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Matroschka

Matroschka

Mein alter verstorbener Grossvater sagte oft, dass es keine Nachrichten eben gute Nachrichten sind. Man sollte anderen Menschen nicht suchen… Man sollte den anderen frei gehen lassen.
Es war seine Lebenshaltung.
Etwa um 3 am, kleingelte mein Telefon. Mit schweren Schritte ging ich ans Telefon – das kann nur aus Fernost und dann an diese private Nummer kann nur meine Familie sein. Es war mein Vater… ich bekam kalte Schweiss! Was ist passiert? „Ach, nichts. Ich habe verwählt. Papa liebt Dich.“ sagte er so alles in einem Satz.
Wieder mit schweren Schritten und versuchte einzuschlafen. Schwer.
Ich nahm alle Unterlage für meine Buchhaltung zu La Stanza. Die Musik ist sehr laut, der Raum gefüllt. Ein Zoo, sage ich immer. Wenn ich arbeite, brauche ich solche Umgebung. Warum denn? Als ich an der Uni war, war Macdonalds meine Bibliothek fürs lernen. Heute sagte Alexander zu mir, „Klar, Geborgenheit in der Masse. Verschwinden in den Menschenlichen Wogen.“ Klare Worte! Es trifft ins Schwarz.
Aus diesem Fenster machte ich nicht nur meine Zahlen-Spiele, sondern kreierte auch das getäuschte Gefühl wie an unserem alten Haus zu sein.
Gestern kam Kaspar zu Besuch und wir tranken allen verrückten Tees einen nach dem anderen. So in einem Teewolken begann ich an meine Kindheit zu denken. „Ja, die Beschäftigung mit Tee ist wie ein Stück meine Vergangenheit zu reparieren. Was scheinbar für immser unmöglich scheint.“ Auf einmal überwältigt mich das Gefühl die äusserste Puppe von Matroschka zu sein. Und innerhalb dieser äussersten Puppe sind viel viel anderen Puppen gefüllt. Viele Leben von anderen füllen mein Leben? Kann man wirklich sagen, dass unser Leben nur uns gehört? Wir sind bloss die äusserste Puppe von Matroschka.
Schicht für Schicht fing ich an zu zählen, wer alles mich gefüllt hat. Plötzlich sind meine Finger zu wenig. Schicht für Schicht räume ich eine Puppe aus einer anderen. Plötzlich ist die Puppe nur noch einzeln. Und sie sind so unrealistisch und unerträglich leicht. Eigentlich gehören sie alles zusammen… Ich bin ein Zusammenhang von meinem Vorfahren und von Menschen die mich jetzt begegnen und begleiten, auch von Menschen, die mich verlassen haben.
Ein Tee ist wie Matroschka. Schicht für Schicht – entdecken wir die Aromen in den Facetten. Eine Puppe (Teemensch) neben einer anderen füllen das ganze des Tees. Ich werde bei einer Tasse Kaffee über die Matroschka von Lalashan erzählen. Und ein Tee, der tatsächlich ein Matroschka ist, ist Lishan Hochland, der über Holzkohle geröstet ist.

Meine Grossmutter insistierte in meiner Kindheit immer, an jeden Tag – Licht durch den ganzen Tag zu brennen. Sie sagte, wenn das Licht brennt, findet jeder den Weg nach Hause. Das Licht brennte und brennt heute immer noch an unseren Familie-Altar. Ich weiss nicht wie lange noch. Vielleicht werde ich in Zürich auch anfangen so ein Licht anzuzünden. Denn die Matroschka geht immer weiter – solange Licht brennt, findet immer jemand den Weg zu ihm nach Hause.
An diesem Fenster in La Stanza – fühlte ich mich so nah an Taiwan. Vor allem an die alten Werte Taiwans…

Fragezeichen

Eigentlich wollte ich nur eine Augensalbe kaufen. Zufällig entdeckte ich ein schönes Parfüm und kaufte es für Blacka. Während es verpackt wurde, unterhielt ich mit der jungen Apothekerin. Sie empfiehlt mir verschiedene Parfüm zu mischen. Ich antwortete ihr, dass ich einzelnen Duftstoff bevorzuge. Meine Nase ist zu gut, dass ich kein Parfüm trage. Mich stört meiste Parfüm, was meine Kunde in Shui Tang tragen, vor allem zur Degustation oder Seminare. Ihr erzählte ich, dass einzelne Duftnote unterschiedlich im Körper und Geist wirkt und ich sehr viel Respekt habe vor dieser Wissenschaft. Als Mädchen hörte ich immer von meiner Mutter, dass man bestimmte Lebensmittel nicht miteinander komibinieren sollte und was eine Frau essen oder nicht essen sollte. Alles was man nimmt, hat eine energetische Wirkung. Unsere Lifestyle-Gesellschaft ist zu beliebig und mischt alles zum kommerziellen Erfolg. Die Augen der jungen Apotherin wurden immer grösser und grösser. „Wo kann ich es auch lernen? Bilden Sie Menschen aus? Kann ich zu Ihnen kommen?“ Ich wurde sprachlos und in der Verlegenheit gab ich ihr meine Handynummer und Adresse von Shui Tang.
Auf dem Rückweg dachte ich immer noch an diese Begegnung. Was war das eigentlich, was diese junge Frau bewegt, mehr von dieser alten Kultur lernen zu wollen?
Tim kam vor zwei Monaten zu Shui Tang und lernt ganz fleissig die Welt des Tees kennen. Höflich, zurückhaltend und anständig – alle beste Swiss-Ness. Ich scherzte zu ihm, dass er seinem Vater fragen muss, ob er weiterhin zu mir kommen darf. Denn er wird wild – mit mir. Alle Gongfu-Cha Video studierte er bereits in YOu-Tube. Als er die erste harte Stunde von mir erhielt, schrie er, dass alle diesen Filme nichts taugen. Ich sagte ihm, Gongfu Cha lernen ist nicht nur auf dem Teetisch schauspielen. Er muss lernen zuerst Dreck weg zu tragen und andere Menschen zu tragen. Also, „Wann willst Du denn putzen kommen? Frage Mal Deiner Eltern, ob Du kommen darst.“ Er kam zu putzen . sogar freiwillig! Als ich in Taiwan war, schrieb er mir APP, wie er mit Freude Shui Tang geputzt hat! Morgen wollte er zu Shui Tang kommen, Pakete auszupacken. Harte Arbeit, die ich nur widerwillig machen würde… Ich staune, was ist eigentlich das, was diesen 15jährigen Junge bewegt, für nichts zu arbeiten? Was ist das egentlich, was eine junge Seele anzieht, von einer alten „nutzlosen“ Kultur zu lernen?
Barry lernte ich zufällig kennen. Mein Englisch erlaubt mir nicht, tiefgründiges Gespräch mit ihm zu führen. Aber die Liebe zu der alten Kultur Chinas, Tee und Musik verbinden uns. Gestern kam er kurz vor seinem Konzert in Tonhalle für eine Stunde in Shui Tang. Ich erzählte ihm, was Tee und Musik mich bewegt. Er sagte mir, dass er einmal für einen Abend zu mir kommen würde für mich in Shui Tang zu spielen. Etwas zu improvisieren bei einer Tasse Tee – einfach so, für nichts und für Freude! Ich war sehr berührt. Nach seinem Besuch befand ich mich immer noch in der Sprachlosigkeit. Warum würde ein erfolgreicher Musiker, etwas tun für Tee?

