Manchmal dachte ich als Studentin in Taipei, dass der Frühling endlich angekommen ist. Plötzlich kam aber der Nordwind und verregnete alles. Alles – auch mich. Die Orchideen meiner Grossmutter standen durcheinander in unserem zweiten Hof. Die Blätter von unserem Hibiskus fallen lautlos auf dem Schlamm, während die Regentropfen aus den Dächer lautstark tanzten.
Ich liebe Regen. In meinem Name beinhaltet auch das Wort „gutes Regen“. Gerne lass ich Fenster offen, wenn es regnet.
Heute Nacht war das Fenster weit offen. Ein Sturm eigentlich und wurde begleitet von schönen Regenmusik. Ich berauschte und schlief ein, ohne zu wissen wie spät. Der Regen in Zürich kann nicht mit dem in Taipei verglichen werden. Der Winterregen in Taipei ist wie ein Jammern oder ein leises Grübeln. Zäh, langwierig und melancholisch. Wenn man mich fragt, ob ich dazu einen Tee trinken würde – hätte ich als eine Studentin geantwortet: „Tee? Nö, ich trinke lieber Kaffee!“ Wenn ich nicht im Cafe war, war ich wohl auf den Weg zwischen zwei Cafes.
Wenn ich in Kyoto bin, bin ich gerne in Ohara. Dann besuchte ich das Tempel 三千院Sanzen-In. Hinter dem Tempel gibt es einen stillen und zugleich lautstarken Ort wegen einem wasserreichen Wasserfall. Als ich zum ersten Mal dort war, erschien mir der Name „Stimmenlose Wasserfall“ wie ein Kuan. Damals war ich zu jung und besuchte diesen Ort wie ein Konsumment. Nun bin ich erwachsen und habe im Leben genug gelitten und bin weiter gegangen. Langsam begreife ich, das Gefühl bei einer Tasse Tee neben einem von Naturgewalt gesteuerten Wasserfall zu sitzen.
1095 kehrte ein Mönch aus China nach Kyoto zurück und gründet in Ohara einen Übungsort für die spirituelle Entwicklung. Er suchte den Platz nebem dem Wasserfall aus und rezitierte dort die Lotus-Sutra. Jeden Tag rezitierte er die Lotus-Sutra, begleitet oder bekämpft von den Lauten der Natur. Wahrscheinlich war es zuerst ein Duell zwischen der menschlichen Konzenstration und der Naturgewalt. Irgendwann findet eine Angleichung oder In-Einander-Fliessen zwischen Menschen und Natur statt. Es wurde erzählt, dass die Stimme des Sutras die Laute von „Aussen“ klären und intergrieren konnten. Es wurde erzählte, dass es in der verwirrten Zeit der Kriege diese Übung ausgedehnt wurde. Die Mönche gingen ins Sansara hinein und ihre Rezitation war die Stütze für die gewöhnten Menschen in dem Geschrei von Gier, Hass und Elend.
In dem immer wiederholten Gefühlsgewitter der Menschheit von Tränen, Freude und Verletzungen war der Ort des stimmenlose Wasser ein Ort jenseits der beständigen Wandel. Heute Mittag, als das Gewitter in der Nacht entgültig vorbei zog, schien in Zürich wieder Sonne. Ruhe herrschte wieder im Aussen. Aber in Geist von Menschen verlässt uns die hüpfenden Affen nicht.
Eigentlich verlässt der Wasserfall mich nie, nur ich sehe ihn manchmal nicht. Was trinke ich jetzt?
Ich vermisse den felsenhaften Da Hongpao.
Archiv der Kategorie: Kein Titel
Der Wind trägt
Meine Eltern wissen eigentlich nicht genau, was ich mache.
Nach so vielen Jahren allein bei den Fremden zu leben – wie fühlt man sich denn? Es fehlt Worte.
„Was ist Dein Lieblingtee?“
„Was ist Ihr Lieblingstee?“
Es sind die häufige Frage, die mich konfrontieren.
