Archiv für den Monat März 2019

Fasten des Herzen 心齋 II

Sie kehrte zurück ins Tal und schrieb mir, dass ihr Herz ruhig und angekommen sei.

Zum ersten Mal des Lebens hatte ich das Gefühl angekommen zu sein, als ich in Brüssel zum ersten Mal Chanoyu praktizierte. Auch wenn meine Lehrerin Michiko Sensei streng und hart war, war ich zutiefst berührt. Zu jener Zeit beschloss ich mit zwei Koffern zu leben. Diese Idee verfolgte ich paar Jahren, leider ist es mit dem Tee nicht ganz zu vereinbaren. Die Teatoys häufen sich und diese Anhäufung bringt mir sogar viel Freude!

Meine junge Freundin stand unter dem Druck der Familie, eine Familie gründen zu müssen und ein Haus wie Wurzel in der Schweiz erwerben zu müssen. Die Verwechselung von Immobilien und Wurzeln ist verständlich. Aber wo kann ich mein Herz abstellen, wo ich mich wie Zuhause fühle?

In Diamant Sutra 金剛經 konnte 須菩提 Subhuti aufstehen und seinem Lehrer Frage stellen, „wie kann ich mein eigener Herr des Herzen sein? 云何降伏其心 Wo ist sein Zuhause 云何應住?“ Buddhas Antwort ist weise, aber wie kann ich in den Alltag praktizieren? Das Fasten des Herzen ist gut, wie sollte ich es behalten? Jean-Sebastien sagte am Samstag, dass die längste Reise zwischen dem Herzen und dem Kopf ist.

Es schneite. 落了片 白茫茫 大地真乾淨 Der Himmel malte die Erde zu einem weißen Flecken und es wurde rein. Menschen kommen und gehen. Was ändert sich hier? Ich komme, um wieder weiter zu gehen? Oder um wieder zurückzukehren? Mit großen Mühe stiegen meine Füsse durch die Nässe in die Landschaft. Nass und Rutschig. Nicht der Jammern zuhören, nicht der Kälte ausgeliefert werden, nicht dem dunklen Himmel beeinflusst werden. Einfach Schritt für Schritt. Wenn der Weg zu Ende führt, steigt der Wolken. Der Mensch wird immer kleiner und einfacher, und bekommt wie ein Strich in der Natur – so lehrte meine Mutter mich die alte Landschaft Malerei zu lesen. Sie sagte mir, „Das Ende ist sehr wichtig zu lesen. Die alten Maler versuchten das Echo seines Lesers mitzugeben. Das Echo ist wie ein Ruf. Kehrst Du zurück wo Du bist, oder gehe weiter?“ So verstehe ich das Ende von Gongfu Cha 功夫茶 genau so. Das Ende ist wie ein großes Final in einer Sinfonie. 走與不走 Bleiben oder weiter gehen? 捨或不捨 Loslassen oder nicht.

In Kyoto steht eine einzige Buddhasstatue, die ihren Kopf nach links dreht und nach Hinten schaut. Es wurde erzählt, dass der Amida Buddha dem Mönch Eikan 永觀和尚 im Zazen warnte, „Hey, Du bist zu langsam.“ Du bist zu langsam, Eikan. Ich bin vielleicht auch zu langsam? Warum drehst Du denn um, Buddha? Du wartest auf uns, nicht wahr? Es gibt auch etwas, was wir nicht gänzlich loslassen wollen, oder?

Zurück ins Tal. Das, was ich in der Landschaft erfuhr, nahm ich mit. In der Fläche „Weiß“ liegt eine Antwort. Reagiere nicht auf das Gewirr. Lass die Farbe Farbe sein. Du gehst auf Deinen Weg und ich meinen. Aber warte auf mich bitte, wenn ich zu langsam bin.

Fasten des Herzen (Seele) 心齋 I

Zhuangzi (莊子 Chuang-Tzu, 3. Jh. vor Ch.) beschreibt den Weg, um die Welt zu verändern durch das Fast von Herzen 心齋 – im Deutsch wird es anstatt Herzen mit Geist übersetzt, was das Verständnis zwischen Kulturen sehr gut widerspiegelt.

Ich faste nicht, außer wenn mein Körper streikt. Mein Geist/Herz ist meiner Meinung nach eher unter Umwelt-Gift umgebend als mein Körper, so pflege ich das Fasten vom Herzen regelmäßig seit Jahren. Durch meinen Beruf schätze ich Stille und Verständnis im Schweigen ins besonders.

