Archiv für den Monat Dezember 2012

暗香 Der Duft aus dem Schatten

暗香 Der Duft aus dem Schatten

頻相顧
ich schaue immer wieder zurück
餘歡未盡
es ist eigentlich vorbei
卻去且流連
ich sollte gehen, meine Schritte schreiten nicht.
秦觀 Qin Guan, Song Dynastie, China

Nachdem meine Kraft allmählich zu mir kam, war der Besuch bei meinem Lehrer wie ein Lichtstrahl. Ein Lichtstrahl, weil ich wieder nur ich sein kann. Es besteht Hoffnung…
Ich habe viele Teemuster gesammelt und ist bereit mich wie ein Anfänger zu fühlen. Wir haben viele Anxi Tie Guanyin unter die Lupe genommen. Auch wenn ich recht stolz war, was ich nun gefunden habe, lächelte Atong bloß und fragte, ob ich wirklich etwas sehen will, was wirklich einmalig ist? Er brachte mir einen von ihm per Aufrtag erzeugten Tie Guanyin Anxi. Ein sehr leiser Tee, sagte ich fraglich. Ja, antwortet er. Nach 15 Minuten sagte der Tee immer noch kein Wort zu mir. Was ist das eigentlich? Bin ich wirklich ein Anfänger? Er goss einen anderen Oolong von Lala Shan. Ein Guifei Hochlandsoolong, von Zikaden befallen und aus verwilderten Garten. Wieder so einen! Leise, aber präsent. Fein strukturiert, beständig im Aufguss und sanft im Umgang mit unseren Sinne, bloß nicht vordergründig sein, bloß keine Sehnsucht zu erwecken – einfach sein. Einfach sein… Mein Herz wurde glasig und meine Augen ebenfalls.
So einen hätte ich übersehen. Ich hätte.
„Menglin, Tee zu verstehen ist wie eine Lektion über das Leben nachzudenken. Junge Menschen oder Menschen im glatten Lebensweg verstehen den Tee anders als wir.“ Sie lassen sich zu stark beeindruckt von bunten Erscheinungen und Konventionen. Der Duft aus Schatten sei das was ihm fesselt… Anstatt der betäubenden Duft aus der Helligkeit.
Am einem Abend, beim Sonnenuntergang weht eine Brise frischer Wind aus dem Schatten hinter uns. So beschrieb er… Der leise subtile Duft von den schattigen Hecken erreicht unsere Riechweite. Die Brise ist vorbei, der Duft wirkt wie Schatten in unserem Gemüt und es schattiert alles.
Der ruhige Lala Shan ist leise. zwischen den seidigen Textur spürte ich Neroli im Brise.
Atong sagte, so ein Tee ist wie das Verliebtsein. Man merkt es erst Nachhinein. Das leise Süße und blumige Emotion erreicht uns oft vor dem Bewusstsein. Oft ist es schon zu spät. Es wirkt so präsent wie das Schatten in uns schattiert. Man sollte gehen, aber die Schritte schreiten nicht.
Langsam glaubte ich es zu verstehen.
Ich schmeckte eine Veränderung meines Lehrers und meine.
Ist es die Hoffnung, was der 15jaehrige Tim mich einmal fragte?
Beim den letzten Gespräch in Shuitang am heiligen Abend handelte sich um Tod und Organspende. Ich habe die Weisheit nicht, diese Debatte mitzureden. Aber Tod ist für mich anders. Tod ist ein Tor. Das, was wir in diesem Leben nicht gelebt haben und unerledigt bleibt, nehmen wir durch das Tor ins nächste. Wir werden gezwungen bei nächsten Wiederholung zu erledigen. Das ist ähnlich wie, was was wir in diesem Jahr nicht erledige, mit ins nächsten leben müssen. In der chinesischen Vorstellung ist das Leben eine Hoffnung, gewisse Veränderung jetzt zu vollziehen anstatt weiter mit diesem Rücksack zu reisen ins nächsten. Ich habe mein Leben egoistisch genug gefuehrt, immer das getan, was wahrhaftig ist für mich und das gesagt, was ich wollte. Es gäbe nichts zu bereuen. Wenn ich weiß, dass jetzt das Ende ist, würde ich mein Konto plündern, Feste feiern.
Ich habe viel Gepäck, was ich mit ins 2013 mitschleppe, auch wenn ich vieles erledigt haben wollte. Es ist eben wie das Schatten aus der Dunkelheit, unbewusst bleibt der Duft ins mir. An diesem Erkenntnis ahne ich, dass das Leben hoffnungsvoll ist. Weil man sich verändert. Was vorher unmöglich und unerkennbar scheint, ist heute eine Hinweise des Weges. Der Kampf, den ich gegen das Schatten fuehrt, fuehrt zu mir selbst.
Ich werde auf meinen Weg, der mutig in die Dunkelheit schreitet, immer meinen Lehrer sehen und paar Weggefährte begleiten.
Der Duft bleibt.
Mein Lehrer testete gerade Leckerli. Sein Gesicht sah recht kritisch aus…

