grüne Tee. Kurz von Lebensdauer. Wie der Hibiscus in Bai Juyis Gedicht.
Nicht nur Hibiscus ist ein Ein-Tagsblume. Prunkwinde auch. Es gibt zwei verschiedene Sorte: eine Sorte blüht nur am Tag – auf Chinesisch heisst er Morgengesicht, Zhao Yan, eine andere Sorte blüht nur in der Nacht – auf Chinesisch heisst er Gesicht einer Nacht, Xi Yan. Xi-Yan ist gerne erwähnt und oft mit einer Seufz in der chinesischen Literatur – weil er in einer Nacht blüht. Etwas, was nie zu Tage treten soll. Wir haben meistens Angst davor, wo das Licht nicht ankommt… Eigentlich liegt dieser Ort wo Licht keine Chance hat in unserem eigenen Herzen. Deshalb fühle ich mich immer angezogen von den Xi-Yan. Diese Blume erzählt mir das, was ich nicht zu Tage treten lassen will und das Leben nur von kurzer Dauer ist.
Beim Besuch von Hannes Garten entdeckte ich diese blaue Blumen in der abendlichen Stimmung – fast genau wie unser alten Garten in meiner Kindheit, als ich noch mit meiner Schwester durch unsere verschiedene Höfe Versteckspiele machten und vor Erwachsenwerden flohen. Unser Garten ist hin nach Hundertjahren. Ich bin nun hier in Zürich. Manchmal gehe ich zu Vrenis Garten an der Spiegelgasse – die Mauer ist rauh und alt, während die Blumen in voller Schönheit bloss paar Tage blühen.

Shui Tang in Monocole

Shui Tang in Monocole

Für die paar Zeilen und paar Fotos war es eine Haufen Arbeit. Paar Stunde verbracht ein Profi-Fotograf, der bereits viele VIP der Welt verewigt in Shui Tang. Ich konnte am Ende nicht mehr lächeln…
All die Arbeit für die paar Zeilen zeigt mir wie dieses berühmte Magazin arbeitet. Es geht um die Bestrebung der Perfektion, nicht um den Aufwand. Trotz dem Aufwand wurde mein Name falsch geschrieben…
Ich möchte mich hier besonders an Roger Fischer und Ursula Kaspar bedanken. Die wunderschöne Webseite und grafische Erscheinung war aus Rogers Hand und Chragis Können. Ursula ist die wirkliche Zauberin von Shui Tang. Ich bin unschuldig in dieser ganzen Geschichte – bloss zufällig dort, wo so ein wunderschöner Ort geschaffen ist!
Vor etwa fünf Jahren zeigte Roger mir das Magazin Monocole bei einem Abendessen. Er ist Fan von Monocole und das Magazin war mir nie ein Begriff. Er sagte, „Wenn Du einmal ins Monocole schaffst, dann gehörst Du zu dem „Top der Welt“.“ Ich bin ehrlich gesagt, nie ambitioniert, etwas zu werden und mache nur meine Arbeit, weil ich es will.
Es ist so entstanden – ich habe es nicht gewollt.
Shui Tang ist bald vier Jahre alt. Ich möchte mich bei allen Teefreunde bedanken, vor allem Shui Tang regelmässig kommen, tragen und helfen! Ohne Euch wäre das Teehaus nicht hier.

Nan Nuo Shan Shi Tou Zhai 南糯山石頭寨

Nan Nuo Shan Shi Tou Zhai 南糯山石頭寨

朔風如解意 Wenn der Nordwind mich (die Pflaumenblüte) verstehen würde,
容易莫摧殘 würde er nicht so heftig und wütend wehen.

