Archiv für den Monat Dezember 2011

Der stimmenlose Wasserfall 音無の滝

Manchmal dachte ich als Studentin in Taipei, dass der Frühling endlich angekommen ist. Plötzlich kam aber der Nordwind und verregnete alles. Alles – auch mich. Die Orchideen meiner Grossmutter standen durcheinander in unserem zweiten Hof. Die Blätter von unserem Hibiskus fallen lautlos auf dem Schlamm, während die Regentropfen aus den Dächer lautstark tanzten.
Ich liebe Regen. In meinem Name beinhaltet auch das Wort „gutes Regen“. Gerne lass ich Fenster offen, wenn es regnet.
Heute Nacht war das Fenster weit offen. Ein Sturm eigentlich und wurde begleitet von schönen Regenmusik. Ich berauschte und schlief ein, ohne zu wissen wie spät. Der Regen in Zürich kann nicht mit dem in Taipei verglichen werden. Der Winterregen in Taipei ist wie ein Jammern oder ein leises Grübeln. Zäh, langwierig und melancholisch. Wenn man mich fragt, ob ich dazu einen Tee trinken würde – hätte ich als eine Studentin geantwortet: „Tee? Nö, ich trinke lieber Kaffee!“ Wenn ich nicht im Cafe war, war ich wohl auf den Weg zwischen zwei Cafes.
Wenn ich in Kyoto bin, bin ich gerne in Ohara. Dann besuchte ich das Tempel 三千院Sanzen-In. Hinter dem Tempel gibt es einen stillen und zugleich lautstarken Ort wegen einem wasserreichen Wasserfall. Als ich zum ersten Mal dort war, erschien mir der Name „Stimmenlose Wasserfall“ wie ein Kuan. Damals war ich zu jung und besuchte diesen Ort wie ein Konsumment. Nun bin ich erwachsen und habe im Leben genug gelitten und bin weiter gegangen. Langsam begreife ich, das Gefühl bei einer Tasse Tee neben einem von Naturgewalt gesteuerten Wasserfall zu sitzen.
1095 kehrte ein Mönch aus China nach Kyoto zurück und gründet in Ohara einen Übungsort für die spirituelle Entwicklung. Er suchte den Platz nebem dem Wasserfall aus und rezitierte dort die Lotus-Sutra. Jeden Tag rezitierte er die Lotus-Sutra, begleitet oder bekämpft von den Lauten der Natur. Wahrscheinlich war es zuerst ein Duell zwischen der menschlichen Konzenstration und der Naturgewalt. Irgendwann findet eine Angleichung oder In-Einander-Fliessen zwischen Menschen und Natur statt. Es wurde erzählt, dass die Stimme des Sutras die Laute von „Aussen“ klären und intergrieren konnten. Es wurde erzählte, dass es in der verwirrten Zeit der Kriege diese Übung ausgedehnt wurde. Die Mönche gingen ins Sansara hinein und ihre Rezitation war die Stütze für die gewöhnten Menschen in dem Geschrei von Gier, Hass und Elend.
In dem immer wiederholten Gefühlsgewitter der Menschheit von Tränen, Freude und Verletzungen war der Ort des stimmenlose Wasser ein Ort jenseits der beständigen Wandel. Heute Mittag, als das Gewitter in der Nacht entgültig vorbei zog, schien in Zürich wieder Sonne. Ruhe herrschte wieder im Aussen. Aber in Geist von Menschen verlässt uns die hüpfenden Affen nicht.
Eigentlich verlässt der Wasserfall mich nie, nur ich sehe ihn manchmal nicht. Was trinke ich jetzt?
Ich vermisse den felsenhaften Da Hongpao.

Besuch von Ulrich

Besuch von Ulrich

Es war eine ganz tolle Ueberraschung, dass Urlich mit Peter und Hans plötzlich in Shui Tang auftauchten. Sie wollten die Austsellung Mystik in Rietberg anschauen und dann mich überraschen!
Wenn Teefreunde aus der Ferne kommen, packe ich natürlich das Beste aus.
Als sie da waren, war Simon auch da. Ich kannte ihn nicht. Er sagte aber, dass er bereits einmal vor der geschlossenen Tür stand und diesmal endlich hinein gehen dürfen. Er kam aus London.
Dann fingen die unbekannten Teefreunde miteinander zu sprechen. Simon hat sehr viel Glück, die Highlight wie Pu Er 1950 etc. zu erleben.
Ich staune immer dabei, wie es alles zusammen kommt, dass Menschen zusammengeführt werden!
Gestern erzählte ich Taka, dass ich ihn vor einem Jahr bereits gesehen habe. Es war in Tokyo Isedan. Ich musste verrückte Einkäufe innerhalb einem Tag in Tokyo erledigen und sah die Teedosen, die immer bei Hubert ausstellen. Ich wusste sofort, dass es der Produzent war. Aber wir haben uns nie gegenseitig angeschaut und gesprochen. Und jetzt sassen wir neben einander, tranken Tee und nahmen gemeinsam Mahlzeiten an!
Was ist das denn eigentlich? Braucht vielleicht menschliche Beziehung Zeit, um sich zu begegnen?
Die Teefreunde, die vor der geschlossenen Tür von Shui Tang stehen, hoffe ich, dass die Zeit bald kommt, zu treffen.

