Archiv für den Monat Dezember 2020

Bevor das Neujahr beginnt

Bevor das neue Jahr beginnt, zünde ich ein Kerzen an und offeriere eine Schale Tee für all das, was ich übersehen, vergessen und zu wenig gepflegt habe.

Während das Leben fortschreitet, wird stets eine Entscheidung getroffen. Bevor eine Entscheidung getroffen wird, werden oft auf andere Möglichkeiten verzichtet. Mein Leben schreitet sich und viele Möglichkeiten gehen in die Verlorenheit. Ähnlich wie das, was ich versuche, aufzubewahren, weiterzutragen und zu vermitteln. Die Wärme der Sonne eines Tees, das Temperatur der Hände einer Künstlerkanne und der Geschmack an einer Zunge einer Geschichte gewordenen Zeit. Meine Arbeit will diese Aura der Einzigartigkeit bewahren. Aber die digitale Welt wird meine Arbeit lächerlich machen – wer würde sich drum kümmern, wenn wir in icloud die Zusammensetzung des Stoff des Tees speichern können und jeder Zeit runterladen können!

Und Madonna hat ihre Klonen in verschiedenen Kirchen. Die Meeresgöttin in Taiwan hat ihre verschiedenen Filiale. Wie entsteht die Aura der Unzugänglichkeit? Vielleicht durch ein Ritual, was das Profane und das Heilige unterscheidet?

Ich offeriere eine Schale Tee mit einer brennenden Bienenwachskerzen – für alles, was fast vergessen, übersehen und nicht weiter gepflegte Beziehung des Lebens. Möge das Ritual, Euch ein Hauch von Aura verleihen, eine Fülle von Heiligkeit. Bevor das Licht erlöscht, mein Respekt zu erhalten.

Das Leben ist so, etwas geht verloren und etwas wird zurückgelassen. Und etwas geht ein Stück weiter. In einer digitalen Zeit herrscht das Kleber von Haltbarkeit. Darum ein Ritual, was mich noch einmal mit allen verbindet.

Jiangpo Ni, wie schmeckt der Ton?

Wu, Licheng 吳利成 macht seine neue Kanne 巨輪 Julun aus dem Ton 降坡泥 Jiangpo Ni.

Seit 2005 wurde der Tonabbau in Yixing verboten. Anfang der 90er Jahren wurde Jiangpo Ni entdeckt, bei einer Reparatur von einer ansteigenden Strasse, darum Jiangpo – absteigender Hang.

Damals wollte man die Verbindung zwischen HuanglongShan (berühmt für den besten Ton in Yixing) und QinglongShan (ein Bekannter Ort für Baden und ist ein Park) verbessern und bei der Reparatur entdeckt man diese besondere Tonart, die zwischen Duanni und Hongni liegt. Eine Art von Symbiosen. Duanni, Hongni und Zini wachsen zusammen. Nach dem Brennen zeigt der Ton leicht orangefarbene Oberfläche, die feine körnige Textur hat.

Dieser Ton eignet sich für Formen, die nicht feine zarte Gefühle des Betrachters und Liebhabers erwecken sollte, sondern das Gefühl von Spuren der Geschichte. Etwas was uns an Sinn erweckt als das häusliche und private Empfindung.

Als Jae mich fragte, warum Wu bei der Form Julun Zhu 巨輪珠 solche körnige Oberfläche gestalten möchte, konnte ich nicht mehr sagen, als das, „weil man damals in Japan diese Eigenschaft geschätzt hat“. Schliesslich war Julun Zhu die Projektionsfläche der Japaner, die chinesische Teekultur als zeitlos und grenzüberschreitend empfand und übers Meer auf die Insel bringen wollte, um den Horizont der Inseln zu erweitern. In diesen Sinne eignet sich Jiangpo Ni wunderbar Julun Zhu wieder in die Erinnerung des Teeliebhabers zu erwecken.

Jiangpo Ni wird in 1180 Grad gebrannt. Die Schrumpfung während des Brennens beträgt 12%.

