Archiv für den Monat September 2008

ZeitPhänomen

Zeit ist ein Phänomen. Ein gelagerter Tee ist ein Phänomen. Die Liebe zwischen Menschen ist ein Phänomen. Die Liebe zwischen Menschen und Tee ist ebenfalls ein Phänomen.
Zeit kann man messen, mit Uhr. Ein gelagerter Tee kann man messen, mit Nase (für manche mit der Jahreszahl). Die Liebe zwischen Menschen kann man vielleicht nur mit Schmerzen messen. Was bedeutet schon die Dauer, die man einander kennt? Was bedeutet schon die Zeit, die man gemeinsam verbringt? Wie willst Du die Distanz und den Prozeß messen, zwischen der Vergangenheit und der Gegenwart, zwischen Gestern und Heute?
Für  alte chinesische Tradition verschenken Liebende gegenseitig nie die Uhren. Es würde bedeuten, die Zeit zu messen.

Zu Mondfest rief mein Teelehrer in Taipei mich an. Er hatte eine besondere Bitte. Er wollte eine Teeuhr, sagte er. Ich verstand, dass er eine Kücheuhr meinte. Er sagte, schlicht, aus Edelstahl, elegant, nicht zu teuer. Paar Tage später rief er mich wieder an und fragte, „Und?“ Mir ging nicht gut und nahm diese Aufgabe nicht besonders ernst. Was ist denn schon eine Kücheuhr, die man überall kaufen kann. Ich sagte ihm, dass ich in Zürich nichts Gescheites fand. Ich werde ihm eine Teatime-Uhr mitbringen, mit digitalen Ziffern. Er wurde plötzlich wütend und warf mir vor, dass ich ihn nicht ernst nahm. Ich erwiderte seinem Vorwurf mit dem Argument, dass er ein Fossil sei. Wer benutzt heute noch solche komische mechanische Teeuhr. Die Firma, die er unbedingt wollte, produziert es schon lange nicht mehr. Er legte seinen Hörer einfach ab. Ich bin zu weit gegangen. Er nahm meinen weiteren Anruf nicht ab.
Seinen Partner rief ich an, den Onkel Zhong. Er lachte sofort, als er mich hörte. Mein Lehrer sei sehr enttäuscht. Er meinte, er sei in den Wechseljahren. Warum denn? Was ist passiert? Er erzählte mir, dass alles mit dem Typhone zusammenhing. Mein Lehrer verlor eine wertvolle Ladung gelagertes Dongding und seine komische mechanische Teetime-Uhr. Es tat ihm so weh und hatte ein Streit mit seiner Frau, die angeblich verursachte. Tee ist kaputt. Die Jahren, die Suche und die Zeit, die man wartet, sind verloren, vergeblich und vergangen. Aber die Uhr wollte er wieder unbedingt haben. Eine deutsche Produktion, die Menglin wieder gut machen kann, hofft er.

Irgendwann rief er mich wieder an und sagte mir, dass seine Frau sagte, er solle eine Alessi-Uhr kaufen für Tee zu messen. „Ich bin ein Fossil. Ich gehöre eigentlich zum Museum. Für eine Fossil spielt die Zeit keine Rolle mehr.“

Er hängt sehr an diese Uhr, eigentlich hängt er an seinem Zeitgefühl, das mit dieser alten Uhr verbunden ist. In Mingjian sagte er mir, dass wir keine Uhr brauchen, um Tee zu messen. Unsere Nase ist der Messer. Wenn die Teeblätter bereit sind, uns zu erlauben, einen weiteren Schritt zu beginnen, verkünden sie uns mit Düften. „Merke Dir die Düfte, wie der Takt der Sekundenanzeiger.“ Nun bei einer Tasse Nostalgie Dongding neben dem Bildschirm schmecke ich die Reife der Teeblätter, wenn die Deckel der Teekanne abgedeckt werden. Die Reife der Blätter ist mit der Nase zu messen. Diese Messung lernte ich mit der Zeit, die ich vergaß zu messen. Ich speicherte es nur mit meinem Körper.
„Weiß Du, ein gelagerter Tee ist auch eine Uhr. Eine unsichtbare.“ Ein gelagerter Tee ist ein Uhr, die Reife der Blätter, die Intensivität der Arbeitszeit und das geduldige Warten des Liebhabers, messt, speichert und anzeigt. Die pflaumigen, süßen und fruchtigen Aromen sind die Speicher der Zeit.

Für mich ist eine Uhr nicht ein Messer der Zeit. Die Uhr hat mir immer etwas anzuzeigen, eine neue Epoche, eine Ära oder ein abzuschliessendes Ende. Komischerweise erlebe ich eine Zeitabschnitt immer durch den Stillstand der Uhr. Wenn etwas zu Ende geht, stand meine Uhr unbeweglich, als ob meine Uhr einen anderen Takt folgen würde, als die Zeit. Wahrscheinlich verweigere ich bewußt, einen Anfang oder ein Ende wahrzunehmen, so dass das Kosmos mir durch die Weigerung der Uhr anzeigt. Ich kaufe gerne Uhren und schaue gerne Uhren. Die Schönheit, die Vereinigung von menschlichem Willen und komischen Takt einer schönen Automatik-Uhr fasziniert mich immer wieder. Ein Arm mit einem maskulinen schlichten IWC Uhr ist richtig hinreisend erotisch. Aber leider keine feminine Auswahl. Seit Wochen suche ich wieder nach einer Uhr. Aus irgendeinem Grund zögere ich und warte. Bis jetzt keinen Beute.
Zeit läuft unabhängig von menschlichen Willen. Menschlicher Wille läuft oft gegen die Zeit.
Wer interessiert sich heute noch die Zeit zu messen? Wir wollen doch nur die Ziffern der Messung ablesen und weiter im Rad laufen.

