Archiv für den Tag 15/02/2015

Teeschüler sein

Ein starker Schüler, der eine Befreiung im Tee erleben und suchen will, braucht einen starken Lehrer.
Michel sagte mir einmal: ein starker Lehrer freut sich über einen starken Schüler, der ihn herausfordert.
Es sei ähnlich wie ein Pfeilschiessen.
Zwei Pfeilen treffen sich in der Mitte des Weges. Der Meister und der Schüler verbeugen sich gegenseitig.
Ein schwacher Schüler braucht Bestätigung und Lob. Damit er sein Verhaltensmuster ein Asyl findet.
Ein starker Schüler will an die Grenze getrieben werden. Er will Entwicklungen.

Ulrich sagte einmal:
Beobachte wie der so genannte Lehrer, wie er mit seinen Menschen in seiner Nähe umgeht. Wenn er einen Partner hat, wie geht er mit einem Partner um?
Wenn er Schüler hat, wie geht er mit seinen Schüler um?

Und vielleicht auch fragen, wie geht der so genannte Meister mit sich selbst um.

Wie findet ein Meister seinen Schüler?

Es gibt viele Angebote auf dem Markt.
Du kannst bezahlen und bekommt am Ende der Veranstaltung Deine Zertifikat.
Vor sechs Jahren bat ich meinen Teelehrer Atong um eine Zertifikat, dass ich ganz stolz in Shui Tang aufhängen kann.
Atong antwortet ganz schlicht: „Wie viele Zertifikate brauchst Du? Ich drücke Dir alles.“
Jetzt hängt das Bild von Meeresgöttin Masu in Shui Tang anstatt eine Zertifikat. Ein Buddhas auf dem Schrank anstatt einem Meisterbrief.

Als ich bei Michel Zazen praktizierte, sagte er oft, dass ein Meister keinen Schüler sucht. Es entsteht von sich alleine.
Nicht, dass ein Meister jemanden zu seinem Schüler ernannt, sondern der Schüler einen Lehrer zu seinem Meister macht. Wenn er sein Vertrauen schenken und ihm gegenüber sein Wesen offenbaren kann.
Viele Leute suchen im Leben stets nach einem Meister.
Meiste Menschen glauben, dass sie keinen brauchen.
Ich habe wirklich nicht viel überlegt.
Einerseits bin ich ein Kopfmensch. Andererseits folge ich mein Herz.
Meine Beziehung zu meinen Lehrern hat sich so ergeben. Dafür bin ich SEHR dankbar.
Es war mir klar. Dass ich sehr viel lese, aber sehr wenig umsetze. Dass ich sehr viel über Tee rede, aber sehr wenig Tee lebe.
Deswegen wollte ich einen Lehrer haben und bin dankbar, dass er mich tadelt, kritisiert und konfrontiert. Natürlich ist es in jenem Moment nicht angenehm, aber mein Leben hat davon profitiert. Meine Lehrer haben dafür viel Energie verloren und aufgewendet. Das kann ich nicht mit Geld wieder gut machen. Michel ist mit 63 gestorben.
Auch wenn er schon gestorben ist, lebt er immer noch in meiner Nähe. Er sagte, das Geschäft führen ist wie Zazenpraxis. Im Hier und Jetzt, ohne Kategorien. Wie setzt man es um, wenn es an einem Tag keine Kunde kommt und die Kasse leer ist? Wie setzt Du es um, wenn ein Kunde glaubt, dass er alles machen kann, weil er Geld hat?

Shui Tang ist der Ort ohne Illusion.
Am Ende des Tages muss die Kasse stimmen.
Wo hat die Menschlichkeit einen Platz? Wie füge ich Liebe und Autorität zusammen? Wie schmiede ich Konzentration und Gelassenheit zu einer Einheit?
Ich bin nicht Tee. Ich bin vergänglich und provisorisch.

Tee geht weiter. Ein Teebaum kann zwei Tausendjahren leben.
Der Baum lacht wahrscheinlich über das intellektuelle Geschwätz von uns im Wonne der winterlichen Sonne.

Wie findet ein Schüler seinen Meister?

Lieber Herr K.,
vielen Dank für das herzliche Email.
Ich weiss nicht, wie Schüler und Meister zusammen finden.
Ich kann Ihnen nur erzählen, wie ich meinen Meister gefunden habe.
Ich habe ihn beobachtet und dann ihn vertraut. Auch wenn er mich immer wieder abgewiesen und konfrontiert hat.
Ulrich Haas ist mein Lehrer – würde ich behaupten. Auch wenn ich technisch nicht viel bei ihm gelernt habe.
Aber er ist nicht in meiner Nähe. Das macht nichts. Ich fahre gerne zu ihm und nehme das mit, was ich mitnehmen kann. Ausserdem ich will nicht nur seine Technik lernen – das kann man auch von Youtube.
Ich lerne die Art, wie er denkt, wie er über Tee reflektiert und was er lebt. Das nehme ich für mein Leben mit, egal wo ich bin.
Habe ich Ihr Email beantwortet?
Ihnen wünsche ich ein schönes Schaf-Jahr,
Menglin

Am 14.02.15

Sehr verehrte Frau Chou,

ich habe eine „einfache“ Frage:
Wie findet ein Schüler seinen Meister?
Oder
Wie finden Schüler und Meister zusammen?
Nicht nur im übertragenen, sondern auch konkret im praktischen Sinn.
Teeliebhaber, -kenner und -meister gibt es nicht überall wie Sand am Meer. Häufig gibt es große örtliche Distanzen.

Gerne möchte ich Tee lernen. Aber nicht nur autodidaktisch, über Bücher, Blogs, Videos, selbst probieren .. Ich möchte auf meinem Weg gerne auch belehrt, geführt, begleitet werden.

Also: Wie finden Schüler und Meister zusammen?
Herzlichen Dank für Ihre Zeit, die Sie sich vielleicht nehmen möchten.
Herzlichen Dank für Ihre Blätter vom Teeweg
Mit freundlichen Grüßen
K.