唐-崔道融《梅花》Dang-Dynastie, Cui Daorong „Pflaumenblüte“

Als ich den Deckenrand roch, roch ich Spuren von Poren. Poren versunken im Kräuterzucker. In einem Tee aus Yunnan Poren zu riechen? Ich dachte es sei wegen meinem „Geschmackslosigkeit“.
In diesem Dschungel ist der Mensch so klein. Umgebend von grossen üppigen Bäumen – dazwischen Teebäume, die Spuren von Menschen verschwinden in der dunklen Schattierung des anderen Lebewesen. Vögel lästern, Insekten summen und Tiere lauschen… Nach dem typischen tropischen Nachmittagsschauer duftet der Wald nach Kampfer, nach Jasmin oder nach Maiglöckchen oder nach… mir fällt kein Begriff, um diesen umfassenden Spektrum diese Düfte zusammenzufassen. Nan Nuo Shan – bekannt nach dem Legende von Kong Ming, der intelligenteste Mann der chinesishen Geschichte, berühmt durch die Erzählungen von drei Königsreichen 三國. Es wurde erzählt, dass Kong Ming in Yunnan Kriege fuhr um die politische Macht von Shu zu stabilisieren. Als er mit seinen Soldaten durch Nan Nuo Shan reitete, wurden die Augen seiner Männer krank. Aber die Teeblätter in diesem Wald heilte die Augen seiner Soldaten und die Teebäume wurden seitdem verehrt. Und Nan Nuo Shan wurde zu einem Pilgerort des Tees.
Meine Augen waren heil – tatsächlich. Seit ich wieder in Zürich bin, stehen sie wieder unter stetigem Reiz und Rötung.
Ich weiss nicht ob diese Geschichte mit Kong Ming wahr ist, oder nicht. Wahrheit gehört zur Geschichte, die beliebig und oft willkürlich von Hegemonie interpretiert werden kann. Aber die Poesie gehört mir – für immer.
Nachdem ich in diesem Wald fast vier Stunde gewandert bin, wollte ich unbedingt auch einen Tee von dem Shitou-Dorf, wo Kong Ming verweilte (angeblich) HABEN. Haben, nicht nur ein Schluck zu erleben. Ich will meine Erinnerung wahr haben!
Über Umwege bekam ich endlich diesen Tee. Meine Nase riecht inzwischen wieder und mein Geschmack kehrt bedingt zurück. Mit Freude brach ich Stückchen von diesem Fladen, Nan Nuo Shan Shi Tou Zhai 2010, von You produziert, goss ich mit dem Wasser von Zürich auf. Plötzlich ist der Wald in meiner Tasse und ich bin auf einem Teebaum, der einfach dort auf dem Hang steht, allein und glücklich. Der Mond und sein Schatten sind seine bester Freund. Wie lang steht er da schon? Spielt die Zeit wirklich eine Rolle?
Ich will diese Verbundenheit mit diesen Teebäumen hier haben. Sorgfältig falte ich das Papier des Fladens und Aufguss für Aufguss trank den Tee.
Wenn der Mensch weiss, wie alt diese Bäume sind – vielleicht werden sie vorsichtig sein mit ihren Spuren… Wenn der Mensch weiss, wie hart es ist, eine Fladen noch wie in der Song-Zeit zu erzeugen, vielleicht gibt es Dankbarkeit bei jedem Schluck…
Plötzlich entdeckte ich bei zweiter Degustation die Ursache für die Spuren der Poren. Eine winzige Camelia-Blüte wurde in dem Fladen mitgepresst! Ein bisschen stolz auf meiner sensorischen Fähigkeit, vermischt mit einer starken Traurigkeit.
Teeblüte im Frühling – ein Phänomen gegen das Naturgesetz. Wenn der Baum nicht gestresst wäre, würde er nicht im Frühling blühen… Wer stresst den Baum?
In der chinesischen Kultur werden Pflaumenblüte gerne von Poeten verewigt. Nicht weil sie schön sind, sondern weil sie in den kalten Winter blühen. Eine Schönheit, die trotz der schwierigen Zeit zu sich selbst steht und Mut hat, selbst zu entfalten, wird in dieser Kultur als Ideal gefeiert. Pflaumenblüte bietet den Nordwin, nicht zu bitter und zörgerlich zu toben. Wenn der Nordwind wissen würde, wie schwer sie haben trotz der Kälte treu zu sich selbst zu sein! Vielleicht wenn die Menschen es wissen würden, wie schwer ein Teebaum in dem Dschungel zwischen den Schatten des anderen zu stehen, und wie viel Freude ein gesunder Teebaum den Menschen bereichern kann, würden die Menschen sanfter mit dem Ausbeuten seiner Blätter umgehen…