Als ich Hanspeter von dieser Geschichte erzählte, lachte er. Er verstand meinen Lehrer sehr gut, sagte er. Er ist ebenfalls ein Fossil, ich weiß. Ein seltenes Exemplar, darum verstehen die Beide über Tee gut ohne sich wirklich kennen lernen zu müssen. Was bedeutet schon die Zeit? Was könnte eigentlich die Messung der Zeit für das bedeutet, was zwischen Menschen gespeichert wird?
„Ich kaufe Dir eine schöne Teatime-Uhr in Berlin. Eine mechanische. Da habe ich Zeit und Ruhe, eine zu suchen. Eine Made in Germany.“ versicherte ich ihn heute morgen. „Eine Alessi aus Italien passt nicht zu einem Fossil.“

Erbsenprinzessin

Tom fragte mich, wie ich zum Tee gekommen bin. Ich antwortete ohne zu überlegen mit Schicksal und Zufällen. Aber wenn ich in der Ruhe während den Ruhetagen darüber nachdenke, stelle ich fest, dass alles mit meinem gleichgültigen Großvater zusammenhängt. Man wird gleichgültig, weil man sich nicht mehr verletzten lassen will. Man wird gleichgültig, weil das Herz bereits starb. Als mein gleichgültiger Großvater vor 10 Jahren endgültig starb, fing ich mit Tee an. Damals wurde ich Erbsenprinzessin bezeichnet – von Freundinnen.

 

Seit ich mich erinnern kann, saß mein Großvater immer allein in der Dunkelheit und trank ruhig seinen Tie Guanyin aus Muzha. Als ob der Tee, das einzige Wahre in der Wirklichkeit gewesen wäre. Fernsehen verstand er nicht, mit seiner Frau sprach er nicht, uns interessierte er nicht. Mit meiner Schwester sprach ich gerne Chinesisch, eine Sprache, die mein Großvater nie lernen wollte. „Otosan“ rief mein Vater ihn ab und zu und dann sprachen sie kurz miteinander. Seine Kommunikation beschränkte sich mit Zeitungen. Wenn er manchmal gut drauf war, zog er seinen schönen Anzug an, trug einen Filzhut und seine IWC-Uhr. Mit einem Hinoki-Stock nahm er uns ans Meer. Wir gingen große Schiffe anschauen! Auf der Strasse war er wieder ein Mann, ein gut aussehender charmanter Mann. Alle grüßten ihn und riefen ihn. Ich realisierte plötzlich, dass er nicht der Trottel ist, den ich zu Hause kenne. Wenn wir am Hafen waren, in Keelung. Er brachte uns zum alten Teehaus und Läden in der Altstadt. Er wurde gegrüßt und würdig empfangen. Mein Großvater war jemand, den wir daheim nicht kannten.

Selbst seine Töchter respektierten ihn nicht wirklich. Sie hatten alle das Trauma von seinem Bankrott. Außerdem war er für sie ein Feigling, der nicht für sein Besitztum kämpfte. Als andere Hausbewohner, die wegen der Großzügigkeit meines Großvaters bei uns leben duften, aus Gewohnheitsrecht bezog, Anspruch auf das Grundstück zu nehmen, blieb mein Großvater schweigend. Er sagte, das Land gehört so wie so allen. Mit diesem Spruch verlor er Respekt von seiner eigenen Familie. Meine Tanten erzählten mir sehr gerne, wie sie einmal lebten und wie großzügig alles war. Nur mein Vater lachte darüber. Er ist in Augen meiner Tanten die rettungslos geizige Ausnahme im Haus.

Ob mein Großvater nur ein Hobby als Teetrinken hatte, wusste niemand. Nach seinem Tod erbten wir eine Sammlung von Kalligraphie, eine vielfältige wertvolle sogar. Monaten lang standen die Kalligraphie in dem hintersten Haus, die nicht abgeholt wurden. Meine Onkels fragten einmal meine Mutter, ob sie darauf verzichten konnten. Ich würde sie gerne nach Europa bringen, nicht im Ebay zu verkaufen, aber in meinem Speicher aufzubewahren. Aber ich habe das Recht nicht, da ich eine Tochter des Hauses bin.

Als die Großmutter starb, dachten alle, dass er auch nicht mehr lang lebte. Aber er lebte, weiter mit einer Gleichgültigkeit. Eins war ihm nicht egal. Er braucht immer Diener. Für ihn wurde Mary aus Manila geholt. Eine schlanke Krankenschwester mit dunkler Haut und langen dunklen Haar. Zuerst schlief sie in seinem Zimmer, Monate später bestand sie ein eigenes. Mein Vater verstand es nicht. Für ihn war mein Großvater viel zu alt. Meine Mutter stimmte ihr zu und räumte ihr ein Zimmer frei. Meine Schwester erzählte mir einmal, dass mein Onkel die schönen Haare von Mary streichelte – in der Anwesenheit seines Vaters. Ich verstand plötzlich, wie das Mädchen sich vor diesem alten Mann fühlte. Schutzlos. Paar Jahre später verschwand sie. Dann wurde eine chinesische Malaysierin geholt. Meine Mutter verlangte von uns immer höflich mit den Menschen zu sprechen, die für uns arbeiten. Also wir redeten sie mit Tante Hua (Blume) an. Tante Blume war nicht blumig und lieblich. Sie war anders als Blume. Mein Großvater war gleichgültig mit ihr zufrieden. Seine Gleichgültigkeit ist manchmal ein Mantel, denke ich. Damit er nicht mit der Welt auseinandersetzte, in der er nur vorüber reiste. Als ich ab und zu jemanden aus Deutschland nach Hause mitschleppte, als meine Eltern deswegen wütend waren, redete mein Großvater sogar mit dem Fremden, der ihn jedenfalls nicht verstand. Es war meinem Großvater gleichgültig, ob das Verständnis da war. Es war gleichgültig, wie andere auf diesen Fremden reagierten, er hatte ihn gleichgültig gerne.