Dank Shui Tang und Tee bin ich mit facettenreichen Menschen begegnet. Dank Shui Tang ist das Fasten erforderlich. So lerne ich paar Mönche aus Einsiedeln kennen. Sie lieben den Tee namens Buddhas Hand. Durch die Freundschaft erhalte ich Möglichkeit, kurzen Aufenthalt vom Kloster als Gast zu erstatten. Diesmal nahm ich eine junge Freundin mit, die sich als wurzellos und auf Suche bezeichnet.

Meine junge Freundin ist erst 30. Mit ihren Augen versuchte ich mich erinnern, wie ich das Kloster erlebte. Mit Staunen und Begeisterung schaute sie die Räumigkeit und fühlte sich unglaublich geehrt, den Schlüssel vom Kloster zu erhalten. Einen Zugang ins von Anderen unzugänglichen Welt der Spiritualität. Auf einmal überwältigte mich die Dankbarkeit. Ihre Begeisterung schlug um. Als die Dunkelheit uns umhüllte und die Stille endlos breit wurde, wurde sie immer kleiner. Ich gab ihr ein Schutzpatrone aus Taiwan – als Trost. Wer weiß, ob die buddhistischen Symbole von christlichen Schatten anerkannt werden?

Jean-Sebastien, mein Teefreund nahm sich Zeit für meine Freunde, eine Führung durchs Gelände zu machen. Anton kam mit seiner Familie und sie sassen vor der Pforte und sahen im Sonnenbad ausgesprochen glücklich aus. Jean-Sebastien zeigte uns sein Atelier, wo er das Projekt mit Sprache starten will.

Im Anfang (ἀρχή) war das Wort (λόγοςund das Wort war bei Gott, und das Wort war Gott.

Im Anfang war es bei Gott. Alles ist durch das Wort geworden

und ohne das Wort wurde nichts, was geworden ist.

Alles, was wir sehen, kann die Offenbarung des Gottes sein. In der Schrift, wo sich die Menschheit ihr Bewusstsein entwickelt, verbirgt eine große Chance Brücke zu Anderen zu schlagen und Fundamente miteinander aufzubauen. Ich sollte dort Kalligraphie geben und Vorträge halten. Ich sagte, ob meine Ansicht nicht zu wild und zu revolutionär wäre. Wenn mein Verständnis von Orakel-schrift als das Parallele zu dem Johannes Evangelium verdeutlicht wird, wird es klar, dass Orakelschrift aus dem alten China ein Zauber-schrift ist und möglicherweise eine Offenbarung der Kommunikation zwischen den sterblichen Menschen und der übernatürlichen Kraft. Sie können sehr archaisch sein, möglicherweise brutal ertönen. Wir unterhielten später über den Begriff „Herz-Geist“ und das Steuern von Hirn. Jean-Sebastien erzählte uns von einer wissenschaftlichen Untersuchung, dass unser Herz eigentlich unser Hirn steuert und sich viele Zellen in Darm befinden. Entscheidung aus dem Bauch ist vielleicht gar nicht so irrational wie wir glauben.

Als wir in der Stift-Bibliothek waren, fragte Jean-Sebastien die 10jährige Jana, was sie bei den Säule sah. Sie sah, Oellämpchen, Feder, Wasser.. „Was ist das?“ „Es sind Darstellung von vier Elemente und Symbole von Raum.“ Und die anderen vier Säule der rechten Seite? Sie sah, Blumen, Getreide, Weintrauben und Fell. „Achso die vier Jahreszeiten.“ „Ja, diese Säulen erzählen uns über den Sinn einer Bibliothek. Alles was wir über die Zeit und Raum wissen wollen, finden wir in den Bücher!“ Er lief zum Fenster, wo die Kaiser und Päpste abgebildet sind, „Und auch das Wissen über die weltliche und spirituelle Mächten.“ Ich liebe solche Erzählung durch Darstellung anstatt Worte!