Montag Abends wurde ich eingeladen zu einem Treffen, wo ein Journalist aus Taiwan kam und viele „erfolgreiche“ taiwanesische Geschäftsleute mit Botschaft zusammen kamen. Ich war der einzige Störfaktor in den ganzen Abend. Die eifrigen Taiwanese wollen die Schweiz als ein Erfolgmodell verstehen und verklären das, dass es alles wunderbar läuft in der Schweiz. Keine soziale Konflikte, keine politische Auseinandersetzung und keine Sorge für die Zukunft. Aus meiner teilnehmenden Beobachtung in Shui Tang, weiss ich, dass die soziale Scherer in Zürich immer und immer grösser wird – zwar in einem Ausmass, was ich selbst staune. Wie viel versteckte Armut und prikäre Wohlstand in diesem Land vorhanden sind, kann man einfach nicht Augen zumachen. „Du kennst nur arme Leute in der Schweiz.“ ettiketierte mich eine erfolgreiche Finanz-Expertin am Goldlküste. Ich stimmte ihr zu mit einem Schalk. Arme Menschen sind nicht armselig. Reiche Menschen sind reich an Sorgen. Das Geld ist nicht das Mittel, Menschen gegenseitig zu spalten, sondern das Mittel um das Leben zu erleichtern. Ich freue mich, Menschen mit wenigen Geld kennen zu lernen, genau so freue mich, reiche Menschen zu begegnen. Die Schweiz wurde verklärt, während Taiwan – unser Herkunftsland nieder gemacht wurde. Ich versuchte stets Gegenfrage zu stellen und störte den Abend. Ich versuchte, den Anwesenden klar zu machen, dass der Weg, so wie man heute geht – totale Fokus auf den ekonomischen Erfolg und die materielle Sicherung zum Krieg und Auseinandersetzung zwischen Generationen und Völker führen werden. Viele Menschen im Westen fangen an, auf Osten zu projizieren! Und was liefern wir denn eine Alternative für diese Menschen, die eine andere Lösung haben wollen, was ihre gewöhnte?
Was tun wir, während viele Menschen in Okzident anfangen, über ihre eigene Gesellschaft zu relfektieren und von der alten Kultur aus Fernosten lernen zu wollen? Wir haben uns doch selbst so entfernt von unseren Wurzeln! Das Kolletive – wenn ich es sagen darf – bleibt in China in der Haltung gegenüber Westen immer noch in der kollektiven Verletzung nach dem Opiumkrieg.
Wenn wir das Modell von Okzident ablehne, wie es seit 500 Jahren Raubbau an unserer Erde getrieben hat, was haben wir als ein Asiat, ein Modell von Orient zum Nachdenken anzuregen?
Ich habe viele Fragezeichen und wenig Weisheit. Ich spüre nur von meinem Herzen, dass es vieles nicht mehr so weiter geht. Wir sehen keinen Weg, weil wir immer im Kreis drehen, anstatt in uns zu glauben, dass die Zukunft in dem Reichtum unseren Herzen geboren wird – nicht ausserhalb von uns. Auch wenn ich in jenem Moment verspottet wurde, war es mir wichtig, zu mir zu stehen, obwohl ich es oft nicht kann.
Es ist sehr kalt in Zürich. Meine Augen und Fuss tun weh. Es ist die Zeit aufzuhören, weiter zu fragen…