Klare Schönheit

Es fing plötzlich an in Zürich Nord zu regnen.
Als ich zu Fuss zu Stadelhofen lief, war es trocken, als ob die Altstadt Zürich emotional total vertrocknet wäre.
Und der Regen schlägt natürlich dort nieder, wo Leben da ist – eben bei Balkan-Getto Zürichs.

Viele Mitreisende haben You, in seiner sympathischen Art und natürlichen Erscheinung kennen gelernt. Ehrlich gesagt, ich kann mit ihm nicht sehr gut umgehen, weil er nicht viel von sich preisgibt. Wenn ich solche Menschen treffe, werde ich provokativ. Es ist reizvoll, jemanden aus dem Haus zu jaggen. Trotzdem kommt er scheinbar mit mir klar und beglückt mich immer wieder mit Ueberraschungen. Letze Woche bekam ich ein Paket und sah viele viele schöne Pu Er Muster. Ich wusste wieder nicht, wie ich damit anfangen soll. Er sagte, er möchte mir einen Ueberblick verhelfen, die Teelandschaft in Yunnen näher zu bringen – „Hoffentlich kommst Du einmal mit.“ Und die halbe Fladen von Bangwei 邦崴 – sie ist mir sofort aufgefallen. „Was ist das?“ „Eine seltene Fladen aus dem 2. ältesten Tee-Baum in Bangwei.“ „Wie alt ist er?“ „Angeblich über Tausendjahre alt.“
Bangwei, ein Dorf nähe zu Burma, ist heiss bekannt durch den Teebaum-König, der nun von einer alten Dame besitzt und 24 Stunde bewacht wird. Diese alten Teebäume aus Bangwei sollte Beweis liefern für den Wandlungsprozess der wilden Teebäume zum kultivierten Baum.
You schrieb mir, dass dieser Tee klar auffallend duftet – Qing Yang. „Klar auffallend?“ Ich widersprach ihm, „Er ist eine klare Schönheit! So dezent und subtil. In seiner leise Präsenz spüre ich die Qualität eines alten Baumes!“ In dem ersten Aufguss fällt mir das leichte metalische und fast nach Meer schmeckende Aroma auf. Ich bevorzuge weitere Aufgüsse. Das späte Echo, das langsam aus dem Kehle in den Mund verbreitende Süsse und Parfüm fesselten meine Wahrnehmung. Ich hätte doch wissen sollen, dass sich Tee aus einem alten Baum anders offenbart als die gewöhnlichen Garten-Pu Er Tee, der vielleicht in ungeübten Gaumen sogar besser stärker auffällt!
Dass diese leise Präsenz missverstanden werden kann, widerspiegelt unsere Gesellschaft. Wer kann sich heute nur noch auf das Wesentlich konzentrieren, ohne manchmal verwirrt von dem Geschrei aus der Gasse?
Doch! Gute Dinge sprechen für sich selbst.
Ich kenne Romeo seit einer geraumten Zeit. Er ist ein leiser Unterstützer von Shui Tang. Er besucht mich immer wieder und bringt die Tees überall hin. Er bezeichnet sich als Teekurier. Hinter seiner cowboy-Erscheinung verbirgt ein grosses Herz für Tee! Aber Romeo hat sehr Mühe sich ruhig zu halten. Er muss sich ständig bewegen. Als wir am vergangenen Dienstag diesen Banwei 2011 tranken, war er auf einmal ruhig. Richtig ruhig.
Bei dieser klaren Schönheit, in diesem selten klaren schönen Moment werden Worte überflüssig.
Das ist der Tee, den ich bei einem Regentag wie in heutigen Abend allein trinken würde. Das All-ein-Sein würdigt diesen Tee, so dass er in seinem ganzen Wesen verstanden und berauscht werden kann.
Romeo und ich sassen ganz ruhig in Shui Tang. Es war ein wunderschönes Moment, dass zwei Teefreunde das Zwischen-den-Tee wortlos austauschen können.