Ninjas schwere Mission

Ninjas schwere Mission

Atongs Schatzkammer wurde nie von Ninja heimgesucht, wurde mir versichert. Denn der Wert eines Schatz-Tee ist nicht mit Augen erkennbar.
Anhand von dem Erfolg eines Diebes könnte man feststellen was für Teekenntnisse er besitzt.
Warum wurde hier so viele Schaetze gelagert? Weil jemand die Perle aus Nichts erkennt ohne geblendet der Konvention zu befolgen…

Stresskiller

Stresskiller

Wie halte ich diesen Stress bloss aus?
Ganz einfach. Nach jedem Abend Steak essen. Eine Flasche Champagner im Kühlschrank bereit stellen.
Heute kamen Tim und sein lieber Vater. Sie brachten mir zwei Flaschen Champagner und meine Macarons! Macarons asss ich alleine. Mit niemandem teilte ich. Die Flasche Champagner tranken wir gemeinsam nach dem Pu Er 1960!
………………………..

Der junge süsse Tim schrieb mir und fragte gerade, was ist Hoffnung?
Er fragte, ist es das Gefühl, wenn das Unmögliche, möglich scheint?
Hmm… ich weiss auch nicht genau. Es ist wie das Licht in der Dunkelheit.
Wenn man jemanden liebt, spürt man den Wünsch diese Person glücklich zu machen, auch wenn da keine Möglichkeit hat. Hoffnung ist ganz unabhängig ob es möglich ist oder nicht. Hoffnung ist das Licht, das uns hilft zu lieben ohne zu erwarten, zu geben ohne etwas zu wollen, zu leben ohne etwas erreichen zu müssen. Diese Hoffnung bringt uns in einem friedlichen Gefühl mit uns eins zu sein. Dieser Frieden gibt uns Kraft, an uns zu glauben. Dann geschehen möglicherweise Dinge die vorher unmöglich erscheinen. Das Leben nimmt eine Wende und es geht weiter. Es ist die Hoffnung! Ein Gefühl von Freiheit, die von uns ausgeht und uns unabhängig von Aussen macht.

Flohe Weihnachten

Flohe Weihnachten

Liebe Menglin

Anbei noch ein Foto vom Teering. All die verschiedenen Teeblätter, die vielen Gespräche und Stimmungen vereint in neuer Form.

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Ich wünsche dir einige Tage der Entspannung als Brücke zu deiner Reise.

Freue mich auf unser Wiedersehen im Jahr der Schlange.