Zeitfenster

Ich bin ein spontaner Mensch und habe sehr Mühe mit Agenda und Pünktlichkeit. Doroles fragte mich, ob wir ein Zeitfenster am einen Abend kurz vor meiner Abreise finden. Ein Zeitfenster? Ich bin entzückt von diesem Ausdruck!
Ein Zeitfenster! Wenn man an dieses Fenster anlehnt, könnte man die Zeit als Landschaft betrachten? Kann man aus diesem Fenster den Ablauf der Zeit festhalten?
Heute sagte Tämer, dass die Zeit in Shui Tang anders ticke.
Am den Teetisch in Shui Tang exisitert keine Zeit, nur Veränderungen.
Der Tisch gleicht ein Fenster, wo Zeit rasch vorbei zieht und kaum Spuren hinterlässt.
Als ich den Film Cloud Atlas anschaute, hatte ich das Gefühl am einen Zeitfenster zu stehen. Was hat die Zeit dort überhaupt zu bedeuten? Es sind bloss Wiederholungen von einem bestimmten Muster, das auf ein Durchbrechen wartet. Der Umweg, der wegen mangelnder Bereitschaft des Erkenntnis, eine Bedeutung erhält und uns etwas bereichert als Hinweise unserer Konditionierung. Ich weinte immer wieder im Kino. Was bringt einem, dass man weiss, etwas wiederholt wird? Was verhindert einen, wenn man weiss, dass er diesmal eine Chance hat?
Wie am einen Zeitfenster zu stehen – fühle ich mich, wenn ich den Buddhas Hand aus Shiding aufgiesse, wenn niemand anders bei mir ist, dann sehe ichmich vor vielen Jahren, als ich zum ersten Mal diesen Tee trank und mehr und mehr unbewusst auf diesen Teeweg hineingezogen wurde – ohne zu ahnen, was mein Leben verändert!
Als Nojiri Sensei vor paar Wochen plötzlich in Shui Tang auftauchte, liess sie mich nur eins wissen: „You must become normal!“ Ich muss wieder normal werden… sie meinte meinen Fuss – normal wieder auf Tatami zu gehen und Tee weiter machen! Sie schaute direkt in meine Augen und ich in ihre. „Yes, I will.“ Es war kein Versprechen, sondern eine Feststellung. Drei jahren waren vergangen, nachdem ich sie zum letzten Mal sah, was hat hinterlassen? In ihren Augen erkenne ich etwas wieder, was ich schon immer kenne – unsere Verbindung. Das Fenster zu dem Fluss der Zeit – ist unser Augen.
Vor zehn Jahren begegnete ich Peter in Ballenberg, als er noch dort die Drogerie führte. Er hat ohne mich zu kennen, mir einfach reichlich beschenkt. Etwas, was man nie mit Verstand begreift. 10 Jahre dazwischen, es sind vieles passiert… Wir sind uns nie wieder begegnet. 10 Jahre später tauchte er plötzlich vor meinen Augen in Shui Tang auf. Es war ein verschneiter Tag. Ich sah ihn und in seinen Augen erkannte ich etwas wider, was sich nicht verändern lässt. Es ging ihm nicht gut – und das musste er mir nichts sagen. Ich packte paar Dinge zusammen, die mir in jenem Moment einfielen und schenkte ihm weiter. Er schaute mich kurz an und öffnete die Tür und verschwand in die Dunkelheit. Wir werden uns wiedersehen. Es war wie ein leicht geöffneter Fenter der Zeit. Eine kleine Spalte, als ob man etwas dadurch erahnen könnte.
Wir hatten tatsächlich einen Zeitfenster gefunden und gingen essen und trinken. Ihre geistreiche Art tröstet eine reisende Seele zwischen Welten sehr. Auch ich bin bereit mein Leben zu verändern und zu lernen, meine Muster durchzubrechen. Vielleicht werde ich am letzten Tag in Shui Tang nicht vor Nervenzusammenbruch weinen, auch wenn ich in den letzten drei Jahren immer an diesen Tag tat. Vielleicht lerne ich auch einen Uebergang zu schaffen vor Hier und Dort. Vielleicht lehne ich öfters an einem so genannten Zeitfenster und schaue einfach nur zu, was geschieht.

Keine Spuren hinterlassen

Freundin Sara kam aus Machu Picchu zurück mit zwei leuchtenden Augen. Das sei ein Ort, wo ich unbedingt einmal besuchen muss! Ein Ort, wo sie sich sehr nah zu sich selbt fühlt, ein Ort, wo sie ihr Herz zuhören kann – beschreibt sie. Ich nickte meinen Kopf, der Wünsch dort einmal zu sein war bereits in meiner Kindheit. Aber jetzt nicht. „Fühlst Du Dich eingeschränkt in Zürich?“ Ich schüttelte meinen Kopf. Seit Sommer war es mir auf einmal bewusst, nachdem der linke Fuss schwer verletzt wurde, dass unser Leben ein Fluss ist. Wir wissen nie, wie es weiter geht. Ueberaschungen sind immer bereit bei jeder Kurven und bei jedem Absturz. Auch wenn wir glauben, etwas begriffen zu haben, werden wir wieder zu uns selbst geworfen. Ein plantes Leben wird in Frage gestellt. Eine druchgedachte Tat erscheint lückenhaft. Eine Zerissenheit von ja und nein. Ein Ort, wo man sein Herz zuhören kann, hört sich wie ein Wunder an. Aber eingeschränkt fürhle ich mich nicht mehr. Ich fühle mich frei, weil ich nicht weiss, was demnächst passiert. Eins möchte ich tun, Dinge so weit zu erledigen, wie ich es kann. Die Dinge zu richtigem Ort zu bringen, das Feld so weit aufzuräumen und einzuordnen, falls der Fluss woanders hinfliesst, kann jemand anders es frei gestalten.
Keine Blume, keine Fussspur: wo ist der Mensch?