 

Als er wirklich starb, war das schlimmste Erdbeben in Taiwan, das wichtigste Teeanbaugebiet wurde dadurch zerstört. Ich hörte diese Nachricht mit einer Gleichgültigkeit, die ich gut von meiner Familie kenne. Plötzlich überwältigte mich eine Ohnmacht. Ich rief meinen damaligen Partner an. Er hatte wichtige Experimente und Studenten im Labor. Abends hatte er noch Sitzungen und Verpflichtungen. Meine gute Erziehung erlaubte mir nicht noch mehr zu sagen. Er verstand meine Weinerei nicht, da er meine Gleichgültigkeit zu meinem Großvater kannte. Verständnislos legte er den Hörer ab. Er verstand wohl bis heute nicht. In diesem Moment realisierte ich die Gleichgültigkeit des Großvaters und meines. Sein Herz starb bereits vor 40 Jahren und meins seit paar Jahren. Um die gewünschten Bahn nicht zu verlassen, um Ideal des anderen nicht zu enttäuschen, um ein bequemes Leben zu bewahren muss man manchmal mit einem schweren Herzen als Preis bezahlen. Das Herz wird immer schwerer und irgendwann ist es tot.

 

Damals bezeichnete mich eine Studienkollegin als Erbsenprinzessin. In ihren Augen hatte ich alles, was eine sich wünscht. Es war Projektion des anderen. Mein Großvater ist endgültig tot, aber ich muss noch ein paar Jahre leben und zwar glücklich. Ich musste mein Leben verändern. Ich flog in jenem Frühling nach Brüssel und bin zum ersten Mal Nojiri Sensei begegnet. Seitdem bin ich in einem Weg gelandet, der kein Ziel hat. Seitdem stand ich vor einer Tür, die keine ist. Nur eine Schwelle, die ich selbst bin. Manchmal suche ich noch Bruchstücke dieser Prinzessin. Ab und zu bin ich ihr noch begegnet. Dann streichele ich sie. Auch eine Erbsenprinzessin kann lernen, dass man alles von Null Schritt für Schritt anfangen kann. Auch eine Erbsenprinzessin kann lernen, dass man Verantwortung für sich selbst übernehmen kann, sich zu entscheiden für Scheintod oder für das Leben. Eine Erbsenprinzessin kann auch lernen, dass sie so ist, wie sie ist. Und es ist so in Ordnung.

Das war mein Weg zum Tee.

Tee für Einsteiger

Hallo Frau Chou,

ich lese seit geraumer Zeit und mit grosser Begeisterung Ihren Tee-Blog!
Ich trinke selber sehr gerne grünen Tee, beziehe meine Tees aber
bisher nur aus Bioläden oder provinziellen Teegeschäften – dort
arbeiten leider keine „echten“ Teekenner, so wie Sie. Gerne würde ich
mehr über Tee erfahren und vor allem suche ich Empfehlung für gute
Teesorten.
Können Sie mir einen guten Tee empfehlen (den ich bei Ihnen bestellen
kann) mit dem ich anfangen kann meine Tee-Leidenschaft weiter
auszubauen?
Was für einen Tee würden Sie einem Tee-„Einsteiger“ wie mir empfehlen?
Haben Sie weitere Tipps um den Genuss des Tees weiter zu steigern,
bzw. mehr über Tee und Tee-Trinken zu erfahren?

Vielen Dank und liebe Grüsse,
Stefan

So lernt man Teefreunde aus unbekannten Ecken und unbekannten Gründen. Was unbekannte Menschen hier verbindet ist nur diese drei Buchstaben T E E.

Teekenner bin ich wirklich keiner – ich weiss, dass ich wenig kenne, aber ein Teefreund.

Wer diese Zeilen schreibt und solche Spaziergänge durch Teeläden und Bioläden schon macht, ist selber kein Teeanfänger. Lieber Stefan, was könnte ich Dir überhaupt empfehlen?

Wenn Du einen leichten und blumigen Duft liebst, würde ich Dir Paochung als Einsteiger zum Oolong empfehlen. Einen Anji Baicha als Einsteiger für einen schönen tollen Grüntee empfehlen.

Wenn Du gerne Power und Herrausforderung hast, würde ich Dir einen Gankou Cha als Einsteiger für Oolong vorschlagen. Einen Nanyue Maofeng für einen guten kräftigen chinesischen Grüntee. Einen malzigen kräftigen Dianhong für eine goldene Tasse roter Tee.