Ich erinnere mich, dass ich nicht Teeverkäufer werden wollte. Aber ich kann mich immer wieder erinnern, wie die Begegnung mit Buddhas Hand mich berühte und berüht. Diese Begegnung trägt mich bis hier her, wo ich jetzt stehe. Es war wie ein großartiger Regenbogen, bunt, süss und er hat keinen Anfang und kein Ende. Ich hatte das Gefühl, als ob ich nur wegen diesem Moment mein Leben gelebt hätte. Unausweichlich wollte ich mein Reichtum mit anderen Menschen teilen. Unvermeidlich komme ich auf diesen Weg, wo ich jetzt gehe. Der Duft und der Rausch des Buddhas Hand trägt mich wie der Wind hier her, wo ich jetzt bleibe.
Koreeda 枝裕和 und 行定勋 Yakisada sagten, „Seit ich Tongnian Wangshi – A time to live, a time to die. von Hou Hsiao-Hsien 侯孝賢 gesehen habe, wollte ich Filmmacher werden.“ So fängt der Weg des Filmmachers für die beiden japanischen Regiessers an. So wollten sie mit Mark Lee 李屏賓 zusammen arbeiten. Mark Lee war und ist die Augen von vielen äussergewöhnlichen Regiessers und der heimlicher Erzähler im Hintergrund eines Geschehens.
Gilles Bourdos sagte, Mark Lee sei nicht ein gerader Baum. Er verändere sich wie der Wind – es sei die Essenz der chinesischen Kultur.
Er kommt aus Taiwan. Er filmt nicht nur taiwanesische Filme. Er reist mit seinen Kamera nach Hongkong, Vietnam, Japan und Frankreich… Grenze grenzt nicht mehr, getragen von dem Wind, der einen aber manchmal nach Hause ruft.
Lee ist gewöhnt, Augen des Anderen zu sein, im Hintergrund Dinge zu dokumentieren. Was ist, wenn die dokumentierenden Augen dokumentiert werden? Ich fand eine starke Resonanz, als ich diesen Dokumentationsfilm über ihn sah. In dieser Resonanz trägt die Erinnerung mit dem Buddhas Hand mich wieder in den Gegenwart. In diesem Gegenwart, als Tee eine Routine wird und ich immer tauber werde, ist dieser Ruf so aufdringlich, hell und scharf!
„Was ist Dein Lieblingstee?“ Es fehlen mir oft Wörter. Wie kann ich meinem Gegenüber in kürze erklären, was mich bis hier her trägt, wo ich jetzt bin? Und wie fühle ich mich, nach all so vielen Jahren allein unterwegs zu sein?
Ein kurzer Film in Youtube macht es möglich, dass ich diese Episode mit Euch teilen kann:
http://www.youtube.com/watch?v=QeRjpGIPqok&NR=1
Leermond
Ich hatte Kopfschmerzen. Sandro sagte, „klar, es ist Leermond.“ Der Mond zeigte uns eine unbeleuchtete Seite. Dunkel.
Pina Pausch fragte ihren Tänzer, „Wie ist denn Dein Gefühl zu Vollmond?“ Er erwiderte, „Freude.“
Im Teeseminar am Sonntag wollte ich unbedingt die gelagerten Tees zusammen degustiert werden. Ich möchte, dass wir einmal erleben, wie es ist, wenn der Tee alt wird. Oolong 1969 und Pu Er 1060 wurden vor uns präsentiert. Viele waren voll begeistert von den gelagerten Oolongs. Und ich? Mir spricht die alten Pu Ers sehr gut an. Vor allem der alte Pu Er aus Yiwu.
In seinen fast zersetzten Blätter spürte ich die Spuren der Vergangenheit. Sie waren alt und lederig. Sie sind heute alt und zerbrechlich. Aber ihr Geruch ist voller Sonne und ihre Aromen sind Spuren der Erden. Ich tauchte ganz tief in die Tassen und dachte, ich sei der Baum.
Seit ich dieses Geschäft Shui Tang führe, habe ich häufig das Gefühl, es gäbe mich nicht mehr. Ich habe keinen Raum.
Werner schlug mir vor, einfach Mittagspause einzulegen. Andere meinten, einen Tag mehr schliessen. Aber wenn ich diesen Raum verlasse, heisst, dass ich mehr Raum für mich gewinne?
