Gestern kam Roger mit seiner Familie zum Besuch. Zwei kleine lebhafte Kinder waren zuerst ein wenig schüchtern, aber machten sich nach einer kurzen Zeit vertraut mit dem fremden Raum. Sie begannen ihren Abenteuer zwischen meiner Teedosen und Teegeräte. Roger und Miriam wurden sehr nervös. Plötzlich wurde der Tibor sehr stil. Man wusste nicht, was er machte. Tibor, ein dreijähriger „Anfänger“ unserer Weltgemeinschaft, hat eine neue Welt für sich entdeckt. Der Duft des Sandelholzes zog ihn in mein Schlafzimmer. Er war fasziniert von dem fremdartigen Duft und der Fremdartigkeit der Atmosphäre, was ihm in seinem jungen Lebezeit nie bekannt war. Er entdeckte die Schale voller Aschen. Unzögerlich spielt er mit dem Asche, mit dem Holz und eigentlich mit dem Duft. Als wir ihn entdeckten, war er voll mit Aschen bedeckt und lachte.
Zwei Anfänger unseres Planeten
Wir, Erwachsene machten unser gesellschaftliches Spiel – wir tranken Tee und unterhielten uns. Die Kinder langweiligsten sich. Sie suchten auch ihr Spiel. Sie blätterten meine CDs und Kassetten und entdeckten eine interessante chinesische Kassette. Valerie fragte mich, ob es für Kinder sei und ob es sie anhören dufte. Im Lautsprecher sprachen plötzlich eine fremde Stimme, ein fremdartiges Klang und einfremdwörtliche Sätze. Beide Kinder konnten sich nicht mehr von dem Lautsprecher wegbewegen. Sie starrten und konzentrierten sich auf das, was gerade geschah. So gefesselt waren sie von der Fremdheit, dass sie ruhig blieben und zuhörten. Der reine Geist eines Kindes, der sich nicht zwischen dem Vertrauten und Fremden, dem Richtigen und Falschen oder dem Besseren und Schlechtern unterscheidet, manifestierte sich durch das ruhige konzentrierte staunende Moment. Ich goss den Gästen gerade einen Phönix Dancong auf, als die Reinheit des Kindes mich berührte.
Der wunderschöne Dancong wurde sehr bitter. Meine Ablenkung hatte sofort eine Konsequenz. Ich spürte in mir ein bisschen Scham und ein bisschen Selbstironie. Wie oft habe ich diesen Tee schon zubereitet? Wie vertraut fühle ich mich mit der Zubereitung des Tees? In dem Moment des kindliches Staunens, die Welt mit Anfänger-Augen zu betrachten und erleben, zeigt der Gegensatz meiner vermeintlichen Vertrautheit mit Tee, was in einer Routine verfallen und sich als Fehlschlag erweisen könnte.
Ich erinnerte mich, was Teemeister Ulrich mir letzter Woche in Freiburg erzählte. In der Abschluss-Feier seiner Ausbildung in der japanischen Urasenke-Schule kam die Direktorin mit einem Stock hinkend zu den Absolventen. Sie sprach zu jedem mit Erfolg ausgebildeten Teemeister aus Europa in einer klaren Stimme: “ Vergesse nicht, dass Du eigentlich nichts kannst!“
Wenn all meines Wissen über Tee mich hinführt, sich nicht mehr über einen einfachen Tee freuen kann, wäre das Wissen bedeutungslos. Wenn all die Rituale und Künste – was wir als Teeweg verstehen, was ich mich angeeignet habe, mich von Menschen abheben und Menschen nicht näher bringen könnte, wäre es ein Holzweg. Ich wünsche mir, das Moment des reinen Anfänger-Geistes nie aus meiner Augen zu verlieren!
Teemeister Ulrich Haas in Freiburg