Der junge Tim lernte heute Matcha sieben. Sieben, eine ganz einfache Akt. Scheinbar. Seine Finger wurde von schönen feinen Matchastaub gepudert, der Tisch bekam viele grüne Spuren und der Sieb war verstaub von Aktion. Er lernt, muss lernen, sich wieder von diesem Staub zu befreien und seine Spuren samt Matcha schwinden zu lassen.
Das erste, was wir einen Tee anfangen, ist die notwendige Spielzeuge in ihrer Position zu bringen. Entsprechend zu plazieren, um keinen Schritt zu viel, keinen Schritt zu wenig zu handeln. Wenn man es ins Leben umsetzt, wird das Leben entsprechend einfacher.
Während des Tees – das hat Tim gelernt – wach zu bleiben, unnötige Dinge stets aus dem Feld aufzuräumen und den Raum frei zu schaffen, für das, was kommen kann, zu emfpangen.
Nach dem Spass vom Tee ist das wichtigste aufzuräumen. So aufzuräumen, als ob man nicht da gewesen wäre, so dass der nächste an den Platz kommen kann, den Raum frei zu gestalten.
Das lernt man als erstes im Tee, das erstes im Zen, keine Spuren zu hinterlassen. Es ist eine Bewusstseinssache, wie jeder mit diesen Dingen umgeht. Die meisten Menschen sind zu unbewusst, mit eigenen Spuren. Nicht das, dass man spioniert wird, ein Problem sein kann, sondern das, dass unsere Spuren eine Last wird für die anderen. Unsere Spuren können den Anfang anderen Menschen belasten. Das ist nicht schwer zu belegen, schauen wir einfach unsere Erde an und fragen einfach, was für eine Erbe unsere Kinder erhalten? Das ist das, was wir als Kahrma nennen!
Erika fragte, weshalb diese Haltung mich beschäftigt? Es sei unsinn, die eigenen Spuren zu spotten. Es sei mein Muster, immer wieder vor einer halbfertigen Bauruine abzuhauen. „Diesmal bleibst Du hier.“ Es ist vielleicht die Atmosphäre von Jahresende, vielleicht ein Anflug von Bilanz ziehen zu wollen. Shui Tang hinterlässt viele Spuren. Ich spüre eine Wendung, einen neuen Anfang. Gerne möchte ich mein Leben wie eine Teeübung praktizieren. Wieder von Anfang die Spielzeuge neu in den Raum hineinzutragen, noch einmal zu plazieren und wieder einmal neu hinzusetzen. Bevor diese neue Wiederholung Platz bekommt, ist der Raum aufzuräumen. Ich baue keine Bauruine, versichere ich sie. Ich will meinem Leben auch eine Chance geben. Ja, ich will es. Wir wissen halt nicht, wohin der Fluss des Lebens fliesst.
Gestern kam ein Herr aus Genf. Er fragte mich zum X-Male: Warum sind Sie in Zürich? Ich antwortete nicht. Er fuhr weiter mit seinem Satz: „Sind Sie in einen falschen Zug eingestiegen?“

Heimkehrer

X-Male wurde ich gefragt, warum ich in Zürich bin.
X-Male wurde ich gefragt, warum ich Tee mache.
X-Male wurde ich gefragt, warum ich nach Europa kam.
Irgendeinen Grund finde ich immer diese Frage zu beantworten.

Meine Eltern haben mich nie diese Frage gestellt.
Meine Eltern wissen nie, was ich hier mache.
Wenn sie mich tatsächlich fragen, weiss ich nicht, was zu sagen.

Als ich zum ersten Mal in Brüssel Cha No Yu sah, erfuhr ich ein glückliches Gefühl. Ein Glücksgefühl wie zu Hause angekommen zu sein. Ein Gefühl, wo man zugehörig ist, ein Vertrauen, dass man so sein kann wie man ist. Auch wenn meine Füsse stets während der Temae schreien, bin ich glücklich, wenn ich mich wie das Wasser mit dem Rythmus wie Meeresbrandung im Raum bewege.
Das Zuhause war nicht immer geborgen. Nicht geborgen, weil man dort zu etwas erwartet wird. Nicht geborgen, weil man aus einer Tradition stammt, die einem Wünschbild seinem Leben prägt und man stets das Gefühl hat, es nicht gerecht zu werden und sich wie ein Versager fühlt.
Jean kam wie viele andere junge Studenten aus Taiwan gerne zu mir und unterhielt sich über das Leben nach ihrem Abschluss. Wohin geht es weiter? Der Heimweg scheint unendlich weit zu sein. Ist es normal, fragte sie mich? Ich tröste sie, dass sie nicht allein ist. Jedesmal wenn ich ins Flugzeug steigt, überkommt mir wieder das Gefühl, ein Versager zu sein. Versager – weil man die geliebten Menschen daheim enttäuscht.
Gestern Abend sass ich mit Sara zusammen in Zazen. Ich war sehr müde, wollte unbedingt die Zeit in mich selbst investieren. In der Müdigkeit wurde plötzlich aufeinmal alles sehr präsent – die Geschichte der Mauer in dieser sehr alten Stadt. Diese dicke Mauer, die oft keinen Empfang von Handy verursacht, vermag die Menschen auf eine ganz andere Art miteinander zu kommunizieren. Es ist wie ein Zeitloch.
Die blutigen und willkürlichen Kämpfe um die so genannte Wahrheit und Machtausübung der Zunftleuten verflochen zusammen zu einem schmerzhaften Erinnerungsnetz, was durch die Mauer zu Sparche kam. Es war die Geschichte dieser reichen Bankenstatd, die nun einmal mein Zuhause geworden ist.

Was steckt hinter dieser Mauer?
Was steckt hinter dieser Fassade dieses Reichtums?
Warum bin ich hier gelandet?
Nach dem Zazen erzählte Sara mir, dass die Sehnsucht von Zuhause in jedem Menschen steckt. Das wahre Zuhause ist nicht mehr an einem Ort fest zu binden. Sie hat das Gefühl, dass sie geboren wurde, um Menschen zu begleiten nach Hause zu gehen. Deshalb studiert sie C.G.Jung und ist hier in Zürich.
Neben dieser dicken Mauer war es mir klar, dass das Zuhause keine Vorstellung und keine Idee ist, sondern ein tiefes Gefühl von der Verwurzelung, wo man hingehört.
Vielleicht ist man geboren, weil man eine Vision und einen Traum hat zu vollenden. Durch diesen Traum oder Vision ist man gebunden mit den Weggefährten, die gemeinsam es zur Vollendung bringen. Das Leben gehört uns sehr wahrscheinlich nicht alleine, nur der begrenzte Körper, den wir mit Liebe pflegen müssen.
Sara erzählte mir weiter, dass der Wünsch nach Hause oft Mitte im Leben immer stärker zur Sprache kommt. Das kann so heftig für viele Menschen sein, weil sie sich von ihrem geplanten Leben verabschieden müssen, um nach Hause zu gehen.