Herzlich

Ursula

Liebe Ursula hat wunderschöne Schaufenster gestalten und eine Adventskranz aus Teeblätter, die in Shui Tang aufgegossen wurden, gezaubert.
Da unsere Welt immer noch existiert, muss ich morgen noch aufstehen, Tee verkaufen und dann ins Flugzeug einsteigen. Carola sagte, sie will mich abholen kommen, falls ich meinen Rückflug verpasse.
Suchen wir unser Gesprächspartner aus? Suchen wir unsere Umgebung aus? Suchen wir Menschen, mit dem wir zu tun haben, aus? Für mich, ja. Die Gespräche, die am diesen Teetisch in Shui Tang stattfinden, die Zeit, die ich für anderen Menschen nehme und Energie, die ich für die Dinge ausgebe, geschehen und geschah aus meiner freien Wille. Ich bin sehr dankbar für all Menschen, die zu diesem Ort geführt wurden. Sehr beeindruckt, wie Menschen sich auf die Gespräche, auf die Aufgüsse und auf alle die schwimmenden Teeblätter in der Kanne, einlassen. Die Zeit wird gefressen am diesen Teetisch und durch jeden Atmungszug entsteht eine Verbundenheit, die man nur geschehen lassen kann.
Wenn man von Magie des Tees sprechen würde, sprechen wir hier von etwas tiefgründiges in uns. Die Sehnsucht nach der Antwort der Zugehörigkeit und des Seins. Tee ist bloss ein Spiegel, der uns widerspiegelt.
Ich liebe den Uebergang zwischen den Jahren sehr. Diese besondere Atmosphäre hat man aber nur im Europa. Es ist als ob man plötzlich eine Leere entdecken würde und einen Raum bekäme. Die beste Zeit für viele DVDs… zu einer Tasse Tee!
Ich wünsche allen Flohe Weihnachten und einen guten Lutsch! Ich danke hier an allen, die viel am diesen Teetisch mitschwatzt haben und bei den Teekranz mit verantwortlich waren. Herzlichen Dank!

Zeitfenster

Ich bin ein spontaner Mensch und habe sehr Mühe mit Agenda und Pünktlichkeit. Doroles fragte mich, ob wir ein Zeitfenster am einen Abend kurz vor meiner Abreise finden. Ein Zeitfenster? Ich bin entzückt von diesem Ausdruck!
Ein Zeitfenster! Wenn man an dieses Fenster anlehnt, könnte man die Zeit als Landschaft betrachten? Kann man aus diesem Fenster den Ablauf der Zeit festhalten?
Heute sagte Tämer, dass die Zeit in Shui Tang anders ticke.
Am den Teetisch in Shui Tang exisitert keine Zeit, nur Veränderungen.
Der Tisch gleicht ein Fenster, wo Zeit rasch vorbei zieht und kaum Spuren hinterlässt.
Als ich den Film Cloud Atlas anschaute, hatte ich das Gefühl am einen Zeitfenster zu stehen. Was hat die Zeit dort überhaupt zu bedeuten? Es sind bloss Wiederholungen von einem bestimmten Muster, das auf ein Durchbrechen wartet. Der Umweg, der wegen mangelnder Bereitschaft des Erkenntnis, eine Bedeutung erhält und uns etwas bereichert als Hinweise unserer Konditionierung. Ich weinte immer wieder im Kino. Was bringt einem, dass man weiss, etwas wiederholt wird? Was verhindert einen, wenn man weiss, dass er diesmal eine Chance hat?
Wie am einen Zeitfenster zu stehen – fühle ich mich, wenn ich den Buddhas Hand aus Shiding aufgiesse, wenn niemand anders bei mir ist, dann sehe ichmich vor vielen Jahren, als ich zum ersten Mal diesen Tee trank und mehr und mehr unbewusst auf diesen Teeweg hineingezogen wurde – ohne zu ahnen, was mein Leben verändert!
Als Nojiri Sensei vor paar Wochen plötzlich in Shui Tang auftauchte, liess sie mich nur eins wissen: „You must become normal!“ Ich muss wieder normal werden… sie meinte meinen Fuss – normal wieder auf Tatami zu gehen und Tee weiter machen! Sie schaute direkt in meine Augen und ich in ihre. „Yes, I will.“ Es war kein Versprechen, sondern eine Feststellung. Drei jahren waren vergangen, nachdem ich sie zum letzten Mal sah, was hat hinterlassen? In ihren Augen erkenne ich etwas wieder, was ich schon immer kenne – unsere Verbindung. Das Fenster zu dem Fluss der Zeit – ist unser Augen.
Vor zehn Jahren begegnete ich Peter in Ballenberg, als er noch dort die Drogerie führte. Er hat ohne mich zu kennen, mir einfach reichlich beschenkt. Etwas, was man nie mit Verstand begreift. 10 Jahre dazwischen, es sind vieles passiert… Wir sind uns nie wieder begegnet. 10 Jahre später tauchte er plötzlich vor meinen Augen in Shui Tang auf. Es war ein verschneiter Tag. Ich sah ihn und in seinen Augen erkannte ich etwas wider, was sich nicht verändern lässt. Es ging ihm nicht gut – und das musste er mir nichts sagen. Ich packte paar Dinge zusammen, die mir in jenem Moment einfielen und schenkte ihm weiter. Er schaute mich kurz an und öffnete die Tür und verschwand in die Dunkelheit. Wir werden uns wiedersehen. Es war wie ein leicht geöffneter Fenter der Zeit. Eine kleine Spalte, als ob man etwas dadurch erahnen könnte.
Wir hatten tatsächlich einen Zeitfenster gefunden und gingen essen und trinken. Ihre geistreiche Art tröstet eine reisende Seele zwischen Welten sehr. Auch ich bin bereit mein Leben zu verändern und zu lernen, meine Muster durchzubrechen. Vielleicht werde ich am letzten Tag in Shui Tang nicht vor Nervenzusammenbruch weinen, auch wenn ich in den letzten drei Jahren immer an diesen Tag tat. Vielleicht lerne ich auch einen Uebergang zu schaffen vor Hier und Dort. Vielleicht lehne ich öfters an einem so genannten Zeitfenster und schaue einfach nur zu, was geschieht.