Wenn Du gerne ausgefallende Sorte erleben möchtest, würde ich Dir Junshan Yinzhen raten. Mild, leicht rauchig und unfassbar. Das Gefühl schwebt zwischen Wolken und Himmel – ein bisschen unfassbar. Oder einen Gyokuro wie Kouun, seltsam, nicht typisch kategorisch zuzuordnen. Ja, dieser Tee bringt uns aus dem Konzept. Ist dieser Tee tatsächlich Gyokuro? Aber fein, elegant und voll aromatisch. Oder ein Zhenshan Xiaozhong Original aus Tongmuguan, die rauchige Note begleitet den Tee ohne seine fruchtige und honigsüsse Aromen zu bedecken.

Wenn Du aber einen unbequemen Geist hast, wie ein Jägger und Sammler von Unbekannten und Erlebnissen, würde ich Dir unbedingt einen Buddha, einen Shuixian Dancong oder einen Da Hongpao Premium „aufdrängen“. Oder einen Lishan Hochlandoolong auf Holzkohle behandelt! Solche Teesorten würde Dich nie im Stich lassen oder enttäuschen, auch wenn ich Dich nicht kenne!

Tipps für Steigerung vom Teegenuss? Solche suche ich selbst auch ganzer Zeit! Ach, Zeit!

Tee tasteTee vergleichen, probieren und forschen helfen uns Tee zu verstehen und ihn richtig zu geniessen. Hier eine Test von meinem Lehrer –  aus diesen drei Tees sollte ich richtig „tippen“, welcher richtig hergestellt ist.

Ein Buch zu einer guten Tasse chinesischen Tee

Gerhard bat mir ein Buch für ihn aus Taiwan bei meiner kommenden Asienreise im November zu besorgen, ein Buch wie eine Reise in die chinesischen Vergangenheit.

Sicher kenne ich das Buch im Chinesisch sehr gut, wußte allerdings nicht, dass es bereits ins Deutsch übersetzt.

Wangshi Bing  Bu Ru Yan – Vergangenheit vergeht nicht wie Rausch

往事并不如烟

Zheng Yihe 章诒和

Vergangenheit vergeht nicht wie Rausch, eines meiner Lieblingsbücher. Zhang Yihe, einer meiner Lieblingsschriftsteller. Fast alle Bücher von ihr habe ich hier in meinem Regal. Als Tochter des früheren chinesischen Verkehrsminister 50er Jahren aufgewachsen, die politische Verfolgung beobachtete, selbst verfolgt wurde und immer noch kritisch bleibt, ist Zhang eine der mutigsten Frauen in China. Durch ihre sonderbare Familie und ihr frei denkenden und vielseitigen Vater (sogar in Deutschland studierte) erlebt sie die schönsten Künste Chinas, außergewöhnliche Persönlichkeiten und schrieb in ihrer einzigartigen Stil diese Geschichte nieder.

6 Geschichte, 6 Möglichkeiten zum wahrhaften Leben in einer verräterischen Epoche des modernen Chinas, 6 Abschiede zur chinesischen Vergangenheit. (ich liebe insbesonders die zwei Beiträge über Shi Liang und Kang Tongbi, zwei weibliche Portait, zwei einzigartige Persönlichkeiten.)

Vergangenheit vergeht oft wie Rausch – für manche und für meisten.

Zhang verdreht den beliebten chinesischen Satz um und sagte, „Vergangenheit vergeht nicht wie Rausch.“ Sie will es nicht paasieren lassen und lässt es auch nicht zu. In einer rasch vergangenden Welt ist heute alles bald vergangen. Was bleibt, ist das Gefühl wie Rausch.

Momente bei einer Tasse Tee – wenn man sich überhaupt eine gönnt, vergehen solche Momente nicht wie ein Rausch, oft eher wie eine Reise in die Vergangenheit, eine Reise, die oft auch weh tut.

Ich möchte das Buch in meinem Regal nicht vermissen.

Braun oder grün

Eigentlich wollte ich nie Unschuldigen aus seinem Konzept bringen, aber ich kann einfach nichts dafür, dass der andere sein Konzept hat.

Ich war in Freiburg bei Ulrike in ihrem edlen schönen Teeladen im Oberlinden. Gerne mache ich einen harmlosen Seitensprung, wenn ich auf der Teereise bin. Vis a Vis von ihrem Laden stand eine Kaffeerösterei Mahlwerk. Ich bin süchtig nach Kaffee, das ist klar. Keine Kaffeerösterei würde meine Nase verpassen, es ist auch klar. Also ich lief wie manipuliert in den Kaffeegeruch. Wie in Trance stand ich vor dem Kaffeebohnen und atmete nur ganz gezielt ein – nach einem ganztägigen Seminar mit Tee – ach, endlich wieder etwas anders!

„Madame, könnte ich Ihnen behilflich sein?“ eine freundliche Stimme fragte mich.

„Ja, gerne. Ich möchte gerne einen Kaffee, der nicht sauer und nicht verbrannt schmeckt.“

Er schaute mich unverständlich an. „Wir haben keinen saueren und verbrannten Kaffee.“

„Wie schön. Ich trinke keinen saueren und verbrannten Kaffee.“

„Wollen Sie keinen Espresso?“

„Warum nicht? Ist Espresso verbrannt und sauer?“

„Nein, aber sie möchten keinen starken Kaffee, oder?“

„Doch, aber nicht verbrannt.“ Ich schaute diesen jungen Mann ganz klar in die Augen. Er senkte seinen Blick und wiederholte noch einmal, „Sie wollen keinen Expresso. Dann nehmen Sie doch diesen aus Äthiopien.“

Ich merkte, dass wir nicht miteinander kommunizieren konnten. Verbannt ist nicht gleichbedeutend wie stark geröstet. Nicht sauer ist nicht gleichbedeutend wie mild. Ich hätte ihn diesen Unterschied erklären sollen, aber er sollte mir eigentlich fachlich beraten können! Ihn unterbrach ich, sehr unhöflich und unasiatisch – oder vielleicht sehr asiatisch direkt. Einen Kenya Kaffee kaufte ich – leider ist er nicht hervorragend – das merkte ich erst daheim. Einen bitteren leicht verbannten Abgang spürte ich trotz dem mit behandeltem Wasser.

