Archiv für den Tag 22/01/2009

Oriental Beauty, Zikade und der Insektenforscher

Ich komme aus einer Sub-Tropischen Insel, wo ein Oase bedeutet für Ungezifer! Katalaken sind die schlimmsten, was es auf der Erde überhaupt gibt! Mein Vater war immer der Feuerwehrmann und später wurde mein Bruder. Einen Insekten-Forscher zu werden war sicher nicht mein Traum!

Einen insektenforscher lernte ich in meinem Teeseminar kennen. Er erzählte von den Insekten, die den Zauber von Oriental Beauty ermöglicht. Ich bat ihm für unsere Teefreunde einen kurzen Text zu schreiben, um die Geheimnisse zu lüften.

Ich bewundere Menschen, die im Hintergrund für Ihre Leidenschaft arbeiten, die Menschen, die ihren Weg gehen. Vor allem wenn sie sich mit Dinge beschäftigen, was „nutzlosen“ Ungezifer heisst. 

Ich danke Berhard Merz, ein Teeliebhaber und ein hervorragender Insektenforscher. Ein Mann, ein Wunder – seine Liebe zu einem geheimnisvollen Getränk und zu einem mysteriösen Welt der Ungezifer pflegt.

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Nun zu den Insekten: Nach meinem Wissen heisst der „Oriental Beauty“ so, weil die Blätter der Tee-Pflanze von Insekten befallen werden. Es handelt sich dabei um sogenannte Kleinzikaden, das heisst Insekten, die wie die echten Singzikaden aussehen (und im Mittelmeerraum vor allem sehr häufig sind), aber eben sehr klein sind, so um 2-3 mm lang. Sie sind überall auf der Welt sehr häufig, auch in der Schweiz kennen wir über 400 verschiedene Arten! Zikaden ernähren sich ausschliesslich von Pflanzen (wir haben also nichts zu befürchten) und haben einen kleinen Stechrüssel. Damit stechen sie die Pflanzenzellen an und saugen den Inhalt aus den Zellen heraus. Das hat zur Folge, dass die Blätter mit einem Befall von solchen Kleinzikaden nachher „gesprenkelt“ sind, d.h. sie haben kleine braune Flecken auf der grünen Fläche (und es verbreitete sich vor etwa 20 Jahren einmal die Nachricht in den Medien, dass das Ozon die Pflanzenblätter kaputt macht, bis man sah, dass die kleinen braunen Flecken von Zikaden-Stichen stammten, also war dies eine Fehlmeldung!). Nun, damit die Zikaden die Zellen auch aussaugen können, müssen sie zuerst ein wenig Speichel in die Pflanze spritzen, der den Pflanzensaft ganz flüssig macht und verhindert, dass diese Zuckerlösung (Pflanzen-Zell-Saft enthält viel Zucker) den Rüssel verstopft. Offenbar geht dieser Speichelsaft mit dem Zellsaft eine spezielle Verbindung ein, welche dem Tee-Blatt neue Duftnoten vermittelt und so zur Berühmtheit des Oriental Beauty beiträgt. Ein weiterer Punkt ist, dass die kleinen Löcher in den Zellen natürlich den Zugang von Sauerstoff zu den Zellen erleichtern. Das führt dazu, dass der Oriental Beauty stärker oxydiert ist als zum Beispiel ein Pouchong oder Tien Guan Yin, nicht nur am Rand, sondern auch auf der ganzen Fläche kann er oxydieren. Eine Internet-Seite mit Fotos der Zikade, die fälschlicherweise also „Paoli“ bezeichnet wird, gibt es auf der folgenden Internet-Seite:
http://freebsd.tspes.tpc.edu.tw/~afu/6401.htm

Der Name „Paoli“ bezieht sich auf die Person, welche die Zikade zum ersten Mal beschrieben hat und ihr den Namen „formosana“ gegeben hat. Heute heisst diese Zikade wissenschaftlich Jacobiasca formosana. Sie hat natürlich keinen deutschen oder englischen Namen, da sie in Ländern, in denen Deutsch oder Englisch gesprochen wird, gar nicht vorkommt.

Es gibt noch einen ganz ähnlichen Fall, nämlich denjenigen des sogenannten „Muscatel“ Darjeelings. Es handelt sich dabei um einen Sommer-Darjeeling, der in einigen Gärten in der Darjeeling Provinz vorkommt und dort ebenfalls von Kleinzikaden gestochen wird. Damit bekommt der Tee auch hier eine neue Duftnote, eben dem Muskat-Duft. Dabei handelt es sich aber um eine andere Zikade, die den Namen „Empoacsa flavescens“ heisst (oder auch Empoasca vitis, je nach Forscher, das Problem der Namensgebung bei Insekten!). Diese Zikade kommt übrigens auch in der Schweiz vor und ist hier ein gefürchteter Schädling auf Weinpflanzen. Zu dieser Art habe ich gerade keine Fotos auf dem Web gefunden, aber sie sieht sehr ähnlich aus wie die Jacobiasca formosana.

Übrigens: Tee-Gärten, die von diesen Zikaden befallen sind, dürfen natürlich nicht gespritzt werden, das heisst, sie sind mehr oder weniger „biologisch“, auch wenn sie kein solches Zertifikat tragen. Auch sind diese Tees erst im Sommer erhältlich, da ja die Zikaden zuerst die Zellen stechen müssen. Das ist normalerweise erst ab etwa Mitte Mai der Fall (vorher sind diese Tiere noch im Ei-Stadium, sie müssen zuerst schlüpfen und können erst dann saugen). Deshalb gibt es z.B. keinen Frühlings-Darjeeling mit dem Muskat-Duft, sondern erst der 2nd flush hat diese Eigenschaft.

Ist Dir diese Antwort schon genügend ausführlich. Sonst helfe ich gerne weiter und suche Informationen. Das dürfte für mich doch einfacher sein, da ich den ganzen Tag mit Insekten arbeite. Selber beschäftige ich mich mit Fliegen und kenne Zikaden nicht gut. Aber im Nachbar-Büro arbeitet ein sehr netter Forscher, der sich fast ausschliesslich mit Zikaden beschäftigt und mir gerne hilft!

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Wer hätte noch mehr Frage zu disen Zikaden? Unser Insektenforscher in Genf steht uns exklusiv zur Verfügung!