Türe

Liebe Menglin
Ich hab’s geschafft. Jetzt bin ich erleichtert und müde. Danke, dass du an mich geglaubt hast 🙂
Hoffe es geht dir gut.
Schaue bald wieder einmal vorbei.
Liebe Grüsse
Rafael

Rafael ist eine grosse Hilfe in Shui Tang, ein Erzengel. Wir haben uns ein Jahr begleitet, während er seine Masterarbeit schrieb und an und zu in den Zweifel landete. Ich kenne diese Zerissenheit zu gut. Manchmal glaubt man nicht mehr, dass man eine Tür aus eigener Kraft zuschliessen kann! Wenn eine Tür nicht zugeht, wie könnte eine andere Tür der Ueberraschung sich offenbaren? Wir unterhielten uns oft und ich sagte ihm, dass ich an ihm glaube. Ich musste ihn gehen lassen, damit er eine Tür schliessen und die andere öffnen kann. Ich freue mich für ihn.
Das sage ich auch jeden Tag zu mir – immer wieder neu. Glaube an Deine Kraft.

Ich bekam die letzte Lieferung von einem Rougui Guifei. Dieser Tee stammte aus dem Garten Atongs Bruder. Mit vielen Teefreunden waren wir letztes Jahr dort. Der Tee namens Guifei bedeutet immer ein Tee aus einem fast verwiderten Garten, von Insekten befallen und nach der Tradition sorgfältig erzeugt. Faccettenreich und vielschichtig. Seine Aromen gewinnen durch die Reifung. Atong sagte, das sei die letzte Parite. Sein Bruder ist bald 80jährig… Er kann nicht mehr sich um seinen Garten kümmern und sein Sohn will diesen Garten für wirtschaftlich interessanteren Ananas entscheiden!
Ananas anstatt Tee!
Wie geht es weiter? Atong zuckte seinen Schulter. „Menglin, das, was wir tun ist gegen die Zeit und gegen die Strömung. Wir müssen vertrauen, dass es weiter geht…“
Wie sollte es denn weiter gehen? Ich fragte mich damals mit meinem Kopf – wenn sein eigener Bruder auch schon aufgibt? Mein Lehrer schweifte seinen Blick weg und richtete sich nach einem unbekannten Ort.
Vor einem Monat verlangte ich die ganze Partie und verlagerte sie nach Zürich. Ein Vertrauen an diesem Ort, wo der Geist einer Tradition weiter gelebt werden kann.