Das Leben ist wie ein Fluss, wir wissen nie wie es weiter geht.
Jean umarmte mich als sie wieder zum Schreibtisch ging. „Schwester“ sie sagen alle zu mir so, „es ist so schön ein Zuhause in Zürich zu haben. So ein warmer Ort!“
Ich sehe Menschen kommen und gehen. Niemand kann niemanden aufhalten. Nach Zürich wollte ich schon immer, ich wusste bloss nicht. Wie es weiter geht, weiss ich auch nicht. Das einzige, was ich weiss, ist das, dass ich hier etwas zu tun habe. Einen Garten in mitten dieser Stadt, wo die Schönheit des Lebens zerebriert wird, anzulegen. Hier werden Menschen, die sich zugehörig fühlen, zusammengeführt und es zur Vollendung zu bringen. Keiner weiss warum. Dieser Garten ist jetzt der Tee.

Etienne

Etienne

Diesen kleinen 10jährigen Junge lernte ich vor einer Stunde kennen.
Es war Walters Vernissage. Walter hat immer gesagt, dass er mich gefunden hat. Ich stand gerade an der Tür, Shui Tang war gerade ein zwei Tage alt. Seit drei Jahren teilen wir ein Stück den Altstadt-Alltag Zürichs und ein Stück der gleichen Lebenseinstellung zum Leben – Konzentration auf das Wesentliche. Zu seiner Kundin zähle ich nicht, zu wenig betucht. Heute stellte er seine selbst entworfene Uhr dar.
Ich hasse Apero. Ich ging heute trotzdem hin nur wegen Walter. Als Freundschaftsbeweis hielt ich ein Glas in der Hand und schob ein bisschen Häppchen in den Mund, guckte mir die Gesichter an – ein Blick in den Zoo.
Ich wollte gehen und lief unbewusst zu Grossmünster. Dann entdeckte ich den kleinen Junge, der die Musik zuhörte. Er war so alleine. Er stand neben dem beleuchteten Schaufenster von Musik Hug und stand alleine auf der Treppe zum Helmhaus. Sein Schatten strahlte eine Ernsthaftigkeit aus. Er hörte konzentriert auf die Musik, die von anderer Strassenseite zu uns wehte. Es war Amadeus.
„Hey!“ Ich stand unauffällig neben ihm. „Was für schöne Musik, nicht wahr?“
„Ja.“ er war nicht erstaunt von mir angesprochen zu werden. „Ich liebe Amadeus!“
„Ja? Ich liebe Bethoveen!“
„Er ist ein bisschen verrückt.“
„Ja, ich auch.“
Er lachte. Er erzählte mir, dass er Klavier spielt und Musik liebt. „Stellen Sie Sich vor, wenn es in Zürich keine Musik gäbe! Es ist so schön, jetzt hier Musik zu hören und diese Kulissen zu sehen.“ Ich staunte über seinen Ausdruck. „Wie alt bist Du?“ „10! Morgen werde ich 11!“ er spannte seine Hände, um seine Grösse noch grösser zu machen.
„Waren Sie schon einmal in Dielsdorf?“ er erzählte mir mit einem romantischen Blick, „es ist die schönste Alpenpanorama, was Sie jemals sehen können! Das schönste Dorf bei Zürich!“ Er sagte, wenn Fön kommt, das Panorama der Bergen zu sehen ist, dann hört er so gerne Amadeus!
Plötzlich hörten wir ein Stück Winter von Vivaldi aus der anderen Strassenseite. Es war so schön neben diesem auferwecksten Junge, vor diesem wunderbaren nächtlichen Panorama bei dieser Musik. Plötzlich fing ich an zu weinen. Er schaute mich mit Fragezeichen an. „Ach, es ist so wunderschön.“ sagte ich. Er nahm meine Hand und zog mich auf anderer Seite. Er wollte mir einen anderen Blick von Zürich zeigen. „Schauen Sie – “ er schaute zu mir, „ist es nicht wunderschön?“ Ich lachte neben meinen Tränen. Ja, irgendwann wird er so weit sein, mit seinem richtigen Mädchen hier her zu kommen, ihr den schönsten Platz Zürichs zu zeigen.
Er will unbedingt nach New York City. Er will ein grosser Architekt werden. Er will Wolkenkratzer bauen, weil Wolkenkratzer so nah am Himmel ist! „Willst Du einmal fliegen?“ „Ich will weg! Ich will weg! Ich will in den Himmel fliegen.“ Ach, so süss, dachte ich.
Ich stand auf. „Ich gehe jetzt nach Hause.“ Er sagte nichts. „Ciao.“ winkte ich. Ich lief weiter und hörte kleine schnelle Schritte. Er lief mir nach, aber mit einem Distanz. „Ich will auch ein bisschen laufen.“ er sagte bloss so. Er hielt plötzlich auf der Strasse auf uns sagte, er würde jetzt so gerne am Fluss sitzen, den Fluss zu betrachten und Musik hören. Ich kniete und machte mich so gross wie er, damit er meine Augen sehen kann. „Ettienne, ich werde an Dich denken und den heutigen Abend nicht vergessen. Du wirst ein grosser Architekt werden!“ Er nickte seinen Kopf und schaute meine Augen an. Er berühte kurz meine Waschbärkappe. „Wenn Du willst, ich bin an der Spiegelgasse. Dort wirst Du mich finden. Wir können die schönste Musik von Bach hören! Weiss Du, seine Musik ist sehr sehr nah am Himmel – an den Sternen!“ dann stand ich auf, „Gehe zu Deiner Mutter. Sie wird sich Sorgen machen um Dich!“
Er hat nie nach meinem Name gefragt. Er weiss bloss, es war eine unbekannte Person mit einer Waschbärkappe. (Diese Begegnung hört sich so an wie das Stück von John Williams „Going to School„.)

