Stefan rümpfte seine Nase, als er wusste, dass ich bei Koreaner mein Mittagsessen hatte. Er behauptete, dass ein neuer Chinese an der Kreuzung zwischen Seetrasse und Müllerstrasse sehr original sei. So original wie in China behauptete er.
Da ich nicht gerne zu einem Show-Restaurant gehe, ging er mit mir zum Türken, Saray ebenfalls an der Kreuzung zwischen Seetrasse und Müllerstrasse. Mit einem Abtrünnigen ging er nicht Chinesisch essen. Er war zufrieden mit meinem hungrigen Gesicht und fetten Finger. Das Fladenbrot war wunderbar auch das gut gewürzte Fleisch. Natürlich bietet das Ambiente nicht zum langen Verweilen. Mehr wollten wir auch nicht.
Am nächsten Tag ging ich mittags zu dem sagenhaften Chinesen. Zwei richtig chinesische Gesichter fragten mich mit einem starken Akzent, die ich schwer verstand: „Wo kommst Du her?“ „Taiwan. Taiwanese.“ Ich lass die Speisekarte auf Chinesisch. Wow, richtig sensationell wie in Taipei bei Hunan Spezialitäten! Solche Speisekarte stand auf dem Tisch nur auf Chinesisch. Wer Mut hat, sollte einfach mit dem Finger auf eine Gericht zeigen wie ich 1991 in Köln jeden Tag machte. Ich kannte damals kein Deutsch und hatte immer das bestellte, was mein Nachbar ass. Alle Gerichte sind hier so original, dass man sich nur träumen kann, alles sehr scharf wie Mao es gerne hatte! Er kam aus Hunan! Ich lass und konnte mich selbstverständlich nicht entscheiden. Dann fragte die alte Dame mich, ob ich ihr einen Amtsbrief übersetzen konnte. Ja, klar. Ich übersetzte den Brief und telefonierte für sie. Sie waren glücklich und erleichtert. Der Koch brachte mir ein Kännchen Tee und fing an etwas zu kochen. 10 Minuten später brachte er mir eine Jumbo- Schale von 荠菜馄钝汤Wantan-Suppe. Spezielle Wantan. „Aus Jicai. Wir brachten die Samen von diesem Gemüse aus China und bauen sie in Berlin selbst an. Schmeckt es Dir?“ „Ja, klar.“ Die Suppe war warm und salzig. Die Trännen waren warm und salzig. Sie bieten diese Suppe nicht an Deutschen, die es nicht danach fragen, nur an die unter Fremden gebliebenen Fremdlingen.
Jicai gibt es auch in Deutschland, sie wussten nur nicht und Deutsche wissen davon gar nichts. In Konstanz arbeitete ich bei einem chinesischen Restaurant für drei Jahren. In jedem Frühling ging mein Chef geheimnisvoll zum Münster und kam immer mit einer Tüte voller Jicai zurück in die Küche. Dann wusste ich, ich hatte Glück. Er futterte mich wahnsinnig gerne. Er ist Koch, weil er gerne isst. Der Beruf war für ihn eine Berufung. Denn er eigentlich ein Herrensöhnchen aus Shanghai stammte. Da ich gerne esse, freut er sich, mein zufriedenes glückliches Gesicht anzuschauen. Meine Chefin hasste mich, dachte ich manchmal.
Kurz vor meinem Abflug ging ich noch einmal zum Asia Deli (Mei Shi Jia). Diesmal bekam ich Dampling (Shuijiao oder Jiaozi 饺子). Würzig, saftig und fein. Der Teig war wunderbar unter den Zähnen. Alles hausgemacht. Ach! Auch die Damplings lügen nicht! 12 Stücke für nur 5,5 €! Ich schüttelte meinen Kopf. Sie gab mir noch 12 Stücke mit Bambusblatt gefüllten Reisknödel. Ich mache diese Dinge nicht gerne selbst, weil es arbeitintensiv ist. Und hier in Berlin 1 Stück für 1 €! Sklavenarbeit für nichts. Ich brachte diese Knödel nach Zürich, ich weiß Wendy wird sich wahnsinnig darüber freuen!
Das Restaurant ist nur minimal eingerichtet und man riecht immer, was der Koch kocht. Das Geräusch im Wok rief in mir Heimweh hervor. Nur meine Großmutter kochte noch so. Meine Mama fand diese Art von Kochen zu altmodisch und zu rückständig. Das Geräusch und der Geruch sind allerdings nicht jedermanns Geschmack.
Im Vergleich mit dem Chinesen ist das koreanische Restaurant noch weniger eingerichtet. Das Lokal sieht tatsächlich so aus wie in jedem kleinen Ess-Lokal in Asien. Aber der Tisch ist sauer und klebt nicht. Zwei mimiklose Koreaner starrten mich an, als ich die Tür öffnete, als ob ich in einem falschen Film wäre. Ich wollte Damplings und liebe Damplings jeglicher Art. Sie verstand Chinesisch. Sie fingen an freundlicher zu sein, als ich Chinesisch sprach. Mir wurde eine halbe Serviette gebracht. Wahrscheinlich aus Umweltschutz-Gründen halbieren sie einfach eine vollständige Serviette. Man hat so wie so nur einen Mund, mehr braucht man nicht zu wischen. Die Damplings waren herrlich aus Tofu und Gemüse. Sehr fein, leicht und dezent. Für mich waren sie besser als die von Hunan. Ca. 20 Stücks für 6,5 €! Ich schüttelte meinen Kopf. Warum bin ich denn in Zürich gelandet? Dann kamen andere Schlitzaugen hinein, anscheinend ist das unscheinbare Lokal ein Insider-Tipp. Koreanisch, Japanisch hörte ich. Eine große Familie.
Nur für das Essen würde ich sofort wieder nach Berlin fliegen. Wo in Deutschland hätte ein Fremder anhand von kleinen Budgets etwas auf die Beine stellen können – außer in Berlin? Wo in Deutschland hätte man Möglichkeit einen unbekannten vielseitigen kulinarischen Streifzug zu unternehmen als in Berlin? Wo in Deutschland könnte man Zerfall und Aufbruch, Edel und Vulgär alles an der gleichen Strasse zu erleben? Diese Vielfalt und Lebenskraft dieser erneuernden Stadt haben viel an den Glück suchenden Fremden zu danken.
Asia Deli
Seetrasse 41, 13353 Berlin 030-45084219
Die Speisekarte auf Deutsch ist ein anderes Angebot – Chinesisch für Deutsche.
Jeden Tag bis 22.30
Arirang Restaurant
Seestrasse 106 13353 Berlin 030-45021248
Montag Ruhetag
U6 Seetrasse