Wie schaffe ich mehr Raum für mich selbst? Manche Leute verändern ihr Leben, indem sie äußere Umstände verändern. Z. B. Sich scheiden lassen oder einfach einen anderen Partner wechseln.
Manche Leute glauben ihr Leben zu verändern, indem sie Rahmen verschieben. Z. B. Arbeit reduzieren, mehr Freizeit bzw. Freiheit zu gelangen.
Ich habe in meinen jungen jahren diese zwei Versuche unternommen. Aber der wahre Frieden ist nicht in mir angekommen. Sobald ich frei spüre, suche ich Beschäftigungen. Mit den zunehmenden Alter ahnte ich im Dunkel, dass die absolute Freiheit in meinem Herzen liegt.
Der alte Pu Er wirkte und wirkt. Hubert sagte, wenn ich tief ein und ausatmest, dann entspannt sich der Körper. „Dann wird der Raum in mir größer?“
Mit jedem Ausatmungszug drang der Tee noch tiefer in mich hinein. Ich bekam Wurzel. Meine Hände rochen nach Laub. Meine Augen wurden rot. Ich bewegte mich nicht mehr. Ich bin der Baum. Ich hörte meine Vorfahren mich rufen. „Es ist dunkel… Bei dem leeren Mond kannst Du einen neuen Anfang wagen…“
Eigentlich ist es alles ganz einfach. Ich ging nach dem Geschäftschluss ins Kino. Die Tür wurde geschlossen. Computer wurde nicht mehr eingeschaltet und das Handy einfach irgendwo liegen lassen. Der Film „Pina“ von Wim Wenders versetzte mich in einem anderen Raum. Sprachlos, fasziniert und bewegt sass ich im Kinosessel. Was für einen Raum der Körper schaffen und bewegen kann und was für Geschichte Bewegungen erzählen kann, hat mich und meine Unbeweglichkeit zutiefst berührt und getroffen. Irgendwann fing ich an zu weinen. Es war so , als ob jedes Tropfen eine kleine leere Stelle im Herzen geschaffen hätte.
Bei der leeren Mondnacht war ich so glücklich. Der unbeschienende Mond war in mir und er schien. Entlang Limat spazierte ich nach Hause. Es war leicht kühl und spät. Plötzlich roch ich ein Hauch von süssem schwebenden Duft? Akazien? Ich staunte in den Himmel. Tatsächlich unweit von mir standen zwei blühenden Akazien. Und auf einmal war ich glücklich in einer fremden Stadt, die inzwischen mein Heimat wurde und ich erinnerte mich an dem alten Pu Er Tee, der inzwischen einen Baum in mir reingepflanzt hat.
Ein Waldspaziergang im Vollmond
Spazieren im Wald – wenn der Geist ruhig und offen ist, besonders tiefen in dem grünen Wald in einer frühlingshaften Vollmondnacht, ist man umgebend von einer Sphäre der Klänge. Diese Sphäre ist keineswegs beschränkt auf die Wahrnehmung des Gehörs, sondern auch die Lichtung des Mondes und die klaren Schatten des Kiefernadels, wenn der Mond besonders hell scheint.
Wenn man irgendwann auf den Geschmack eines gelagerten Tee kommt, vor allem Pu Er 普洱茶, dann ist der Genuss nicht mehr eingeschränkt auf die Wahrnehmung von flüchtigen Früchten oder Blütchen, sondern vom Geruch der Kindheit bei Omas Speicher und Kartoffelkeller oder die Unruhe unter dem von fallenden Laub bedeckten Waldboden.
Wenn Gödel behautet, dass die Zeitreise nicht unmöglich ist. Wenn er hinterfragt, dass was die Zeit überhaupt sein soll – wenn wir zurück zur Vergangenheit kehren können. Die Zeit ist ein Raum, ein Konzept und ein Begriff. Woran haften wir denn, an heute und sofort?
Michi und ich sind ähnlich. Wenn es uns etwas begeistert, tun wir es sofort. Während die anderen noch davon sprechen und träumen, unternehmen wir bereits die Schritte, wenn die Dingen für uns stimmen. Wir sprachen erst am vergangenen Dienstag von einem Konzert, das er mir gerne zeigt. Sofort erhielt ich bereits eine Einladung. Das gefällt mir.