Eine Klause wo Kiefer und Wolken verweilen

Atong zeigte mir im hitzigen Sommer einen seltenen Oriental Beauty. Hässlich, sagte ich – unregelmässige Blätter und zerstückte Erscheinung. Er grinste und machte einfach den Tee in Gaiwan: „Dieser Tee ist so wie so nicht für Dich gedacht.“ Er wollte ihn nach Hongkong verkaufen. Als der Gaiwan abgedeckt wurde, stieg ein unglaublicher Duftwolken auf. Ich atmete tief und fand mich in einerm Sommergarten. Die farbigen Blumen duften nach Marzipan, nach Nektar. Die Bienen summen. Früchte reifen. Es ist die Zeit für ein Fest! Ein Fest der Sinne. Hmmmm, ich schloss meine Augen und machte sie wieder auf. Blitzschnell sagte ich zu Atong, „Nein, das geht nicht. Du kannst ihn nicht nach Hongkong verkaufen. Ich will ihn. Alles.“ Ich bin eine Dealerin, wenn es schnell sein muss, bin ich es eben. Ich weiss, dass man im Leben selten solche Perle treffen kann! Er lachte und streichte mein Ego, „Mädel, Du bist nicht schlecht. Man kann einen Tee eben nicht per blosse Augen und Nase betrachten!“
Als ich You kennen lernte, dachte ich auch, was für einen uninteressanten Menschen? Schweigsam und kaum Gesichtsausdruck. Atong mag ihn nicht besonders. Ich erzählte meinem Lehrer trotzdem, wenn ich ihn besuchen ging. Eine aufrichtige Beziehung möchte ich mit meinen Menschen führen, auch wenn sie es nicht gerne hören. Die Kollegen erzählten mir, dass You ein guter Geschäftmann sei. Seine Kunde seien sehr treu zu ihm. Er habe gute Strategie, Geschäft zu führen. (Während ich diese Zeilen schrieb, bekam ich gerade SMS von Alexander. Er schrieb: „Ein Mann sucht Dich gerade in Shui Tang. Du verkaufst Opium, nicht Tee, oder?“ Sehr wahrscheinlich hat er recht. Ich weiss nicht einmal, was ich wirklich verkaufe.)
Ob You ein guter Geschäftmann sei, ist seine Sache. Mit mir hat er selten gutes Geschäft gemacht. Dank Finanzkrise 2009 habe ich sehr viele wertvolle Teesammlung und Kanne erwerben können. Ohne ihn wäre es alles nicht möglich. Er hätte daraus ein gutes Geschäft erzielen können, aber er hat mir ermöglicht für Shui Tang, eine gute Fundament aufzubauen. Dafür bin ich sehr dankbar. Man lernt sich eben unbefangen kennen, weil man nur achtet, was getan wurde anstatt gesprochen. Er kennt mich nicht gut, besorgte mir alles, was ich ihm bloss einmal erwähnte: die wertvollen Kalligraphie, die Malerei, die in Shui Tang hängen. Die Siegelsteine, die er für mich selbst anfertigte. Die Lernmaterialien von seltenen Pu Er Tees. Auf einmal interessiert er sich für meinen Geschmack von Musik und Pina Bauch, weil ich meine Gedanke um Tee, Musik und Bewegung mit ihm austauschte. Ich weiss, dass er nicht ein Geschäftsmann ist. Er ist getarnt als ein Geschäftsmann, in der Wirklichkeit ist er ein typischer chinesischer Intellektueller aus der alten Zeit.
In der chinesischen Kultur, so wie ich vermittelt wurde, leben Menschen über die Zeit und den Raum. Wenn Menschen sich begegnen, handelt sich nicht um die Dauer und den Ort wo man sich begegnet, sondern den Geist zu Geist, Herz zum Herzen. Wenn es stimmt, stimmen andere Dinge von sich alleine. Im Westen spricht man gerne, um voneinander zu verstehen. Für mich, ist die Kommunikation anders. Ich muss doch keine Frage stellen, um eine Person wirklich kennen zu lernen. Ich muss es nur wahrnehmen. Das, was Menschen uns präsentieren, ist oft nur das Bild, was sie gerne selbst glauben. Das Wesentliche sieht man nur mit Herzen gut.
Ich spüre eine Klarheit und Zartheit, was der Pu Er, den ich in Shui Tang habe, für seinen Produzenten spricht. Ein klarer empfindsamer und in sich geruhter Mensch.
Er trennt sich nun von seinem alten Geschäftspartner. Im Januar eröffnet er sein eigenes Geschäft. Er schrieb mir heute ein SMS und wollte meine Meinung hören, ob der Name „Ein Klause wo Kiefer und Wolken verweilen – Song Yun Cao Tang“ mir gefällt. Ein Refugium, wo er für sich selbst gefunden hat. Ich sollte diesen Name ins Englisch übersetzen – eine komische Idee von ihm. Ich muss Joseph fragen, wie man es richtig übersetzt. Ich wünsche ihm alles Gute und danke ihm als ein Weggefährte.