Später erzählte mir You, dass es nur 4 Fladen in diesem Jahr gab. Er bekam eins. Mir gab er die Hälfte.
Ich werde ihn hier im Europa weiter verteilen.

Taka

Hubert erzählte bereits vor Monaten, dass er einen japanischen Besucher von Kaikado bekommt und ich ihm helfen soll, weil ich doch asiatisch bin.
Kaikado ist ein Manufactum in Kyoto, sie machen luftdichte Teedosen per Hand. Oft kommen Kunde von Hubert, die so eine Dose kaufen und dann Tee bei mir holen.
Diesen Besucher sollte ich heute kennen lernen.
Es ist ein junger Mann – ich dachte, ich hätte einen sechzigjährigen getroffen! Wer macht heute noch per Hand Teedose – wenn man nicht zu alt ist, um Umschulung zu tätigen?
Ein junger Mann mit Brille, sympatisch und natürlich. Ich sehe keine typische in meinen Augen übertriebene Manöver der Höflichkeit, sondern ein natürlicher souveräner Mann.
Taka – so stellte er sich vor. Er war zwei Male in Shui Tang, weil wir einen Tee miteinander trinken wollten. Heute war Shui Tang voller angemeldeten Gästen. Taka, sass und wartete vergeblich auf eine Tasse guten Pu Er. Er ging, als die Kunden an der Kasse standen. Ich arbeitete weiter, ohne ein Wort mit ihm auszutauschen, als ob es so einfach und selbstverständlich wäre, als ob wir uns schon lange gekannt hätten.
Endlich wurde die Tür geschlossen und Lichter gelöscht. Taka kam.
Die Lichter wurden wieder in Einsatz und ich bereitete ihm eine Tasse Menghai 1985 zu.
Wir begann miteinander zu sprechen mit unserem einfachen Tool von Englisch. Irgendwie war mein Englisch heute recht fliessend – erstaunlich. Er erzählte mir, dass er die sechste Generation ist, diese Teedosen zu fertigen. Er erzählte mir, wie schwer sein Grossvater es hatte, als Japaner die importierten Industrie-Teedosen bevorzugten. Er erzählte mir, wie sein Vater insistierte, weiter diese Tradition zu führen, egal wie die Aussenwelt sich verändert und ihm auslachte. „Money can not make us happy.“ er sagte, „My father said, if you do right thing for you, you will meet right people!“
Als ich es hörte, wusste ich, wen ich hier traf. Es ist nun wieder ein Mensch mit dem Zeichen an Stirn – wenn ich die Wörter von Hermann Hesse asuleihen darf, der zu mir geführt wird. Diese Menschen haben keine Angst vor Veränderung der Welt, keine Ambivalenz vor Zukunft. Sie wissen, dass sie selbst Verantwortung für ihr Leben tragen und sie leben im Prozess von Sich-Selbst-Werden anstatt von Selbst-Verteildigen. Ich erzählte ihm von mein Dasein in Zürich. Gerne gebe ich meiner Aussenwelt viel Macht. Gerne reagiere ich auf die Vorstellungen und Projektion des anderen. Gerne nehme ich die Reize wahr. Aber diese „Aussenwelt“ kann nun nicht mehr viel meine Wahrheit beeinflüssen. Ich möchte meine Welt gestalten, so wie ich es leben möchte – von innen.

„Wenn wir uns auf die innere Welt konzentrieren können, dann umarmen wir die Zukunft.“ so formulierten wir unsere Lebenshaltung.

„I do not concentrate on the money. I just concentrate on my work. Maybe the money will follow – „
„It happens automaticlly!“ – Wir gestalten unsere Welt, in der wir leben.
Ich fragte ihm, ob er irgendein traditionelles Praxis übt – Zenweg, Teeweg oder irgendetwas. Seine Wörter sind voller Lebensbejahung. Er sagte, „No, I just tell you, what my father and Grandfather said.“
Hubert kam endlich. Ich sagte ihm, „Hubert, er kommt aus dem gleichen Planet wie wir.“ Wir lachten.
Es ist ein chinesisches Ideal und ich bin sehr froh, dass ich es noch übermittelt bekam. Es ist nicht nötig nach der Herkunft und Geschichte meines Gegenüber zu fragen. In einer wahren Begegnung im Hier und Jetzt lernen Menschen Herzen zu Herzen kennen. Wozu von Zeit und Raum sprechen, wozu über die Vergangenheit und Zukunft zu forschen?