Ein besonderes Konzert konnte ich erleben. Zufall und man kann es einfach nicht wollen. Es war ein Vollmondabend. Es war der 333. Montag, als Nik Bärtsch bei Exil spielte. Es war ein Montag, wo ich tatsächlich frei war.
Der Vollmond findet man auf der Bühne in Form einer Klangschale. Der Anfang des Rythmen brachte mich in meiner Kindheit, als mein Großvater seine komische japanische Klänge spielte. Es erinnerte mich buchstäblich an die eigentlich fremden zugleich vertrauten Rythmen in unserem dunklen Esszimmer die Musik meines Großvaters. Es erinnert mich auch an den Film 里見八犬傳 in 80er Jahren. Ein Raum voller Mystik und Ungewissheit.
Verschiedene scheinbar zusammenhanglosen Töne und Klänge treffen sich zu einem Storm. Scheinbar wiederholende Tasten bereichern den gleitenden Storm, das scheinbar in die weite Ozean fliessen könnte – wir wissen es nicht.
Eine Musik, die keine Geschichte erzählt, keine Linialität besitzt und kein Ziel verfolgt. Ein Gewerbe von organischen Austausches von Klänge und Stile, von Wiederholung und Ausbrüche, und von Trennung und Einklang.
Nik sagte, dass seine Musik aus dem urbanen Raum sei. Mich versetzt sie in einem Wald einer Volldmondnacht. Er sagte, er sei ein „richtiger“ Senchaliebhaber. Ein Sencha sollte in dem Saison getrunken werden. Er überdauert nur die Zeit im Kühlschrank. Ich roch an seine Musik den Ruf eines alt gelagerten Pu Er, der die Zeit überdauert. Ich hörte die Insekten summen, lauschte die Berührungen der aufeinanderfächernden Lauben und schnupprte die Lichtung des klaren Mondes. Es läuft vieles Im Wald, vor allem auf dem Boden. Manche suchen nach Nahrung, manche suchen nach einem Versteck und ich suche nach meiner Vergangenheit, die bis zum meinen Großvater führt. Mein einsamer Großvater, der die Sprache des neuen Machthaber seines Landes nicht sprach und kein Gefallen bei seinen Enkelkinder fand, lauschte seine Existenz durch die Melodie und Motiven einer bestimmten Musik.
Teeweg und Poesie
Ich bin müde.
Mein müder Körper spürt zwar den Frühling, weiss aber nicht zu freuen.
Viel arbeit und viele Projekte. Ich wünsche, ich könnte noch mehr!
Ich wünsche ich hätte mehr Kapazität. Wenn ich sehe, wie schnell die Seminare ausgebucht werden und wie oft die Leute mich wegen Kurse und Seminare anfragen, weiss ich, dass es ein Bedarf unter den Menschen gibt, sich mit Tee auseinanderzusetzen!
Gestern fuhr ich morgens nach Aarau, um mit den Schüler aus einer Mittelschule sich mit Tee zu vertiefen. Ich hatte eine Stunde, den Schüler die Welt des chinesischen Tees zu vermitteln. An dem gleichen Abend traffen sich 30 Erwachsenen in Shui Tang, um Oolong zu widmen.
Es war 20 junge Menschen, die kaum Vorstellung von gutem Geschmack und von guten Tees haben. Ihre Gesichter waren schüchtern und ihre Augen leuchteten wie Sternen. Ich habe keine Kinder, aber weiß, dass diese Menschen vor mir unsere Zukunft sind. Sie probierten die Tees mit dem degustierlöffel. Ich fragte nach. „Was schmeckt Ihr?“ „Bitter…“ „Was gibt es neben der Bitterkeit?“ „Süss.“ „Holzig.“ Der Oolong wie Nektar.“ „Wie Rauch.“ „Wie Honig.“ Ich glaubte meine Augen fingen auch an zu leuchten. „Was noch?“ „Wie ein Spaziergang durch den Wald im Sommer!“ Wowwwww!