Pause

Es schneit. Ich habe den Anschluss verpasst. Als ich in Zürich eintraf, war bereits gegen 16 Uhr. Für ein richtiges Essen war es schon zu spät oder zu früh. Ich ging zu McDonald’s. Das Restaurant ist im UMbau. Es herrschte Lärm und Arbeitsamkeit. Paar hungrigen sassen zwischen den Baustelle. Soll ich hier bleiben? Unbehagliche Arbeitsamkeit störte, aber ich brauche eine Pause. Ich teilte einen Tisch mit einem Junge, der seine Ohren an ein iPhone steckte und sich in einer anderen Realität befand. Ich kaute langsam mein „Blötchen“ und liess den Kopf ausseralb dem Lärm versetzen. Mit jedem langsamen Atmungszug und mit jedem Kauen wurde ich immer mehr verschmolzen in dieser Baustelle. Ja, das Leben ist eine ewige Baustelle. Was solls? Plötzlich genoss ich diese Pause, plötzlich genoss ich die Situation, dass die anderen arbeiten und ich zuschaue. Plötzlich spürte ich ein brise von Frieden in mitten diesen Baustelle.
Auf einmal merkte ich, wie anspruchslos die Menschen hier waren. Sie waren wie ich, hungrig und wollte ein bisschen Pause, ein bisschen irgendwo bleiben und ein bisschen Wärme in diesem verschneiten Tag.
Irgendwann ist die Pause vorbei, es geht weiter. Unweit von diesem Provisorium ist das Lunch-Kino. Ich sah meinen Held Mads Dittmann Mikkelsen (Wahnsinn!) und schob wie hypnortisiert die Tür. Während meine Augen weiter nach ihm suchte, sagte eine ältere Schweizerin zu mir, „Sie haben meine Flyer in Ihrer Hand.“ „Ach, Verzeihung!“ ich lächelte leicht verlegen. „Sie sprechen so gut Deutsch! Wie schaffen Sie es?“ „Ich gebe mir Mühe.“ Irgendwie fing die ältere Dame an über die Überfremdung der Schweiz bei mir anzuklagen. Keine Ahnung warum – ich bin selbst doch eine dieser Überfremdung. Ich zeigte mein Verständnis, dass es menschlich ist, wenn man sich in eigenem Land fremd fühlt. „Aber wissen Sie, wenn man die Sprache von unserem Land sprechen würde, würden diese Menschen auch besser akzeptiert.“ Ich schüttelte meinen Kopf. „Wissen Sie, wenn Herzen sich begegnen, braucht es keine Sprache.“ ich schaute sie direkt ins Augen. Sie packte ihre Tasche aus und wollte mir ein Zettel geben, wo Gott liebt Dich auf Chinesisch steht. Ich lachte. „Das müssen Sie mir nicht geben. Das weiss ich! Ich weiss, dass Gott mich auch als eine Heidin liebt.“ „Ach ja? Möchten Sie es nicht mehr erfahren?“ „Nein, es ist nicht nötig. Gott verlässt so einen wie mich auch nicht. Glauben Sie mir, Gott liebt mich.“ Plötzlich umarmte ich diese verwirrte fromme Frau, „Schauen Sie gut zu Ihnen. Versuchen Sie ein bisschen Frieden in dieser kalten Zürich. Wenn es Ihnen wirklich nicht gefällt, wie es abläuft, dann gehen Sie in die Strasse! Ein bisschen Revolution tut allen gut.“ Mit einem verwirrten Blick segnete sie mich „Jesus liebt Dich.“ Ich lachte ein wenig ketzerisch, „Ja, ich weiss. Das hat er mir vorgestern gesagt.“ Ich weiss, sie würde mir niemals glauben.
Ich musste weiter an die Spiegelgasse. Morgen gibt es wieder Sitzung mit Krawatten-Träger. Kurz in Bellevue stand ich, achte auf meinen Atmungszug. Vielleicht stosst dieser Atmungszug einen anderen. So langsam ergibt es sich eine Resonanz in dieser verrückten Stadt und dann möglicherweise eine friedliche Welt.

Ichi go ichi e

Ichi go ichi e

Jdes Treffen ist einmalig – Ichi go ichi e. Ein Slogan für Werbung des Tees, ein Spruch im Teeraum, was man als poetisch bezeichnet. Aber jeder weiss, dass es irgendwann wahr wird.
Der Teeraum ist mir vertraut und die Teatoys ebenfalls. Er hat zwei Schale hingestellt, die ich ihnen einst mitbracht. Meine Teeeltern in Bodman sind heute von der Vergänglichkeit geprägt, nur der Raum bleibt, so ich den immer kannte. Bevor Detelf den Tee machte, ging ich zuerst unkonventionell zu meinem Platz vor der Speicherheizung. Ich hatte kalt und war geschwächt, möchte einen Schutz suchen, wo die Dinge vielleicht nicht so schnell wandeln. Plötzlich merkte ich, dass auch ich vergänglich bin.
Ich lernte Deltef vor 19 Jahren kenne, als mein Studium in Konstanz anfing. Ich war ein stolzes Mädchen aus Taiwan und wollte mit dem besten Titel nach Hause gehen. Detlef war mein Magistervater und begleitete mich auf diesem akademischen Weg. Er hat mir immer gesagt, als ich mich noch sehr an die von Abendland dominierte Wissenschaft verhaftete: Frau Chou, vergessen Sie nicht, woher Sie kommen. Das Studium war nicht ein Abenteuer, die Menschen waren es. Wir haben in der Prüfung gestritten und ich bekam das einzige 2 (gut) in meinem Zeugniss von ihm. Nachdem er mir den Umzug von Konstanz nach Zürich half, wollte er mit mir fast nie mehr sprechen. Er war total sauer auf so eine unmögliche Frau aus Fernost, die ihre Finger nicht schmutzig machen konnte.
Er brachte mich auf dem Teeweg. Er ist mein Teevater, scherzen wir. Er schaut im Schweigen die abwechselnde Landschaft meines Lebens zu und verschmähte meinen akademischen Verusch. Und der Laden ist ähnlich wie das Handy oder neue Technik für ihn – er klammert es einfach raus. Er belächelte mein Klosomat, „Menglin, hast Du auch normale Papier für den Stromausfall?“
Jahr für Jahr praktizieren wir zusammen in Bodman unser Teespiel. „Menglin, wann kommst Du wieder, mit uns zu spielen?“ Ich komme. Ich komme so gerne. Wir spielen den behinderten Tee, eine Uebung, die viele komplizierten Schritte ersparen. Wir spielen Kaiseki auf deutsche Art. Wir diskutieren, was der Teeweg wohl im Europa sein sollte. Er reflektierte die selektierte und beabsichtigte Art des Tees und plädierte das spontanen freien Zusammenkommen. Warum sollte der Gast vorher wissen, dass er jetzt zum Tee kommt? Warum sollte der Gastgeber sich vorbereiten, weil ein Gast kommt? Warum sollte es nicht einfach so sein, wenn das Leben ein Fluss ist, einen Fremden eine Schale Tee zu servieren, egal ob und wie er diese Schale annimmt?
Wir machten an jenem Nachmittag tatsächlich nur den behinderten Tee. Mein Fuss war behindert. Er hatte Schmerzen. Ingrid wollte nur einfach dabei sein. Als ich ihm sagte, dass ich nicht knien kann. Seine Augen waren verzweifelt. Ich schluckte meine Schmerzen und nickte meinen Kopf, „Doch, ich versuche es.“ Ich liebe diese Menschen und bin bereit alles dafür zu tun, damit es ihnen gut geht. Denn wir wirklich nicht wissen, wie es weiter geht.
Der Tee in der schwarzen Raku-Schale war wie immer wunderbar. Mein Fuss hat es geschafft, auch wenn die Schmerzen unvergesslich wurden. Wir waren glücklich, nicht in der Erinnerung glücklich, sondern im Hier und Jetzt – wer weiss, wie es weiter geht.
Er hat all seine Holzkohle verschenkt. Irgendwann werde ich einen Auftrag wohl erhalten, unser Spielzeuge zu richtigen Händen zu bringen. Auch das Wasser im Ro musste ich nicht mehr auschöpfen und putzen. Es schien ihm egal zu sein.
Nur den Fisch musste ich noch preparieren. Ein Essen mit mir und mit dem Fisch schien noch heilig zu sein. Das Gespräch war immer noch geistreich, nur bestimmte Themen wurden immer mehr ausgelassen.
Keine Spuren zu hinterlassen. Das war unser Training. Vor jeder Reise bereite ich das Leben so vor, als ob ich nie wieder zurück komme. Keine Spuren zu hinterlassen… Wir wissen nie, wie es weiter geht.
Ichi Go Ichi E, jedes Treffen ist einmalig. Er bracht mir meinen Mantel. Seine Hände fielen paar Sekunde auf meinen Schulter. Wasser tropfte auf meine Hand. Ich stieg in das schwere Auto ein. Es fing an zu rollen. Wir können nichts aufhalten – nicht einmal die Veränderungen. Mutig fuhr ich weiter in die Dunkelheit.