Gestern kam meine jüngere Schwester an. Ehrlich gesagt war mein Gefühl über ihren sehr kurzen Besuch sehr ambivalent. Da ich das älteste Kind bin, verlangten meine Eltern von mir Pflichtbewusstsein und Anstand. Ich habe es immer gehasst.
Zuerst kamen Jeff und seine Freundin zum Besuch und wollten meine Meinung hören, was sie nach ihrem Abschluss tun sollen – hier bleiben oder nach Asien zurück. Als wir zusammen zurück spazierten, sah ich meine Schwester mit ihrem schweren Gespäck entgegen. Wir wechselten kaum Wörter. Es war wie in einem schlechten Film. So verbundene Menschen wie wir, die keim Wort aussprechen können, weil sie zu belastet sind. Ich hatte immer ein schlechtest Gewissen und dachte oft, dass ich sie nicht allein lassen kann. Ich beobachtete mich und beobachtete meine geliebte Schwester. Auf einmal war es klar, dass sie inzwischen eine erwachsene Frau wurde. Meine kleine Schwester verdient mein Respekt und Vertrauen. Wahre Liebe anstatt Mitleid aus Pflicht… Sie kann aus ihrer eigenen Kraft den für sie richtigen Weg beschreiten. Ich glaube an sie, dass sie es kann.
Sie brachte mir ein Berg von Esswaren. Darunter mein Lieblingskuchen Kasutela aus Tokyo, den mein Bruder am Freitagabend aus Tokyo nach Hause brachte. Mein Vater war mit seiner Belegschaft und dem halben Clan in Kyshu ohne mir ein Wort zu erzählen. Er kaufte mir einfach etwas zu essen… es ist wie in dem Film von Ann Lee „Eat, Drink, Men and Women.“ wo Liebe immer nur in der chinesischen Kultur mit Essen assoziiert wird… Sehr wahrscheinlich haben die beiden Männer Angst, einen komischen Auftrag von mir beim Shopping in Misukoshi oder Takashimaya zu erhalten. Ein Hauch von familiärer Verbundenheit vergössert sich in meiner Wohnung. Eine Tür geht zu, dann öffenet sich eine andere. Es geht immer weiter.
Es ist kein Zufall, dass es so einen Tee wie Guifei in Zürich zu erwerben ist. Es ist ein Fluss von Menschen, die an einer Tradition glauben, dass es so richtig ist. Zuerst muss ein Garten gefunden werden, dessen Besitzer kaum Interesse hat an kommerziellen Erfolg. Dann ein Teemaker, der in der Lage ist, Geduld zu üben und an sein Können zu glauben, so dass die moderne Kühlungsgerät gar nicht nötig ist. Dann gibt es einen mutigen Mann, der diesen Tee so röstet, um ihn zu stabilieren um durch die Zeit reifen zu lassen. Als wir die lederigen von Zikaden befallenen Blätter sahen, wissen noch nicht, wie sie zu einem schwarzen Drachen (Oolong – Schwarze Drachen) verwandelt werden können. Aber Paar Menschen können es, in dieser kaputten Pflückgut eine Tür sehen, die zum Regenbogen öffnet!

Keine Spuren hinterlassen

Freundin Sara kam aus Machu Picchu zurück mit zwei leuchtenden Augen. Das sei ein Ort, wo ich unbedingt einmal besuchen muss! Ein Ort, wo sie sich sehr nah zu sich selbt fühlt, ein Ort, wo sie ihr Herz zuhören kann – beschreibt sie. Ich nickte meinen Kopf, der Wünsch dort einmal zu sein war bereits in meiner Kindheit. Aber jetzt nicht. „Fühlst Du Dich eingeschränkt in Zürich?“ Ich schüttelte meinen Kopf. Seit Sommer war es mir auf einmal bewusst, nachdem der linke Fuss schwer verletzt wurde, dass unser Leben ein Fluss ist. Wir wissen nie, wie es weiter geht. Ueberaschungen sind immer bereit bei jeder Kurven und bei jedem Absturz. Auch wenn wir glauben, etwas begriffen zu haben, werden wir wieder zu uns selbst geworfen. Ein plantes Leben wird in Frage gestellt. Eine druchgedachte Tat erscheint lückenhaft. Eine Zerissenheit von ja und nein. Ein Ort, wo man sein Herz zuhören kann, hört sich wie ein Wunder an. Aber eingeschränkt fürhle ich mich nicht mehr. Ich fühle mich frei, weil ich nicht weiss, was demnächst passiert. Eins möchte ich tun, Dinge so weit zu erledigen, wie ich es kann. Die Dinge zu richtigem Ort zu bringen, das Feld so weit aufzuräumen und einzuordnen, falls der Fluss woanders hinfliesst, kann jemand anders es frei gestalten.
Keine Blume, keine Fussspur: wo ist der Mensch?