Ich freute mich riesig über die Antwort eines jungen Mädel, das so unbeschwert ihre Empfindung einfach rausruschte. „Warum ein Spaziergang?“ „Ja, es ist immer so entspannt im einen Wald zu spazieren. Im Sommer vor allem ist es besonders schön! Es riecht so frisch, nach Holz, nach Grass und nach Blumen – so wie der Tee!“
In jenem Moment wollte ich fast weinen! Dieses Mädchen verfügt bereits den Zugang zu einer großen Welt des Tees, zu ihrer eigenen Identität und zu ihrer Unabhängigkeit. Das, was sie schmeckt, ist ihres, ist ihre Freiheit, die niemand aus ihr berauben kann.
Das, was ich lernen musste, um Tee zuzuhören und um den Brücke zum Tee zu finden hat sie bereits. Das, was ich lernen musste, mich nicht von anderen beeindrucken zu lassen, einfach zu mir zu stehen, hat sie bereits. Sie „muss“ nur weiter gehen.
Als wir gemeinsam den Pu Er Runde machten, als wir den künstlich nachfermentierten Pu Er, den frischen Pu Er 2010 Mengla und den Pu Er Grenztee 1990 degustierten, meldete sich sofort ein Junge. Er sagte, „Ach, das ist der künstlich fermentierte!“ „woher weiß Du es?“ „Er schmeckt komisch! Er schmeckt nach Fisch!“ Ich staunte!
Ist es wirklich so, dass wir als Erwachsene unseren Geschmack bereits auf den Irrweg abgeleitet sind und wir neu lernen müssen, was einen guten Geschmack bedeutet? Und diese junge Menschen vor mir, sie haben den natürlichen Zugang zu einem natürlichen guten Geschmack noch und wenn sie so bleiben dürfen ohne von unserer Gesellschaft manipuliert zu werden, können sie ihren Weg natürlich finden. Aber wer kann denn dem Karrier-Zwänge und Konsum-Appel von Red Bull tatsächlich entgehen?
Als Erwachsene, merkte ich bei der späteren Degustation am gleichen Tag mit Teeclubs Leute, bedeutet häufig einen guten Geschmack zu haben ist derjenigen, der so souverän spricht „Vanille, schokoladig, holzig und und und…“ Aber was diese junge Menschen, auch wenn sie unsicher und schüchtern sind, weil sie die Ettiketten unserer Gesellschaft noch nicht beherrschen, ahnen den Weg des Tees. Dieser Weg führt durch die Intuition und die Poesie!
„Es hatte mir mit einem Schlag, wie die Liebe, die Wechselfällte des Lebens gleichgültig werden lassen, seine Katastrophen ungefährlich, seine Kürze imaginär, und es erfüllte mich mit einer köstlichen Essenz (Tee); oder vielmehr: diese Essenz war nicht in mir, ich war sie selbst.“ Marcel Proust: Auf der Suche nach der verlorenen Zeit.
Ich danke Natalie. Diese liebvolle offene Lehrerin dieser Schülern hat diese wunderbare Stunde ermöglicht!
Teeapero und ein Bazar für Teatoys

Hier noch eine kleine Hinweise auf ein Teeapero und ein Bazar von Teatoys. Der Erlös wird für das japanische roter Kreuz gespendet.
Weitere Benefiz-Anlass für Japan
Benefiz_Anlass_Kyoko.pdf
Benefiz_Anlass_Kyoko_2_Seiten.pdf
Teefreundin Svetlana schickte mir die weitere Infos von den Benefiz-Anlass voller kulturellen Programmen wegen den Ereignissen in Japan. Liebhaber von japanischen Kultur kann nun richtig in voller Zügen Geniessen.
Veränderungen
Auch ohne den Wind
zerfällt die Pracht im Regen –
Bergkirschenblüten
Tessui
Ich musste ganz schnell weg. Schnell liess ich die Jaloisien runter fahren und wollte mich aus dem Staub machen. Er kam noch bevor ich die Tür verschloss und sagte zu mir, dass das Ereignis in Asien ihm ganz leid tat.