Schmetterlingstraum

Meine Kindheit ist geprägt von einem grossen sehr alten Haus mit Höfen und Winkel. Ich hörte gerne Geistergeschichte und das alte Haus bot die besten Kulissen. Ein Haus, der schützende Ort und zugleich der Ort der Abscheu.
Mein Grossvater war der Hausherr, der seine Aufgabe nie wirklich wahrnahm. Er rauchte und trank. Jedes Mal schickte er uns, um Sake zu kaufen, wenn er seine Bekanntschaft zu Besuch kam. Dann tranken sie und sangen. Der Geruch der Männer assoziierte ein kleines Mädchen mit Sake. Ich wusste irgendwann, dass er ein anderes Leben führte, bevor Taiwan chinesisch wurde. Einmal erzählte er mir, während ich in unserer Küche etwas experimentierte, dass er meiner Grossmutter immer treu war, obwohl das männliche unterhaltsame Leben wie in Filme für ihn alltäglich war. Er war wahrscheinlich schon zu viel getrunken. Für mich war es nicht wirklich klar, wie wichtig er mir so etwas erzählen wollte. Es war das einzige Gespräch zwischen uns kurz vor seinem Tod. Ich habe kein Recht, ihn zu verurteilen. Treu oder nicht, ist eine Frage des Egos. Man kann eben niemanden etwas erzwingen und trägt die Last des Herzen auch für sich alleine.
Viele Leute wollen zum Tee wechseln, weil sie weg von Alkohol haben wollen. Ich erwidere immer, „Ach, wie Schade!“ Alkohol ist doch etwas Wunderbares. Eine Sucht ist eben eine Sucht. Warum sollte Tee besser als Alkohol sein? Die Abhängigkeit liegt an Menschen, nicht an Tee oder Alkohol.
Ich trinke nicht unbedingt gerne, aber bewusst. Als ein Ausgleich zum Tee gönne ich mir öfters ein Bier oder eine Flasche Champagner. Sake ist natürlich noch besser. Betrunken von Sake ist wunderbar, leicht neblig und doch fröhlich. Man macht kaum Fehler, ist nur betrunken. Dann denke ich oft an meinen Grossvater, der für mich eine andere Zeit präsentiert, die fast verschwunden ist in der heutigem so genanntem China. Wie hat er sich immer gefühlt, wenn Sake ihn betäubte? Hat er sich auch so gefühlt wie ich, wie Zhuangzi in einem Schmetterlingstraum flattert? Sich wohl und glücklich fühlt und nichts von dem Leben des jetzigen Daseins?
Macht der ewigen Wandel meinen Grossvater zu schaffen? Macht die ewige Wandlung und Wanderung mich zu schaffen? Jedes Mal trank er seinen stark gerösteten Tie Guanyin um Kater zu reinigen – ganz alleine, ruhig und unauffällig. Der ewige Wandel hat ihn im Griff, er passte sich an die neue Situation des Landes und zog sich einfach zurück in der Gleichgültigkeit. Ich kann dem Wandel auch nicht entziehen, habe nur Mühe in diesem Fluss zu bleiben. Manchmal sehne ich mich nach einem Schmetterlingstraum und vor Angst vor danch mache ich mir immer danach einen starken alten Pu Er. Er tröstet.

昔者莊周夢為胡蝶,栩栩然胡蝶也,自喻適志與!不知周也。俄然覺,則蘧蘧然周也。不知周之夢為胡蝶與,胡蝶之夢為周與?周與胡蝶,則必有分矣。此之謂物化。
„Einst träumte Dschuang Dschou, dass er ein Schmetterling sei, ein flatternder Schmetterling, der sich wohl und glücklich fühlte und nichts wußte von Dschuang Dschou. Plötzlich wachte er auf: da war er wieder wirklich und wahrhaftig Dschuang Dschou. Nun weiß ich nicht, ob Dschuang Dschou geträumt hat, dass er ein Schmetterling sei, oder ob der Schmetterling geträumt hat, dass er Dschuang Dschou sei, obwohl doch zwischen Dschuang Dschou und dem Schmetterling sicher ein Unterschied ist. So ist es mit der Wandlung der Dinge.“