Der junge Mann war sichtlich erleichtert, als er mich los hatte.

Im Seminar tauchten ebenfalls solche Fragen auf: ist ein brauner Oolong stark fermentiert? Ist ein grüner Oolong wenig fermentiert?

Verwirrungen!

Wer hat solche Begriffe oder Konzepte wie brauner und grüner Oolong erfunden?

Mit wem oder gegen wen hätte ich darüber streiten sollen?

Nantou ShuixianShuixian Dancong Nantou vor der Röstung

Ein Shuixian Dancong ist genau so stark wie ein Dongding Formosa fermentiert, aber ein Aufguss von Dancong ist sichtbar dunkler, während ein Dongding sichtbar „grünlicher“ aussieht – also braun bedeutet nicht stark fermentiert. Grün ist nicht gleich zu bedeuten wie wenig fermentiert.

Ein Oriental Beauty ist mittel schwer fermentiert und ungeröstet, während Tie Guanyin aus Muzha weniger stark fermentiert, aber stärker geröstet ist. Aber beider Tees sehen ähnlich dunkel im Aufguss aus. Braun ist nicht gleichbedeutend wie geröstet. Ein braun aussehender Oolong könnte genau so leicht fermentiert sein wie ein „grüner“.

Was ist braun und wo ist grün? Ich verstand diese Kriterien nicht, um Oolong zu unterscheiden.

Meine nächste Frage, warum brauchen wir solche Konzepte für den Kopf, um Tee zu verstehen? Wenn Tee doch für sch spricht, weshalb brauchen wir den denkenden Kopf, um Konzepte zu entwickeln? Unseren Körper brauchen wir, Tee zu erleben.

Als ich mit Zen anfing, sagte Michel einmal, „Man macht Zen für nichts. Du bekommst dadurch nichts.“ Was? Ich ertrage die Schmerzen für die halbe Stunde für nichts? Das bracht mich aus meinem Konzept. Das reizte und reizt mich. Bis jetzt bin ich geblieben für nicht, außer einer ganzer Menge Knieschmerzen.

Als ich mit Tee anfing, sagte mein Lehrer zu mir, der Weg des Tees sei ein Flug ohne Rückflug. Wenn man einmal den Geschmack des Tees gekostet hat, ist man nicht mehr das was er einmal war. Wenn man einmal den Tee begegnet, verliert man den Kopf samt Konzepte – vielleicht ähnlich wie die wahre LIebe. Den Geschmack kann man nicht mehr vergessen und will ihn nicht mehr missen. Man ist anders als das, was er einmal war. Man fing an sich zu fragen, was man loslassen muss oder abzugeben hat, um weiter zu kommen.

Tee und seine Aufbewahrung

Sehr geehrte Frau Menglin Chou,

aufgrund eines akuten Mottenbefalls habe ich mich heute aufgemacht und

mich im Netz nach diversen Aufbewahrungsdosen sowie Tips zur richtigen

Lagerung umgesehen.

Da habe ich mich besonnen das ich vor einiger Zeit einen Blog entdeckt

hatte der qualitativ bestach und mit Wissen und Hingabe gepflegt wird.

Nach kurzer Suche bin ich wieder zu Ihrem Blog gelangt. An dieser Stelle

auch ein Lob für Ihre Arbeit, machen Sie weiter so.

Vielleicht können Sie mir ein paar Ratschläge geben oder bestimmte

Teedosen empfehlen.

Leider ist der Vorratsschrank in dem mein Teesortiment aufbewahrt wird

für Motten leicht zugänglich, da sich an der Unterseite ein Spalt befindet.

Sichtbar befallen waren nur die Teeverpackungen aus Papier (Falz).

Die hochwertigen japanischen Tees waren dank der Aluminiumverpackungen

nicht betroffen.

Teedosen aus Metall (davon besitze ich 2 mit Glasdeckel und

Gummidichtung) hatte ich als Ideal angesehen, Grüntee soll man aber

angeblich darin nicht lose aufbewahren (Oxidation)!?

Die klassischen (günstigen) Blechdosen sagen mir generell wenig zu da

der Verschluss nicht gerade luftdicht ist und sich am Bodenfalz Reste

einlagern.

Ich habe gelesen das japanische Kirschholzdosen optimal sein sollten,

Angebote hierzu konnte ich allerdings nicht finden.

Letztendlich würde ich gerne die Schwarz-/Grünteesorten welche in

Papierverpackung (von meinem Stammlieferanten Hamburger Teespeicher

zb.)geliefert werden besser lagern ohne dass das Aroma schnell verloren

geht oder sich evtl Motten am Tee vergehen.

Sofern der Tee im Schrank aufbewahrt wird – sind Glasgefäße

(Geruchsneutral und leicht auswaschbar) geeignet?

Über Ratschläge Ihrerseits würde ich mich sehr freuen.