Ich kenne diesen Herrn. Aber ich verstand nicht, was er meinte. Meinte er die Ereignisse mit dem Gau, Erdbeben und Tsunami? Und Asien? „Meinen Sie die Ereignisse in Japan?“ „Ja, ganz schrecklich finde ich. Wie schrecklich sind die Bilder! Es tut mir so leid.“ Er sagte ganz schnell und wollte sein Leid aussprechen. Mein Gesicht war voller Fragezeichen, so dass es ihm sehr verunsicherte. „Meinen Sie – ich übertreibe?“ fragte er vorsichtig. „Ja. Gewiss.“ ich nickte. „Warum?“ „Versuchen Sie doch Ihr Leben hier eine Konzequenz daraus zu ziehen! Nicht so weit an die Menschen dort denken. Viele sind gestorben. Aber wir leben. Tun Sie etwas hier!“ Was machen wir denn jetzt aus unserem Leben, weil wir noch leben?
„Was können wir hier tun?“
„Üben Sie Druck auf Ihre Politiker, Ihre Regierung. Schliessen die AKW! Schrauben wir unser Lebensstandard runter!“
Wer will unser Lebensstandard runter schrauben?
Was machen wir denn jetzt aus unserem Leben, weil wir noch leben?
Viele versuchen jetzt Hamsterkauf von Tee zu tätigen. Manche stornieren die Bestellung von Tee aus fernen Osten. Die meisten sind sehr kritisch wie es weiter geht. Die Ernte vom japanischen Grüntee 2011 ist nun praktisch zu Tode verurteilt. Wir haben Angst. aber nur so viel, dass wir unser Lebensstandard weiter pflegen wollen.
Aber meinst Du, dass wir es können?
Unsere Welt ist in großer Veränderung. Überall gibt es politische oder tatsächliche Erdbeben. Viele Menschen leben mit der Wahrscheinlichkeit einer Erdbeben. Können wir als ein kleiner Mensch von dieser großen Veränderung entziehen? Lybien und Tunesien sind nicht weit. Viele von ihnen sind nach Italien geflüchtet. Italien grenzt an die Schweiz. SVP gewann ihre Wahl genau mit dieser Angst!
Können wir mit Mauer, uns schützen? Ich weiß es nicht.
Was erfahren wir von Japan? Die Sender in Europa sind fokusiert auf die schlechten Nachrichten, die fehlende Transparenz der Informationspolitik und die mangelnde Emotion der Japaner. Wir hören hier nicht, wie gut das Land organisiert ist, wie die nicht nach Hause fahrenden Gäste von Bahn und Stadt betreut werden. Wir erfahren hier nicht, wie die Bevölkerung sich gegenseitig helfen, wie die Restauranten Gratis Bento und Essen auschenken, wie Hotels Gratis-Übernachtungen spendieren und wie Haushalte Ihre Troiletten einfach zur Verfügung stellen! Diese Nachrichten kommen nicht nach Europa. In taiwanesischen TV-Sender werden sie als Vorbild berichtet. Natürlich kann man auch sagen, Taiwan ist pro Japan, nicht wahr?
Ich habe kein Fernseher. Ich habe zwei I-Phones – ein zu veränderndes Lebensstandard, was ich führe. Also, ich schaute deutsche Fernsehen, SF und auch taiwanesischer Sender. Es ist spannend, die Sender zu vergleichen. Es ist noch interessanter die Reaktion von den Ländern und Menschen zu vergleichen. aber ich möchte hier nicht schimpfen. Ich möchte hier nicht kritisieren. Ich möchte hier nur fragen, was machen wir aus unserem Leben, weil wir noch leben? Sind die Menschen dort umsonst gestorben? Können wir noch weiter so leben – nicht hören, nicht sehen und nicht sprechen?
Teebäume wachsen weiter, auch wenn wir sie nicht ernten. Tee wird so produziert, auch wenn das Westen ihn nicht kaufen. Wir wissen nicht, wohin er dann verwandelt wird.
Wer wird von dieser Krise profitieren?
Was wird nun dann anstatt japanischen Sencha ein Verkaufsschlager?
Wie machen wir es weiter – mit uns?
Im Fluss des Lebens
Aus irgendeinem Grund dachte ich, dass er heute zum Spital gehen wollte, um sich untersuchen zu lassen. Kurz vor dem Ladenschluss am Samstag ging ich zu Udo und wollte mich von ihm verabschieden. Er sagte, dass er eigentlich erst eine Woche später geht. Da lachte ich, „das macht nichts.“ Ich umwarmte ihn und küsste ihn. Dann sagte er mir in meiner Zuneigung, dass er eigentlich lustlos durchs Leben geht und ein Ende setzen würde. Ich glaubte es nicht. Denn ich solche Momente in mir auch gut kenne. Ach, wer kennt es denn nicht? Mir geht es manchmal auch so dreckig.