Der junge Tim lernte heute Matcha sieben. Sieben, eine ganz einfache Akt. Scheinbar. Seine Finger wurde von schönen feinen Matchastaub gepudert, der Tisch bekam viele grüne Spuren und der Sieb war verstaub von Aktion. Er lernt, muss lernen, sich wieder von diesem Staub zu befreien und seine Spuren samt Matcha schwinden zu lassen.
Das erste, was wir einen Tee anfangen, ist die notwendige Spielzeuge in ihrer Position zu bringen. Entsprechend zu plazieren, um keinen Schritt zu viel, keinen Schritt zu wenig zu handeln. Wenn man es ins Leben umsetzt, wird das Leben entsprechend einfacher.
Während des Tees – das hat Tim gelernt – wach zu bleiben, unnötige Dinge stets aus dem Feld aufzuräumen und den Raum frei zu schaffen, für das, was kommen kann, zu emfpangen.
Nach dem Spass vom Tee ist das wichtigste aufzuräumen. So aufzuräumen, als ob man nicht da gewesen wäre, so dass der nächste an den Platz kommen kann, den Raum frei zu gestalten.
Das lernt man als erstes im Tee, das erstes im Zen, keine Spuren zu hinterlassen. Es ist eine Bewusstseinssache, wie jeder mit diesen Dingen umgeht. Die meisten Menschen sind zu unbewusst, mit eigenen Spuren. Nicht das, dass man spioniert wird, ein Problem sein kann, sondern das, dass unsere Spuren eine Last wird für die anderen. Unsere Spuren können den Anfang anderen Menschen belasten. Das ist nicht schwer zu belegen, schauen wir einfach unsere Erde an und fragen einfach, was für eine Erbe unsere Kinder erhalten? Das ist das, was wir als Kahrma nennen!
Erika fragte, weshalb diese Haltung mich beschäftigt? Es sei unsinn, die eigenen Spuren zu spotten. Es sei mein Muster, immer wieder vor einer halbfertigen Bauruine abzuhauen. „Diesmal bleibst Du hier.“ Es ist vielleicht die Atmosphäre von Jahresende, vielleicht ein Anflug von Bilanz ziehen zu wollen. Shui Tang hinterlässt viele Spuren. Ich spüre eine Wendung, einen neuen Anfang. Gerne möchte ich mein Leben wie eine Teeübung praktizieren. Wieder von Anfang die Spielzeuge neu in den Raum hineinzutragen, noch einmal zu plazieren und wieder einmal neu hinzusetzen. Bevor diese neue Wiederholung Platz bekommt, ist der Raum aufzuräumen. Ich baue keine Bauruine, versichere ich sie. Ich will meinem Leben auch eine Chance geben. Ja, ich will es. Wir wissen halt nicht, wohin der Fluss des Lebens fliesst.
Gestern kam ein Herr aus Genf. Er fragte mich zum X-Male: Warum sind Sie in Zürich? Ich antwortete nicht. Er fuhr weiter mit seinem Satz: „Sind Sie in einen falschen Zug eingestiegen?“

Heimkehrer

X-Male wurde ich gefragt, warum ich in Zürich bin.
X-Male wurde ich gefragt, warum ich Tee mache.
X-Male wurde ich gefragt, warum ich nach Europa kam.
Irgendeinen Grund finde ich immer diese Frage zu beantworten.

Meine Eltern haben mich nie diese Frage gestellt.
Meine Eltern wissen nie, was ich hier mache.
Wenn sie mich tatsächlich fragen, weiss ich nicht, was zu sagen.