Mit freundlichen Grüßen aus Baden-Würrtemberg

Frank

Neben dem Teetrinken ist die Sache mit dem Aufbewahren wohl ziemlich essential für einen Teeliebhaber.

Eigentlich bin ich keine gute Adresse für solche Frage. Jeder, der mich kennt, würde Kopf schütteln, wie ich meinen Tee aufbewahre. Ich trinke ihn einfach schnell weg, oder ich verschenke ihn weiter. Natürlich besetzen die Teedosen meine Wohnung. Blechdosen, Ikea Blechdosen – sehr gut für Pu Er Tee aufzubewahren, Papierdose aus Taiwan etc.

Blechdosen: Wenn Sie Ihren Grüntee schnell verbrauchen, wäre es nicht problematisch, ihn direkt im Blechdosen aufzubewahren. Ich fände es allerdings besser, samt der Papier in der Dose aufzubewahren. Ähnliche Teesorten könnte man zusammen aufbewahren, aber nicht zu unterschiedliche Teesorten.

Blechdosen aus Ikea: ideal für Pu Er. Pu Er aufzubewahren sollte nicht in einer lusftdichten Dose sein. Nur um „unerwünschte“ Mittrinker zu vermeiden schafft die Blechdose in Ikea jedenfalls, außerdem hat diese Dose einfach die richtige Grüsse für eine Fladen.

Glas: auch ein ideales Medium, sofern das Licht nicht direkt auf das Glas wirft.

Um Geruch zu neutralisieren könnte man alte Teeblätter (unverbraucht) in die Dose oder Glas paar Stunde oder einen Tag füllen und liegen lassen. Teeblätter beseitigen fremden Geruch hervorragend – darum sind sie auch sehr empfindlich gegenüber „unerwünschtem“ Fremdgeruch.

Die japanischen Teesorten würde ich generell im Kühlschrank aufbewahren. Ungeöffnete Tüte im Tiefkühl.

Die Kirschholz-Dosen könnten Sie vielleicht bei

limited-stock.com (+41-43-2685260) anfragen. Der Laden, die Jägger und Sammler an der Spiegelgasse Zürichs, führen hervorragende Teedose-Sortiment aus Japan (natürlich auch Sortiment von ML)!

 

Teeseminar in Freiburg

Teeseminar in Freiburg

Ich möchte mich hier beim Teemeister Ulrich Haas bedanken für die hervorragende Organisation. In diesem liebvoll und original eingerichteten japanischen Teeraum haben wir die Sprache des Tees kennengelernt und uns vertraut gemacht.
Sein leichtes köstliches Mittagsessen, Reis mit einer einfachen und guten Misosuppe nährt nicht nur unseren Körper, sondern auch unsere Seele! Der giftige und sündenhafte Schokoladekuchen war das absolute Highlight! Oft fühle ich mich nach dem Essen recht müde, aber das leichte köstliche Kost spendet wunderbare Energie für die weitere Reise ins Teeland!
Teilnehmer aus München, Bern und Stuttgart nahmen die weite Fahrt im Kauf und erschienen punktlich zum Seminar. Es hat mich richtig beeindruckt. Ich hoffe, dass das unsere Zwischen-Begegnung war. Auf den Weg werden wir uns weiter begleiten!

Ich freue mich nun auf das weitere Seminar in Berlin!

Shugetsu, der Herbstmond

Der Mond im Herbst sei der klarste. So klar, wolkenlos. So klar, so kühl und so klärend. Tausende Gedichte und Anekdoten kreisen um den Herbstmond. Geschäfte, Konsumrausch und Vitamin-B entwickeln sich ausgezeichnet durch die chinesische Fest um den Herbstmond. Eigentlich sollte der Mond die Zusammenkunft der Freunde, der Familie und der Gleichgesinnte symbolisieren, heute steht der Mond für ein Objekt des Begehrens. Mein Teelehrer aus Taipei rief mich überraschend an und fragte nach mir. Ihm ist es scheinbar nicht egal, wie es mir hier im Europa geht. Der klare Mond brachte ihn an jemanden zu denken, der so weit entfernt lebt. Der Herbstmond steht irgendwie doch für viele chinesische Seele wie ein Band zwischen Menschen. Ich liebe das Gedicht von Su Dongpo, er schrieb, „Trotz der Entfernung steht der klare Mond zwischen uns, ich wünsche, Dir geht es gut.“ (vielleicht nicht so eine ideale Übersetzung). Der Herbstmond in Taipei stand in diesem Jahr im Regen und Sturm.

Akinotsuki, der Herbstmond.

 

Gestern im Teeunterricht hing eine Kalligraphie an der Wand: „Wa Ga Kokoro Shugetsu ni nitari“ (Mein Geist ist so klar wie der Herbstmond). Das Temae, das ich machte, war Wakei – eine Teezubereitung in der Kriegszeit. Eine Zubereitungsart mit zwei Teeschale –damit es schnell passieren kann, an einem Ort des Abschieds und an der Grenze zwischen Leben und Tod. Diese Teeübung wurde von Tatansai erfunden – für seinen Sohn, der in den Krieg für sein Vaterland dienen musste. Sein Dienst war für seine Kameraden, eine Schale Tee zu schlagen bevor das Leben endete. Mein Geist ist so klar wie der Herbstmond, sollte sich doch der Trinkende fühlen, denke ich. In einem klaren Geist den Abschied von allen zu nehmen, ist eigentlich ein schönes Moment – denke ich. Ein Moment des Abschieds und Verbundensein. Der Herbstmond.