Er schenkt den Tee feine Strukturen, besonders duftende Aspekte. Die Textur des Tees wird sehr viel geschmeidiger und seidiger.

Müßige Wolken 閑雲- 2

Als ich diese Kanne sah, dachte ich sofort an den Bahnhof im südlichsten Zipfel von Japan, にしおおやまえき, Nishi Oyama Eki.

Ich begleite meinen Vater auf einer Kyushu Reise. Dieser Bahnhof ist zwar heute nicht mehr mit Personal bedient, trotzdem sehr bekannt für den Tourismus. Dank der hervorragenden PR genießt der JR Bahnhof Zulauf und alle wollen eine Postkarte schreiben in die legendäre gelbe Briefkasten abschicken, weil es Glück bringt.

Außer dem tollen Bauernmarkt im Bahnhofsgebäude und der Blick auf den blauen Horizont weit und breit kann ich solche Attraktion nicht gut finden. Aber ein Herr mit einem Hut und einem Rucksack in meinem Alter hat meinen Blick angesprochen. Wohl ein Japaner. Woher und wohin? Was?

Mit einem Rucksack in einfachen Outfit geht jemand auf die Reise. Man bliebt kurz stehend wie ein Müßige Wolke 閑雲in einem Bahnhof am südlichsten Zipfel am Pazifik. Wohin? Wohin weht der Wind?

Yin Min 尹旻 erzählte mir heute, wie diese Kanne entstanden ist. Während des Lock Downs konnte sie körperlich nirgendwohin. Aber der Geist wird von Wind aus dem Universum begleitet. Sie malt und malt. Irgendwann entschied sich aus diesen Stapeln von gemalten Kannen, tatsächlich umzusetzen! Sie nennt die Kanne „Müßige Wolken“. Sie schrieb mir, dass sie nur aus dem Fenster den Himmel sehen konnte. Und der Wolke ist das Einzige, der sich frei bewegt.

Frei bewegende Wolken hat eine Künstlerin getröstet und inspiriert. Die Kanne „müßige Wolken“ hat meine Erinnerung erweckt und vielleicht einen Wünsch geboren, mit einem Rucksack am einem Bahnhof stehenzubleiben und fragt dem Wind, „Na, wohin.“

Yin Min. Duanni Kanne 180 ml.

(Im Alpenland ist der Himmel schmal. Die Wolken sind dominant. Der Wind wirkt um so mächtiger. Ich schliesse meinen Mantel und lief gegen den Wind, „Du, kalter Wind, du hast alles abgeblättert. Was ist demnächst?“ – Zürich in Winter, wieder kurz vor Lock Down.)

Brauchen wir heute NOCH ein Ritual?

Schweizer Fernsehen „stiftet“ ein Streit über „wozu Weihnachten“. Brauchen wir überhaupt ein „Weihnachten“ oder „Oster“?

Ich kenne viele Menschen, die nichts mit Weihnachten anfangen können. Mein verstorbener Tee-Vater Detlef sagte oft, warum ist das Weihnachten im Winter? Wenn es im Sommer wäre, wäre es vielleicht nicht so streit-zündend für eine Familie. Ja, während des Weihnachtens gibt es oft Streit. Diejenigen, die es hassen, fliegen weg. Dies dürfen sie in diesem Jahr nicht. Diejenigen, die gerne im grossen Kreis feiern, dürfen in diesem Jahr auch nicht. Es wird ein spannendes Weihnachten!

Aber wozu Weihnachten? Ist das Weihnachten ein sinnloses Ritual?

Was ist eigentlich ein Ritual? Brauchen wir heute überhaupt NOCH ein Ritual?

Was ist dann mit dem Gongfu Cha als ein Tee-Ritual? Brauchen wir es? Wirklich?

Darüber werde ich in nächsten Teegespräch in Shui Tang sprechen.

Irgendwann, irgendwann wird das Weihnachten vielleicht nicht mehr duften und verschwinden zwischen den Lippen, die nur nach dem Stress von Black Week riechen.