Archiv für den Tag 21/12/2008

Tee, Musik und Literatur

Am 11.01.2009 findet eine interessante Veranstaltung mit Tee, Musik und Lesung in Zürich statt.

Ort:

Galerie Seï-un-do, Gemeindestr. 19, 8032 Zürich

Das japanische Teehaus-Galerie wird ab dem April nur im Internet präsent sein. Frau Ikeda nimmt ihren Abschied mit dem zürcher Publikum nach neuen Jahren Arbeit. Es ist um so interessant, diese Veranstaltung nicht zu verpassen.

Veranstalter: Teeclub Schweiz. Anmeldung hier.

11.01.2009 (So.) 14-16 Uhr

Eingeladen sind:

Dirk Sikorski – Lesung

Wolfgang Heßler und Chizuko – traditionelle japanische Kammermusik

Diese Idee von Tee, Musik und Lesung wurde im Sommer entstanden. Wolfgang und Dirk planten einen gemeinsamen Auftriff in Seefeld und fragten mich, ob ich nicht mit Tee etwas mit gestalten wollte. Ich war begeistert. An eine ähnliche Veranstaltung nahm ich teil aufgrund der Einladung von H. Reichmuth in Villa Boveri. Oriental Beauty war das damalige Thema. Vortrag, Tee und Lesung harmonieserten sich wunderbar und bahnten zusammen in einen Weg ins Herzen der Teilnehmer. Dieser Rahmen gefielt mir ausgesprochen gut und erkannte darin eine Chance, etwas in der Gesellschaft in die Bewegung zu setzen.

Gestern sagte Wolfgang zu mir, dass diese Art von Akktivitäten unbedingt zu meinem Teehaus an Spiegelgasse gehören muss. Das stimme ich nur zu!

Männlichkeit leben

„Wer die Natur nachahmt, rigoros und realitätsgetreu, so wie sie ist, ist – gewissermassen – nicht mehr als Historiker, aber wer sie komponiert, übersteigert, umändert und verschönert, ist ihr Poet.“ Francesco Milizia

Einmal sagte mir ein fremder Japaner, dass der Oolong ein Poet sei. Er zitiert von Milizia und glaubt, in Oolong ein Poet gefunden zu haben. In meinem Seminar fragen oft Teilnehmer, was ein Oolong sein sollte.
Eine Frage, die eigentlich nur mit eigener Zunge und Nase beantwortet werden kann. Oolong, paar gedörrte Blätter von einem einfach grünen Pflanzen. Eine Pflanze die Weltgeschichte schreibt, Kriege stiftet und das Göttliche in jeden Menschen erweckt. Wenn man diese Pflanze so sie sich in der Natur befindet, sein lässt, werden  Blätter dieser Pflanze der weiße oder grüne Tee – ein Historiker. Aber einem Herstellungsprozess eines Oolongs gleicht der Reifungsprozess einer Pflanze. Die Reifung widerspiegelt in den Duft und Geschmack des Oolongs.

In jedem Frühling, in jedem Lebenszyklus einer Pflanzen und in jedem Kreislauf des Lebewesens fängt es mit keimen und Knospen an. Die Blätter wachsen und wenn der Zeitpunkt reift, bildet sich eine Blüte. Wenn die Blüte so weit ist, blüht sie. Wenn die männlichen Staubblätter und weiblichen Fruchtblätter bereit sind, nähren sie aneinander. Wenn die Sonne und Wind mitspielen, wird eine befruchtete Frucht im Herbst duften. Eine Frucht beginnt zum Reifen. Und wenn die Zeit kommt, fällt eine Frucht auf dem Boden, so dass ein neuer Lebenszyklus erneut fortsetzt. Ein Oolong ist ein Panorama dieses Prozesses. Ein Oolong erlebt die Stationen der Blüte, die Befruchtung und Reifung der Frucht. Manche von ihnen duftet nach Blüte, wenn die Fermentation sanfter voran geht, wie Lishan Hochland, Paochung und der moderne Anxi Tie Guanyin. Manche von Ihnen duftet nach werdenden Früchten wie Hochland Oolong, Dongdingoolong. Manche von Ihnen erleben anspruchsvolle Fermentation und Röstung und zeigen faszinierenden Duftnoten von Orchideen, exotischen Früchten und Marzipan!
Ein wirklich reifender gelagerter Oolong spiegelt den natürlichen Prozess einer Frucht wider. Leicht säuerlich, süß und fruchtig wie eine überreife Frucht kurz vor Platzen!
Eine Verwandlung voller magischen Momenten.