Ich verabschiedete mich von ihm, denn es noch Gäste gab in Shui Tang. Er ging, lief durch unseren Garten. Das Licht löschte.
Sonntag erfuhr ich plötzlich, dass er paar Stunde später die Welt mit Absicht verlassen hat.
Ich habe einen lieben Nachbar verloren. Die Spieglgasse hat einen langjährigen Freund verloren.
Ihn kenne ich nicht lang. Mit Tee konnte er wirklich nicht viel anfangen. Wenn er sich nicht so wohl fühlte, kam er mich besuchen. Ich kochte ihn Kaffee. Einmal tranken wir zusammen Champagne. Er rat mir öfter, wie ich die Aktivitäten an der Gasse mitmache. Er tröstete mich, wenn ich mühsame Kunde hatte. Zum diesen Weihnachten brachte er mir eine riesen Kiste von Kuezli und ich trug die schwere Kiste nach Taiwan. Diese Kiste bereicherte die Schüler von Atong ihre kulinarische Fremderfahrung…
Alle sind traurig. Die Menschen an der Spiegelgasse und vom Neumarkt halten sich zusammen. Die Innenstadt Zürichs lebt noch eine süsse Dorfstruktur. Ich als Neuankömmlinge ist noch auf der Beobahtungsliste. Aber Udo ist ein alter Freund der Gasse!
Heute bin ich froh, dass ich mich von Ihm bereits Abschied nahm. Ich habe keine Reue. Es ist tatsächlich gut so, dass man die Dinge immer mit diesem Bewußtsein tut, als ob man in nächster Stunde sterben würde. Michel sagte mir einmal, dass er seine Wohnung immer so verlassen, als ob er niemals zurückkehren würde… Ach, was hätte ich noch anderen Menschen zu sagen, die mir etwas bedeuten, bevor es zu spät wird?
Mir ging sehr schlecht. Ich schnitt eine Zitrone. Die Säure der heißen Zitrone glättete meine Stimme. Das Leben ist nicht bitter, sondern sauer.
Nachmittags kam Michi mit einer Dame zu Shuitang. Sie kannte Udo auch. Sie war sehr mitgenommen. Sie warf sich vor, dass sie ihn hätte öfters ansprechen sollte, wie sie zu ihm stand. Aber die schweizer Erziehung erlaubt manchmal nicht die spontane Gespräche und kurze Besuche. Sie dachte, sie würde ihn eher stören… Mit großer Trauer verliess sie Shuitang. Ich weinte innerlich mit. Wie hätte unsere Erziehung unsere Liebeserklärung an unsere Mitmenschen behindert?
Ich beschloss noch bewußter im Fluss des Lebens zu leben. Ich möchte meine innere Stimme von der Kondition und Konvention differenzieren lernen. Eigentlich bin ich sehr glücklich, dass Udo meinen Anfang an der Spiegelgasse begleitet hat und mir eine Lektion erteilt hat, als ob er zu mir flüstern würde: „Menglin, lebe! Lebe im Fluss Deines Lebens!“
Die Zugfahrt
Winter. Kalt, karg und steif. Unerweckte Teeblätter, trocken, zerbrechlich und stumm.
Wenn paar schlafende unerweckte Teeblätter mit ganz heißem Wasser aufgegossen werden? Aus der steigt warme feuchte Luft, Blätter sind aufgeweicht und der Duft des Tees verleiht das Winterliche im Raum eine Stimme. War das, das Marcel Proust uns sagen wollte?
Ein Stückchen muschelförmiges Törchen Namens Petites Madeleine. Aus jenem Muschel wurde Venus geboren. Aus jener Persönlichkeit Madalena ist das Sinnbild der Menschlichkeit Jesus offenbart. Erotisch zugleich subtil. Petite Madeleine eingetaucht in den Lindenblütetee zuckte M.P. zusammen und war wie gebannt durch etwas Ungewöhnliches, das sich in ihm vollzog.