Meine junge Freundin war zutiefst berührt von der Führung, „Ich habe das Gefühl, ich bin tief in das Schatzkammer Europas eingetaucht! Wenn ich Kinder bekomme, will ich, dass sie in diese Stiftsschule Einsiedeln kommen!“

Ich schaute in den noch blauen Himmel. Die Zukunft ist unvorhersehbar. Das Jetzt ist sehr präsent. Ihre Augen funkelten. Sie waren schön. Es dunkelte schnell wieder. Sie verlangten nach Gespräch, als ob die Worte die Leere füllen könnten. Das Abendessen war vorüber, aber wir redeten immer noch. Sogar ein Glas Rotwein sollte dazugehören. Ich verstehe die Macht der Stille und die Präsenz der Dunkelheit. Viele konnten die Stille von Einsiedeln nicht aushalten und musste ihre Reise ins Inneren abbrechen. Fasten als Ritual ist einfacher, Fasten für die Seele braucht sehr viel Mitgefühl, Distanz und Mut. Mein Herz meldete sich zum dritten Mal. Ich stand auf und sagte, „Nun will mein Körper Zazen. Kommst Du mit?“

ps. ich möchte hier das Wort Seele verwenden anstatt „Geist“. „Geist“ ist in unserem Denken zu „vernünftig“ konnotiert. Der Begriff „Seele“ wird heute zu wenig beachtet. Entweder ist es esoterisch dargestellt, oder unbeachtet. Seele – anders als Vernunft ist ausgesprochen wichtig in unserer materialistischen Gesellschaft.

Wozu Flügel?

Tim kommentierte auf den gestrigen Beitrag mit diesen Zeilen und fragte:

Die kleine Stimme im Kopf, die manchmal Zweifel sätt. Selbstbewusstsein oder -überschätzung?

Wo oder wozu sind meine Flügel?

Ich freue mich auf die weiteren Beiträge.

Ich möchte heute paar Zeile dazu schreiben.

Eigentlich bin ich froh, dass Tim diese Vorstellung nicht in Frage gestellt hat. Die Arbeit in letzten Jahren trägt Früchte. Und die Reflexion ist der Grundstein für das Selbstbewusstsein.

Selbstbewusstsein oder Hochmut? Ich weiß auch nicht, lieber Tim. Wie kann ich sie unterscheiden? Ich brauche einen Spiegel. Wie komme ich zu dem Spiegel, indem ich einen gute/n Freund/in und ein Herz wie Ozean habe. Ein Weggefährte, der mich immer spiegelt. Ein Herz wie die Ozean, die breit und weit ist. Der Hochmut bringt uns zum Sturzen. Das Selbstbewusstsein/vertrauen stützt uns beim Abgrund. Auch wenn wir nicht wissen, weshalb unsere Liebe, unsere Prüfung oder unser Plan scheitert, pflegen wir unseren Anfängergeist 初心 – das ist das Selbstbewusstsein/vertrauen. In dem Scheitern den Samen für die Zukunft zu sehen – das ist das Selbstbewusstsein/vertrauen. In der Vorahnung, dass unser Leben ein Ende hat, jeden Tag zu einem guten Tag zu machen – das ist das Selbstbewusstsein/vertrauen.

Wo sind meine Flügel? Vielleicht auf dem Rücken, wo mein Körper getragen wird? Wäre es nicht toll, wenn wir auch getragen werden?

Wozu Flügel? Kann man sie ablehnen? Kann man ablehnen, suchen zu wollen, dass es etwas anders gibt in unserem Leben, außer Kinder, Familie, Geld und Ruhm? Kann man aufhören, zu träumen? Ich meine nicht Tagesträume. Ich meine Träume aus der inneren Kraft, die uns weiter bringen will als bloß zu leben.

Ikarus ist gescheitert wegen Hochmut. Das ist die gängige Lesart dieser Geschichte. Ich lese es anders. Ikarus hat versucht zu fliegen. Er hat nicht bloß geträumt, sondern in der Tat verwirklicht. Scheitern oder nicht – das kümmert sich nur der Historiker. Als ein gewöhnlicher Mensch – muss man nicht immer der Gewinner sein und wird auch nie immer Pech haben – das ist mein Ur-Vertrauen.

Chawangshu 茶王樹 und die unsichtbaren Flügel

Man sagte mir, Chawangshu sei unterbewertet. Er sei mindestens so gut wie Bo He Tang. Egal ob Chawangshu oder 薄荷塘 Bo He Tang – die beiden Pu Ers assoziere ich immer mit Vogeln.

Als ein Mädchen konnte ich mit den Vorbilder, die man mir offerierte, nicht identifizieren. Weder mit den Jungen, noch mit dem Mädchen. Ich spielte nie Puppen, ebenfalls auch kein Baseball. Ich fühlte mich einsam und sammelte immer Bilder von europäischen Burgen aus den Kalender. Und in meinem Zimmer hing eine tanzende Ballerina an dem Wand, dessen Ärmer wie Flügel ausstreckten. Ich glaubte dass jeder Mensch Flügel hat. Und ich versprach mir meine Träume zu verwirklichen.