 

Yuko suchte eine wunderschöne Teeschale aus – mit einem Motiv des Herbstmond und Hagiblumen. Yuko ist ein wunderschönes Mädchen aus Nara. Sie hat einen anmutigen Körper, sanfte Augen und runde geschmeidige Art des Bewegens. Ich genieße jeden Augenblick in ihrer Nähe. Mit ihren wunderschönen eleganten zarte Nara-Akzent macht es zu einem Genuss sie zuzuhören. Sie fing erst in Zürich an, Tee zu lernen. Durch ihren indischen Mann lernte sie Bollywood Tanz. Auf den Tatami führte sie kurz die extravagante Art des Blollywoods aus und wir lachten alle zum Tod. Dann wollten sie sehen, wie ich den Bauchtanz mache. Meine andere Leidenschaft, die eigentlich sehr ähnlich funktioniert wie der Tee. Die Tanzgruppe konnte nicht glauben, dass ich ein Anfänger bin. Sie dachte ich tanzte seit Jahren. Ich erkläre immer wieder, dass der Camel-Schritt mit Barfuss genau so funktioniert wie der Schritt mit weißen Socken auf Tatami, die Händebewegung genau so funktioniert wie die Hand, die Bahmbuslöffel hält; die Bewegung stets nur von Hüfte ausgeht wie im Tee. Alles wird bewegt aus dem Zentrum des Körpers – Tee und Bauchtanz haben die gleichen Wurzeln. Das Beste an Bauchtanz ist, dass es keinen Mann gebraucht wird. Die Meisten glauben mir es nicht. Aber Miya, ich und Yoko lachten an diesen Nachmittag auf dem Tatami über uns. Sie meinten, in Japan gäbe es auch ein Bauchtanz, aber nur für Männer! Es wäre etwas für Joseph, der gerne mit mir zum Bauchtanz gegangen wäre.

 

Spaß beiseite. Yuko machte mir einen schönen Tee aus der Hagi-und-Mond Schale. „Kennst Du Hagiblumen?“ fragte ich Miya. „Ja, sogar unweit von Dir. In der Nähe von Friesenberg-Altersheim kannst Du diese Blumen anschauen. Sie blühen im Moment, eben ein Herbstblume.“ Hagi-Blumen und Herbstmond, was für eine Kombination? Diese Kombination weckte Neugier in mir und ich musste sie unbedingt sehen! Ich ging suchen, wie eine Hase, die herund läuft, schnell springt, mit kleinen neugierigen Augen in alle Richtung beobachtet. Nach langen Suchen fand ich endlich an der unscheinbaren Gleise entlang die einsam blühenden Hagi-Blumen (Lespedeza bicolor)! Die Einsamkeit diese Blumen an den kargen schmutzigen Gleisen bewegte mich so stark, ich musste fast weinen, „Wer hätte Euch hier bewundert? Wer hätte in diesem kalten Land Euch als poetisches Wesen erkennen können? Wie könnte man Euch hier einfach vor sich hin blühen lassen?“

HagiHagi 萩 

Die Blumen antworteten nicht. Sie blühten nur. Sie bräuchten keinen Lob und keine Bewunderung. Sie sind nur zufällig dort, wo manche zufällig passieren. Blumen haben keinen Geist, zumindest nicht so einen wie der menschliche Geist – melancholisch und unbeständig. Sie blühen im Einklang mit dem Rhythmus des Kosmos. Sie tun einfach ihr Beste. Purpur, zart und selbstbewusst standen Hagi an den Gleisen. Meine zitternden Finger berührten vorsichtig die feinen Blüten. Wie hätte ich diesen Anblick und Begegnung verewigen können? „Nichts.“ antworteten die Blumen. Dein Geist ist so klar wie der Herbstmond. Zum ersten Mal seit wochen, hatte ich wieder das Gefühl, sich so nah an den Blumen zu sein. Zum ersten Mal seit Wochen bekam ich das Gefühl, dass alles, was geschah und geschieht, einen tieferen Sinn haben muss. Man kann lernen, Dinge wieder gut zu machen. Zu spät wird es nie.

Teereise im April 2009

Teereise im April 2009

Eine Teereise, die nicht nur aus Sightseeing und Exotik beinhaltet, sondern die richtige harte Arbeit und Auseinandersetzung mit Tee. Teeclub Schweiz hat die Vision so eine Reise zu verwirklichen und ich bin sehr glücklich dabei mitzuwirken.

Eine Reise geplant durch die wichtigsten Teelandschaft Taiwans zu erleben. Die ganzen Prozessen und Abläufe durchzuleben ist wirklich einmalig und erlebnisreich. Ich übernehme die Reiseleitung und die Übersetzung, aber nicht die harte Arbeit bei der Teeherstellung – das habe ich mit Jürg bereits abgemacht. Denn ich habe Muskel nicht und bin faul. Andere in der Arbeit zuzuschauen macht mehr Spass. Mein Teelehrer wird dabei sein, uns zu unterstützen, so dass der von uns gemachte Tee auch trinkbar und geniessbar wird…

Datum: 19.April – 1. Mai 2009
Teereise nach Taiwan und Japan
Eine Veranstaltung des Teeclubs Schweiz
Anmeldung bitt bei Teeclub Schweiz
Nur 16 Teeliebhaber könnte ich mitnehmen. Bis jetzt sind die Hälfte der Plätze bereits reserviert.
Mehr Details werde ich laufend im Blog posten.

Einmalig

Ich dachte, dass ich Dinge gut loslassen kann. Unkompliziert und reibungslos.