Als ich zum ersten Mal in Brüssel Cha No Yu sah, erfuhr ich ein glückliches Gefühl. Ein Glücksgefühl wie zu Hause angekommen zu sein. Ein Gefühl, wo man zugehörig ist, ein Vertrauen, dass man so sein kann wie man ist. Auch wenn meine Füsse stets während der Temae schreien, bin ich glücklich, wenn ich mich wie das Wasser mit dem Rythmus wie Meeresbrandung im Raum bewege.
Das Zuhause war nicht immer geborgen. Nicht geborgen, weil man dort zu etwas erwartet wird. Nicht geborgen, weil man aus einer Tradition stammt, die einem Wünschbild seinem Leben prägt und man stets das Gefühl hat, es nicht gerecht zu werden und sich wie ein Versager fühlt.
Jean kam wie viele andere junge Studenten aus Taiwan gerne zu mir und unterhielt sich über das Leben nach ihrem Abschluss. Wohin geht es weiter? Der Heimweg scheint unendlich weit zu sein. Ist es normal, fragte sie mich? Ich tröste sie, dass sie nicht allein ist. Jedesmal wenn ich ins Flugzeug steigt, überkommt mir wieder das Gefühl, ein Versager zu sein. Versager – weil man die geliebten Menschen daheim enttäuscht.
Gestern Abend sass ich mit Sara zusammen in Zazen. Ich war sehr müde, wollte unbedingt die Zeit in mich selbst investieren. In der Müdigkeit wurde plötzlich aufeinmal alles sehr präsent – die Geschichte der Mauer in dieser sehr alten Stadt. Diese dicke Mauer, die oft keinen Empfang von Handy verursacht, vermag die Menschen auf eine ganz andere Art miteinander zu kommunizieren. Es ist wie ein Zeitloch.
Die blutigen und willkürlichen Kämpfe um die so genannte Wahrheit und Machtausübung der Zunftleuten verflochen zusammen zu einem schmerzhaften Erinnerungsnetz, was durch die Mauer zu Sparche kam. Es war die Geschichte dieser reichen Bankenstatd, die nun einmal mein Zuhause geworden ist.

Was steckt hinter dieser Mauer?
Was steckt hinter dieser Fassade dieses Reichtums?
Warum bin ich hier gelandet?
Nach dem Zazen erzählte Sara mir, dass die Sehnsucht von Zuhause in jedem Menschen steckt. Das wahre Zuhause ist nicht mehr an einem Ort fest zu binden. Sie hat das Gefühl, dass sie geboren wurde, um Menschen zu begleiten nach Hause zu gehen. Deshalb studiert sie C.G.Jung und ist hier in Zürich.
Neben dieser dicken Mauer war es mir klar, dass das Zuhause keine Vorstellung und keine Idee ist, sondern ein tiefes Gefühl von der Verwurzelung, wo man hingehört.
Vielleicht ist man geboren, weil man eine Vision und einen Traum hat zu vollenden. Durch diesen Traum oder Vision ist man gebunden mit den Weggefährten, die gemeinsam es zur Vollendung bringen. Das Leben gehört uns sehr wahrscheinlich nicht alleine, nur der begrenzte Körper, den wir mit Liebe pflegen müssen.
Sara erzählte mir weiter, dass der Wünsch nach Hause oft Mitte im Leben immer stärker zur Sprache kommt. Das kann so heftig für viele Menschen sein, weil sie sich von ihrem geplanten Leben verabschieden müssen, um nach Hause zu gehen.

Das Leben ist wie ein Fluss, wir wissen nie wie es weiter geht.
Jean umarmte mich als sie wieder zum Schreibtisch ging. „Schwester“ sie sagen alle zu mir so, „es ist so schön ein Zuhause in Zürich zu haben. So ein warmer Ort!“
Ich sehe Menschen kommen und gehen. Niemand kann niemanden aufhalten. Nach Zürich wollte ich schon immer, ich wusste bloss nicht. Wie es weiter geht, weiss ich auch nicht. Das einzige, was ich weiss, ist das, dass ich hier etwas zu tun habe. Einen Garten in mitten dieser Stadt, wo die Schönheit des Lebens zerebriert wird, anzulegen. Hier werden Menschen, die sich zugehörig fühlen, zusammengeführt und es zur Vollendung zu bringen. Keiner weiss warum. Dieser Garten ist jetzt der Tee.