Auch wenn ich ein gewöhnlicher Mensch bin, will nicht wie gewöhnt meine Träume aufgeben. So kam ich nach Europa und erlebte vieles. Manchmal dachte ich, dass es keinen Ausweg mehr gab und das Schicksal schien gegen mich zu arbeiten. In solchen Momenten kam der Satz von alten taiwanischem Spruch immer wieder ins Ohr, „Schritt für Schritt wird es ein Weg geben.“ Futtere Deine Angst nicht. Und ich habe meine Flügel – sie werden ausstrecken, wenn der Ostwind weht und Sterne flimmern.

Kann man mit Tee satt werden? Schaffst Du ein Dach über Dich haben? Was machst Du, wenn Du scheiterst? Solche „weise“ Sätze summten lang genug bei mir, und dieser Geist und Haltung bilden das Wüste Land unserer Gesellschaft. Ohne Zweifel fliege ich mit meinen Flügel darüber. Sich so frei zu fühlen wie ein Vogel mit Flügel ist eine Glaube geworden.

Chawangshu ist das höchste Dorf von 刮風寨 Guafengzhai bei Yiwu 易武 Berg in Yunnan. Der Name lautet: Der Königsbaum des Tees. Möglicherweise stand ein alter ehrwürdiger Teebaum auf dem Berggipfel. Der Weg nach Guafengzhai zählte zu dem schwierigsten. Und die Teebäume wachsen immer geradeaus im Wald. In dem tropischen Wald hat ein Teebaum nur Chance, wenn er nicht aufgibt. Er wächst zwar sehr langsam, aber wenn er sich nicht ablenken lässt, hat Möglichkeit seinen Krone unter der Sonne zu wachsen!

Wie schmeckt so ein Teebaum?

Chawangshu Gushu (alte Bäume) von Yu schmeckt wie Nektar von Sommerblumen. Sie entfalten sich im Sonnenbad und duftet süß und zugleich holzig. Er ist süß, aber nicht gefällig. Er ist holzig aber nicht streng. Eine Wärmestrahl fließt in meine Ärmer und mein Rücken bekommt Stärkung. Trotzdem spüre ich das Raue von einem sehr alten Baumstamm. Er schmeichelt meinen Mund nicht. Die Zeit eines lebendigen Teebaums hinterlässt Spuren. Die Sommerblumen auf den Alp tanken Energie im Sonnenbad. Nicht nur die Schönheit der anmutigen Blumen entzücken einen, sondern auch ihre unverwechselbare Kraft und Präsenz, die mich nachhaltig beeindrucken.

In dieser Tasse von Chawangshu fühle ich mich einerseits beschützt. Beschützt in seiner Baumkrone. Andererseits warte ich auf den Wind, der meine Flügel mitnimmt, in die Richtung des Herzens.

Aber Ikarus ist trotz seinen Flügel abgesturzt.

Und auch wenn man die geistige Dimension von Flügel-Haben bewusst ist, landet man jedenfalls wieder auf den Boden. Was macht man mit diesem Körper, der Trägheit und Begierde hat? Selbst Eros seine Flügel hat, ist er blind. Was macht man, wenn ein Teil von uns die Flügel hat, während der andere Teil mit dem gewöhnlichen Körper mit Wünschen und Emotionen belanden ist? Im Abendland hat man seine Antwort. In Asien hat man eine andere. Ich möchte mich gerne in nächsten Beiträgen weiter damit beschäftigen.

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Der Weg nach Guafengzhai.

Eine fliegende Raku Schale

Ein wechselhaftes Wetter vermittelt man ein Gefühl, aufräumen zu müssen. Beim Aufräumen entdeckte ich eine Raku Schale von einem mir unbekannten Künstler Namens 飛鳥 Fliegender Vogel.

Es sollte schwarz sein, ist aber nicht wirklich. Ich ahne fast das Feuer das hinter dem Kulissen lodert! Meine Finger streicheln die Rillen, die wie Wellen durch die Schale durchzieht. Die Finger spüren die Tiefe und Kante. Etwas hebt sich ab und geradeaus unbeirrt! Ich begann zu lachen.

Eine Schale, die eine schwere Seele zu lachen bringt! Fast etwas magisches und einmaliges.

Ich muss einen Platz finden für einen fliegenden Vogel bei mir!

Schöne Orchideen?

Dieser Orchidee wurde vor Kürzen in einer Wettbewerb Taiwans mit dem Goldpreis ausgezeichnet.