Kurz vor Ausverkauf ist der Mingjian Jinxuan Paochung. Sollte ich ihn nicht mehr abgeben und dem Kunde mitteilen, dass er schon lang vergriffen ist, oder sollte ich ihn samt meine Erinnerungen noch einmal entbehren? Warum hänge ich denn so an ihn?

Dieser Tee ist das Speicher meiner ersten Tee-DIY Erfahrung, auch wenn es nur Weichei-Erfahrung war. Es war einmalig für mich. Im April war ich mit Gerhard und Kasper in Mingjian, wo wir unter der Leitung von meinem Teelehrer den Tee in einem vollständigen Prozess mit dabei sein duften. Ich schaute eigentlich lieber nur zu, während Gerhard seine Ärmel hoch krempelte und mitarbeitete. Die Körbe von Teeblättern waren mir zu schwer, der Schlaf war mir viel wichtiger und das Pflücken war mir zu anstrengend. Als Teeclub-Freunde mir sagten, dass sie unbedingt 2009 die Teeherstellung mitmachen wollen, war ich richtig geschockt. Ein Hardcore-Programm wollten sie, von Pflücken bis Rösten. Als ich Werner in München davon erzählte, wollte er unbedingt mitkommen. Selbst Tee machen unter der Leitung meines Lehrers sei ein Geschenk, ein einmaliges sogar!

mingjian reise

Gerhard und ich kauften den von uns mitgewirkten Paochung Jinxuan. In Bern ist der Tee bereits ausverkauft und wieder nachbestellt. Gerhard beschwerte in einem sentimentalen Ton, „Menglin, der Tee ist nicht der gleiche!“ Diese Äußerung machte mich richtig stutzig. Sicher, er ist natürlich nicht der gleiche. Wie denn? Die Erfahrung bei Tee-DIY war einmalig und der Tee speichert einfach diese Einmaligkeit!

Dieser Tee hat meiner Meinung nach einen Defekt. Ein Fehler meines Lehrers. Seine Röstmaschine war defekt und er war unaufmerksam. Der Tee litt unter einer zu starken Röstung. Auch wenn der Tee sich gut erholte, hat er eine spezielle Röstnote – nach gerösteter Sojabohne! Geröstete Sojabohne und Schwarzbohne – eine Delikates für meinen Großvater. Für mich gehört dieser Geschmack ebenfalls einem alten Mann, der die Zeit nicht mehr richtig wahrnimmt und nur nach seinem eigenen Rhythmus lebt. Als Kind fragte ich ihm, wozu er eine Uhr trug. Er sagte, die Uhr sei eine Dekoration. Und ich war ganz stolz, dass ich das erste Kind war in unserem Klasse, das eine Uhr trug. Meine Uhr war eine Dekoration. Ich kam fast immer zu spät in die Schule und musste vor der Tür in der Öffentlichkeit stehen…

Wenn ich einmal die Erinnerung an meinen Großvater überwindet, schmeckt der Tee dann leicht nach Honig und gedörrten Früchte. Sanft, vollmundig und fast wehmutig. Die Erfahrungen an Tee-Herstellungen werden immer wieder wach gerufen durch die Düfte und Geschmäcke. Dieser Honig-Süße kommt von der längeren Fermentation, die paar Stunden länger als die herkömmliche Herstellung durchzog. Das Fruchtige basieren auf vollständigem Erhitzen, das einfach länger und aufwendig passiert als die Mainstream-Produktion. Das sonnige gedörrte Frucht war für mich der Geschmack von jenen sonnigen Tagen. Die Teeblätter wurden unter geschirmtem Dach sorgfältig und länger gewelkt als anderes Pflückgut und ich musste stets die zarten Blätter wenden… An was habe ich immer dabei gedacht?

 

Diese unvergessliche Stunden, wertvolle Erfahrungen und lieben Menschen, die schlaflos für Tee arbeiteten werden so präsent durch die Aufgüsse. Was mache ich dann, wenn dieser Tee mich nicht mehr begleitet?

 

Warum kann ich diesen Geschmack nicht vergessen? Warum kann ich diese Erinnerung nicht vergessen? Warum hafte ich an diesen unsichtbaren Ort der Vergangenheit? Wenn dieser Tee aufgegossen wird, werden die Bilder vergegenwärtigt. Die verunsichernden Veränderung, der Abschied eines Abschnittes und die Sehnsucht nach einer Ankunft des neuen Frühlings in der damlaigen Zeit scheinen erst von gestern zu sein. Trennen von einer Erinnerung, die einmalig ist, ist grausam. Trennen von Dinge, die man einmal zähmte, ist schmerzhaft. Eigentlich werden diese Erinnerungen nicht verloren, sie werden einfach archiviert – in die tiefere Schicht des Speichers. Ich will aber nicht, sie in Tiefe des Speichers runter rutschen lassen.

Was machst Du, wenn Du einfach etwas nicht vergessen willst?

Früher hätte ich gesagt, schaffe Dir einfach etwas Neues an. Nun geschieht etwas Seltsames. Einen neuen Tee zu haben ersetzt nicht diese Einmaligkeit. Ich werde wohl so sentimental wie Gerhard, aber zu wem sollte ich denn jammern gehen?

Werner sagte mir, dass er den Tee abkaufen würde, den er selbst macht. Denn er hat den Tee gemacht. Er würde ihn sogar rahmen! Er würde diesen gerahmten Tee in seinem Laden hängen!