Rot verblasst schnell,
Herzen sind wankelmütig.
Von Atong bekam ich diesmal eine kleine Teekanne aus Zhuni (rote Tonerde). Unter der Kanne wurde das Entstehungsdatum und der Name des Büros tief eingeritzt. Das sei die einzige Teekanne, die nach all diesen Jahren überlebt. Und nun geht diese Kanne mit mir nach Zürich.
Hanezu はねづ ist eine rote Farbton, die im 8. Jahrhundert in einer japanischen Gedichtsammlung zur Poesie wurde. Eine zarte weisse Blüte macht ein kirschartiges Frucht, es ist essbar und brauchbar. Es wurde verwendet, zu färben. Feine rote Nuance, unaufdringlich und geschmeidig. Es verblasst nur schnell – so wie die Dinge der Welt, vergänglich. Naomi Kawase 河濑直美 macht es zu dem Motiv ihrer Erzählung Hanezu no tsuki.
Sie wähle den Ort Nara als Schaubühne des Geschehens und als Symbol von Verschmelzung der Vergangenheit in den Gegenwart. Etwas wird an diesen Ort weitergegeben.
Hanezu, eine rote Farbe, die erste Farbe, was Menschen erkennen können. Es ist das Blut, die Sonne und das Feuer.
Einst war Oolong als ein zu Rot verwandeltes Drachen bezeichnet. Grüne Blätter verfärbt mit roten Rand – es war einmal. Schönes eindeutiges und leuchtendes Rot. Heute verschwindet das Rot bei trendigen Oolong in den Hintergrund. Bei Anxi Tie Guanyin wurde die roten Spuren entgültig verwischt. Ist Oolong wie Herzen wankelmütig, oder tatsächlich nur unsere Herzen, die heute in einer Seite pendelt und morgen in eine andere?
Atong sagte mir immer wieder wie schwer er es hatte, treu zu seinem roten Drachen zu bleiben. Wenn das Mainstream nur den grünen Oolong haben will, ist es dumm, wenn man gegen das Geld arbeitet. Aber Oolong hat nicht nur für ihn eine Bedeutung von Lebensunterhalt – Oolong hat vielmehr eine Bedeutung für ihn – Weitergabe. Er muss etwas weiter an Leben halten, damit etwas weiter geht…
Menschen in Nara, meinte die Regiesserin, anders als die anderen in dieser Welt. Sie können warten, sagte sie.
Menschen in früheren Nara, als das Gedichtband entstand, hatten kein Handy, kein SMS und kein Flugzeug. Wenn sie ihre geliebten Menschen treffen wollten, mussten sie warten. Warten ist ein Prozess von Werden. Warten ist ein Gegenwart von Wahrnehmung des Freudes und Schmerzens. Sie schrieben ihr Warten in ihrer Poesie mittels Blumen und Natur, weil sie vergänglich sind. Aber die Dinge in unserer Zivilisation sei zeitlos geworden. In jeder Jahreszeit seien Blumen und Früchte käuflich! Natur spiele keine Rolle mehr in der menschlichen Dominanz. Der Mensch sei nicht mehr ein Teil der Natur, sondern über sie… Das sei Leiden der modernen Menschen, erzählte Kawase. Sie möchte etwas in ihrem Film festhalten, an die nächste Generation weitergeben. Das Leben, was unter der Erde tief begraben ist, sollte in Erinnerung bleiben. Ein Film wird zu einem Ort, wo altes Leben und neues Leben ineinander gehen und ein Ort, wo Geister und Menschen sich begegnen.
In der langen Verwandlungsprozess des Oolongs ist das Warten der Schlüssel zum Rot. Die Teeblätter müssen genügend Sonne bekommen, genügend Feuchtigkeit verloren werden und genügend geschüttelt werden. Warten, warten und warten.
Dann warten bis die Menschen die Seite wechseln, den zum rot gefärbten Drachen neu entdecken! In diesem langen warten – sagte er zu mir, muss man stets an sich selbst glauben, dass was man aus dem Herzen macht, das Richtige ist! Unsere Zukunft liegt in unserem Herzen! Man kann kurzweilig das Herz biegen. Man kann selbst nicht lang betrügen. Etwas holt uns nach, sagte mein Lehrer. Man trägt nicht nur für sich selbst, sondern auch etwas für die Zukunft.
Ich weiss, dass seine Frau anders denkt. Ich weiss, wie schwierig es ist, in wankelmütigen Herzen eine Entscheidung zu treffen. Unsere Zukunft wird aber dort geboren!
Gestern habe ich diese kleine Teekanne eingeweiht. Keinem habe ich etwas erzählt, was es für mich bedeutet. Rot verblasst schnell. Respektvoll blicke ich den Weg meines Vorfahrens zurück, wie sie mit Vergänglichkeit umgehen. Herzen sind wankelmütig. Entschlossen gehe ich in die Zukunft. Auf diesen Teetisch gehen die Vergangenheit und Zukunft ineinander.