Es handelt sich eben um „Gold“, nicht um die Schönheit. Solche Preise garantiert den steigenden Preis dieser Züchtung. Hinter den Kulissen gibt es viele verwickelnde Geschichte.

Ähnlich beim Tee- Wettbewerb! Deswegen verkaufe ich nie mit Preis gekrönten Tee von Wettbewerb! Mein Lehrer hält gar nichts von dem Preis!

Die nächsten zwei Orchideen werden in dem Zirkel von Orchideen Liebhaber Taiwans als schön empfunden. Es wird gepflegt von einem Orchideen Liebhaber, man nennt ihn auch Meister. Er gewinnt nie irgendeinen Preis. Aber seine Sorten orientieren sich am ehesten an das traditionelle Vorbild. Es handelt sich um das gesamte Erscheinungsbild des Orchideens anstatt die Menge und Grösse der Blüten.

Der letzte Orchdee unterscheidet sich an das von den Japaner gekrönten Orchidee. In Japan legen Jurys viel Wert auf kürzere und runden Sorte und Blüten – Symbol von Harmonie. In Taiwan findet man die Schönheit nicht in runden Blütenblätter, sondern vielleicht um den „Charakter“ und das Gespenstische aus der subtropischen Natur!

Der Orchideen-Kult und Charen IV

John Laroche: „Es gibt bestimmte Orchideen, die einem bestimmten Insekt auf das Genaueste ähneln. So wird das Insekt von der Blume angezogen, sein Doppelgänger, sein Seelenverwandter. Und es wünscht sich nichts sehnlicher als mit ihr Liebe zu machen. Nachdem das Insekt davongeflogen ist, entdeckt es eine weitere seelenverwandte Blume und macht Liebe mit ihr und befruchtet sie damit zugleich. Und weder die Blume noch das Insekt werden je die Tragweite ihres Liebesaktes begreifen. Wie könnten sie auch ahnen, dass diese Welt nur durch ihren kleinen Tanz existiert? Aber so ist es. Indem sie tun, wofür sie auserkoren wurden, geschieht etwas großartiges und prächtiges. So gesehen, zeigen sie uns wie man leben sollte. Dass das einzige Barometer von Bedeutung in unserem Herzen sitzt. Dass man sich, wenn man seine Blume entdeckt hat, von nichts und niemandem abbringen lassen soll.“

Diese Orchideen warten nur auf bestimmte Insekten. Nur ein bestimmtes. Je nach Länge des Rüssels von Falter, die sie anziehen wollen, entwickeln sich eine bestimmte Sorte von Orchideen die genau dazu passende Länge der Tasche von Blütennektar. Genau so. Nicht länger, nicht kürzer. Es hört sich genau so an, wie Laroche – der Orchidee-Dieb behauptet, es sind wie eine Seelenverwandtschaft. Und sie zeigen sogar wie man leben sollte!

Diese Art von Seelenverwandtschaft kann natürlich von Menschen, die sich an materielle Vorteile durch Beziehungen orientieren, nicht verstanden werden. Weshalb sollte man die Einsamkeit aushalten, nur auf dieses Wesen zu warten?

Genau diese Eigenschaft von Orchideen berühren die chinesischen Seelen, vor allem die Literaten und Intellektuellen. Sie fühlten sich angezogen von der Aufrichtigkeit dieses Pflanzen und von der Kompromisslosigkeit der Orchideen-Seele. Es wurde immer erzählt, dass sich Menschen mit großer Vision von Orchideen angezogen fühlen. Weil diese Blumen diese Seele verstehen, weil sie Seelenverwandt sind. Deswegen pflegen bewusst bis heute viele chinesische Charen (Teemenschen) und visionäre Menschen Orchideen, um ihr Ausdauer zu kultivieren, Demut zu üben und um ihren Anfängergeist zu pflegen. Die Erscheinung Orchideens gleicht eine Botschaft, „Verwirkliche Dich! Lebe rein und aufrichtig.“ So bedeuten auch Teatoys mit Orchideen Muster!

Ich finde den passenden Ausdruck nicht, wie man auf Deutsch, dieses Gedanke wiedergibt – ch möchte so nah wie möglich zu mir selbst sein, um mich zu verwirklichen. Um das Tiefste in mir, in dieser Welt entfalten lassen zu können! Damit dieses Gedanke erinnert werden kann, suche ich einen Platz in meinem Leben und in meinem Alltag, um es aufzuheben. Teatoy ist ein guter Ort. Ein Ort des Nicht-Vergessens. Und Gongfu Cha ist ein Praxis des Erinnerns: ich möchte meine Werte bis zum Ende meines Lebens leben.

