Ich bin wieder da in Europa. Es ist nicht die Kälte, der Nebel und die Sprache, was diese Grenze bemerkbar macht, sondern die Atmosphäre, die Menschen umhüllt.
Kulturschock, egal wie man es nennen wollte, findet in jedem Moment statt. Die Ignoranz und Vorstellung über Asiaten (vor allem Asiatinnen), das ernste Gesicht der entgegenkommenden Menschen und die bestimmende mitteleuropäische Art der Dienstleistenden (die schlechte Bedingung im Laden und Restaurant) brachten mich immer wieder zum Aufregen. Phänomenen, wenn ein Fremder wieder „zurückkehrt“…
Jahrelang habe ich beklagt über oberflächliche Art der Schweizer Freundlichkeit und Selbstverherrlichung der Schweizer Denkweise. Ich wusste nicht, dass es um einen Prozess der Verarbeitung als ein Fremder unter den Fremden geht. Fremd, sind ich oder die Schweizer? Probleme von mir oder von den Schweizern?
Marisa kam mich heute besuchen. Sie ist in Argentinien aufgewachsen und von deutscher Abstammung. Eine akzentlose Sprache spricht sie, aber fühlt sich hier fremd. „Ich bin eine Argentinierin.“ Wir tranken einen Huang Jin Gui, ein Oolong der sich über die Meeresgrenze aus China nach Taiwan ansiedelt. Beim Tee ist es alles einfacher, er gewöhnt sich an das Klima und schlägt seine Wurzel ein oder auch nicht. Bei seiner schlechten wirtschaftlichen Aussicht wird er ausgerottet oder im Leben gelassen. Aber Marisa erzählte mir von dem Leiden ihrer Mutter als ein deutscher-argentinischer Einwanderer, der einst hier zu Hause war. Sie schafft nicht, sich von der Umgebung zu distanzieren und fühlt sich von den neugierigen und fremden Blicken und Denkweise betroffen. Verloren unter den Fremden. Sie kapselt sich ein und lebt wie auf einer Insel in Hamburg. „Menglin, nehmt Probleme des anderen nicht auf Dich. Es sind Probleme des Anderen, die nur aus ihrem Auge die Welt so anschauen zu wollen. Sie waren noch nie an der Grenze, auch wenn sie in Hilton in Bangkok oder Delhi hocken…“ Ich weinte in diesem Erkenntnis, dass das Schicksal eines Menschen, der sich an der Grenze bewegt, eben ein Fremder ist. Er überschreitet seine Grenze, die einem Geborgenheit, Sicherheit und Selbstverständnis bietet. Er verliert alles, was ihm einst Halt gab. Seine Kohärenz wurde inkohärent, seine Geschichte wurde brüchig, sein Verständnis wurde zum Unverständnis. Er kommt mit seiner Emotion nicht klar, die von Missverständnisse und Unverständnisse hervorbringen. Er muss es verstehen wollen – sich selbst und Anderen -, so dass er zur Ruhe kommt. “ Was ist mit unserer multikulturellen Gesellschaft und interkulturelle Kommunikation?“ „Eine Chance von Anderen zu lernen, sich anzuschauen. So wie der Tee, wie Du Tee zubereitest! Wir haben die Chance von Dir zu lernen, was Tee ist und was für eine faszinierende Welt im Tee sich versteckt.“ „Von Anderen lernen? Wie denn? Wenn man sich nie an das eigene Weltbild zweifelt und das Eigene für das Beste und selbstverständlich hält?“
Zur Ruhe kam ich durch den Tee. Tee sagt uns nicht viel. Man kann ihn so oder so sehen und trinken. Es ist Aufgabe des Menschen, der das Beste aus dem Tee ausschöpft oder nicht.
Es ist mein Problem, wenn Schweizer oder Deutsche anders sind als ich. Sie sind anders und es ist so in Ordnung. Ich behalte gerne diese Distanz als ein Fremder in der Gesellschaft. Es ist ein Privileg.
Fremder, ich bin gerne ein Fremder. Nicht im Aussehen und auch nicht in der Aussprache. Ich bin gerne und bleibe gerne ein Fremder im Anders-Denken.