Die Reifung eines Menschen verläuft nicht anders, vielleicht nur schmerzhafter oder komplizierter – so wie der menschliche Geist. In einer von weiblicher Gewalt regierten Welt aufgewachsen war das Vaterbild für mich nicht ein einfaches Puzzelspiel. Ein Großvater, der im Haus nicht besonders respektiert war; ein Vater, der stets auf der Reise abwesen war und Onkels, die ihre Romanze und Herrensöhnchen Rolle nicht ablegen konnten, waren diese Bilder keine Hilfe, ein Vaterbild zu konstruieren und der direkte Einfluss war nicht besonders erfolgreiche Partnerschaft. In der Welt der regierenden Frauen fanden abwechselnd Täter und Opfer Spiele statt. Die Kriege in dem Roman „der Traum der roten Kammer“ waren Alltag meiner Kindheit. Dass ich relativ „normal“ geblieben bin, lag an meiner großartigen Mutter. Sie ist dominant, wusste aber in bestimmten Momenten sich zurückzunehmen. Sie war unterdrückt, aber nicht unterwürfig. Sie vermittelt mir, ein selbst bestimmtes Leben zu führen und anderen selbst bestimmen zu lassen. Sie zeigt mir, wie die Welt sein kann, nicht wie die Welt sein sollte. Es war meine Großmutter, die die Krise gemeistert hat, aber andere Menschen unterdrückt hat. Es war auch meine Großmutter, die Kinder aufzog und Geld mit Händen verdiente. Ich kenne Frauen, die geben und nehmen können, die Ja und Nein sagen können und gerne beschützt und geliebt werden wollen. Der Prozess einer Frau zu werden findet nicht bei jedem statt. Oft werden chinesische Frauen direkt von Mädchen zur Ehefrau oder Mutter. Die Auseinandersetzung mit sich selbst passiert, wenn das bisherige Konzept nicht mehr weiter funktioniert.

Gestern war ich in der Buchhandlung im Licht und war erstaunt, wie viele Bücher inzwischen über die weibliche Selbstfindung diskutieren. Noch erstaunlicher war ich über wie wenig die Männlichkeit in unserer Gesellschaft thematisiert ist.
Kümmern Männer in unserer Gesellschaft nicht um ihre Männlichkeit? Oder haben Männer einfach weniger Probleme im Leben als Frauen?

Mein Ersatzbruder Dirk zeigte mir mit einer glücklichen Stimme ein Buch „Männlichkeit leben“. Er sagte, das Buch war die Antwort des Kosmos auf seine Frage.
Er traf eine spannende Person, wusste aber nicht, wie ein Mann sich an eine Frau „richtig“ annährt. Diese Person war wie ein Spiegel seiner Geschichte mit seinem Vater, seiner Mutter und seiner bisherigen Beziehungen. Ein Mann sein, nicht wie ein netter junger, der um einen Kuss bittet. Ein Mann sein, nicht wie ein Idiot, der sich nicht um Gefühle des anderen kümmert.

Er reflektierte, dass er bis jetzt seinen Vater mit dem Auge seine Mutter betrachtet, dass er die Beziehungsproblematik mit weiblichen Augen der Freundinnen (mich einschließlich) wahrnimmt, dass er ein männliche Sicht entwickelt muss, um ein Mann zu sein. Das Erste fängt er an, über sein Vaterbild nachzudenken. Das Vaterbild einschließlich des Großvaters.
Seine Stimme wurde immer weicher, während seine Gesichtzüge immer männlicher werden. Er verstand den Unterschied zwischen Gewalt und Aggression und stand zu seinem männlichen Impuls. Ich betrachte seine Entwicklung wie ein Werk eines Oolongs, der sich verwandeln lässt, wenn alles so weit ist. Ich erkenne mich selbst in ihm.
Seine Arbeit an den wahren Selbst findet Niederschlag in seiner Schauspielerei. Zunehmend findet er Resonanz. Bald zieht er nach Berlin, um dem Leben eine neue Dimension zu verleihen. Die Zeit, in der wir uns so gegenseitig begleitet, wird bald zu Ende sein. Eine reifende Frucht, eine Verwandlung.

Er sagte, dass er keine Erbsenprinzessin haben will, sondern eine Königin. Eine Königin erwartet einen König, der weiß, was er will und nicht will

Männlichkeit leben

Die Stärkung des Maskulinen

Von B. Thorsten Leimbach

ISBN 9783831902859