Ist es nicht eine Illusion, an diese Eigenschaft des Orchideen zu glauben? Ist es nicht lächerlich zu glauben, dass Blumen eine Seele hat? Ist es nicht eine schöne Projektion, was die alten Chinesen mit ihren Blumen machten?

Ja, es ist eine Projektion, eine sehr schöne. Für mich ist es sogar eine Art von mystischer Partizipation! Dank dieser mystischen Partizipation roch ich Poesie in der Luft, ahne das Flattern der Schmetterlinge und höre die Schritte aus der Zukunft.

Ich hoffe, Du kannst die Poesie mitnehmen.

Der Orchideen-Kult und Charen (Teemensch) III

Fortsetzung zu vorherigen Beiträgen über den chinesischen Orchideen-Kult.

Dieser Orchidee gewinnt in diesem Jahr den besten Preis in Japan in seiner Gattung. Als ich dieses Bild bekam, dachte ich nur an das Gedicht von Hu, Lancheng: “ Suiyue Jing Hao, Xianshi Anwen.“ Nicht von den Wellen mitgerissen werden, nur mit Dir die Zeit in Ruhe und Gelassenheit zu erleben und zu erfahren. Als er die Schriftstellerin Zhang, Airin heiratete, versprach er ihr mit diesen Sätzen. Es war eine unsichere und prikäre Zeit, als Japan China in 30er Jahren angreifte. Möge die Zeit in Ruhe und Gelassenheit mit Dir zu verbringen- es war das grösste Liebesversprechen eines Dichters.

Die Ausstrahlung dieses Orchidee ist wie der Wunsch nach einem gelassenen zufriedenen Raum, die Zeit mit eigenem Rhythmus zu erfahren und die Welt aus eigenem Perspektive gestalten zu wollen. Nicht um Zentrum des Geschehens, sondern in der Peripherie des Wirbelsturms.

Das ist auch die Botschaft von Orchideen-Kult.

Im Oolongseminar am 3.3. fragte mich jemand, warum man in der chinesischen Kultur nicht von Kirschblüten spricht. Es gibt einige Gründe und sie hängen mit der Ping-Dan -Ästhetik zusammen.

Schauen wir die Pfirsichblüten an:

Die Blüten wachsen an Zweigen und blühen differenziert. NICHT in Gruppen. Sie blühen eine nach der anderen. Klar und differenziert.

 

Sehr ähnliche wie bei Pflaumenblüten!

Pflaumenblüte blühen auch nicht in Gruppen. Meistens eher schwach und leise. Sie fallen nicht so leicht, wenn es windet.

Hingegen blühen Kirschblüten stark und in Gruppen und fallen recht rasch ab, wenn es windet.

Aprikose-Blüten blühen ähnlich wie Kirschblüten – in Gruppe, stark und fallen recht schnell ab. Die fallenden Blüten mögen die Sentimentalität hervorrufen und und erzeugen viele Emotionen und Dichtungen. Genau aus diesem Grund bewegen sie auf der Ebene der zyklischen Zeit, wo unser Gemüt von Trauer und Glück hin und her verschoben werden kann. Hingegen bewegt sich die Ping-Dan-Ästhetik auf der Ebene von Wu-Xin (Mushin – Ohne Anhaftung, ohne Illusion) – die Zeit der Ewigkeit: wir pflegen unser Herz wie das klare stille Wasser, egal wie es da draußen windet und regnet. Eine Haltung, die an sich zu arbeiten versucht. Es ist ein Link zu dem Gedicht von Hu, Lancheng: Sueyue Jinghao – die Zeit in Ruhe und Gelassenheit zu erleben.

Außerdem schätzten die alten chinesischen Intellektuellen die Haltung von Nicht-Gefallen-Wollen. Die Blumen, die allein für sich selbst blühen, zu der Menschen sich annähern müssen, werden hoch geehrt. Die hängenden Blüten, die zu einem fallen, wurden weniger gepriesen. Sicher sind solche Beschreibungen eine Projektion der alten Chinesen. Sie widerspiegeln jedoch einem Habitus, wie man sich in dieser Welt bewegen und auftreten sollte! Seine Eigenschaften fasse ich hier kurz zusammen: klare und differenzierte Sprache; am besten unabhängig und suche nicht absichtlich nach der Anerkennung und das ruhige gelassene Leben neben dem Zentrum von den gesellschaftlichen Ereignissen zu führen.