So begann Balthasar mit seinem spannenden Vortrag. Ich sah ein Fenster, der mir eine Welt offenbar, etwas Fremdes und Unerwartes stattfinden kann…
Aus dem Fenster schaute ich hinaus. Der Zug fuhr rasch an Olten vorbei. Die schöne Burg dieses Ortes war verdeckt von der Dunkelheit. Ich sah nur eine Bahnhofinsel zwischen dem Flüsse der Gleise. Wo war ich denn? Ich schaute durch Fenster hinaus, traf mich selbst.
Die Menschen, die mich jetzt kennen lernen, lernen mich an einem Punkt kennen. Menschen, die mich und das Blog begleiten, lernen mich aus einem Abschnitt. Menschen, die mich als Kind lernen… sie erkennen mich vielleicht nicht wieder.
Wer bin ich denn? Wie kann ich mich definieren aus einem Zeitpunkt? Ich versuchte mich zu errinnern. Wie war ich denn? Wo war ich, als ich Tee begegnete?
Ich sah meinen Großvater auf seinem Schaukelstuhl vor dem chinesisch sprechenden Fernseher. Dunkel, einsam und vergessen. Er sagte zu mir, „Das ist Tie Guanyin.“ Ich drehte meinen Kopf weg. Ein Geschmack eines alten Mannes!
Ich war in England. Ich war frisch verliebt. Mein Vater trennte mich von meinem Revoluzzer-Freund, ein Medizinstudent. Er schrieb mir fast jeden Tag einen schönen Brief nach London. Ich brachte ihm voller Begeisterung Tetley Earl Gray! Ich liebte den Geschmack des Englands.
Ich erinnerte mich weiter. Der Zug fuhr eilig. Nur dunkle Schatten prägten die Ahnung der Landschaft. Was ist dann noch bei mir geblieben?
Es war im Kloster nahe zu Brüssel. Ich traf zum ersten Mal Chanoyu mit Michiko-Sensei. Ein überwältigendes Glücksgefühlt durchströmte mich. Woher kam es? ich konnte es nicht fassen! Ich wiederholte die Bewegung und glaubte, dass ich sie bereits im Traum oder an einem falschen Ort bereits tausenden Male getätigt hätte!! Endlich bin ich wieder da. Ich lernte die Bewegungen und plötzlich bin ich sie. Ich bin endlich wieder da!
Ich sah die Schatten des Lichtes, das mich traf. Ich hatte eine Ahnung von Freiheit und beschloss nach ihr zu gehen. Ich sah das schmerzhaften Korsett meiner Erziehung, meiner Herkunft und meiner vermeintlichen Sicherheit – und den Mann, den ich nach all diesen Schemata ausgesucht habe. Ich beschloss dem Schatten des Lichtes zu folgen. In diesem Schatten lerne ich mich selbst kennen.
Was war der Geschmack des Tees, der mich zu dem jetzigen ICH bewegte? Ich suchte vergeblich in diesem dunklen Zugfenster. Nur einen herben Geschmack zog meinen Mund zusammen.
Es war ein Samstagsnachmittag. Ich bereitete einen Oolong. Damals spielte der Name des Tees noch gar keine Rolle. Für mich war der Tee Oolong. Ach, es war 1999! Dieser Jinxuan, den ich zubereitete, war bereits leicht alt. Er war herb. Michel rünfte seine Nase. Ich spürte den herben Muskel des Tees, aber auch die Düfte, die auf der Zunge blieben. Es war Osmanthus und Longgan. Ich konnte diese herben und duftende Verschmelzung nicht vergessen und verstehen. Ich glaubte dort jemanden kennen gelernt zu haben, der sehr schöne blauen Augen hatten, die ganzer Zeit fixiert waren auf meine Hände. Diese Augen begleiteten mich Jahren bis ein Punkt kam.
Ich möchte nicht vergessen, wie ich einst vom Tee bewegt wurde. Ich möchte es immer in mir behalten. Ansonsten bin ich tatsächlich nur ein Punkt, anstatt ein Leben.
Der Zug fuhr in Zürich ein. Und er fuhr weiter, weiter an die Grenze, vielleicht hinaus.