Zu Sein

Einmal unterhielte ich mit Christine über unseren Teeweg, über unser Frust und unsere Fragezeichen. Wir sprachen von dem Zustand „Ich bin„. „Wer bin ich“ – ist eine Frage, die ich wirklich nicht beantworten kann, um zu sagen, „so bin ich“. Auch wenn ich diese Frage nicht ganz beantworten kann, muss ich jedentag „(zu) sein“.
Jiri und Patrick sagten mir einmal, dass mein Dasein raumfüllend wirkt. Ohne es zu werten – es ist so. Ohne es zu werten ist es nicht immer glücklich, dass es so ist. Diese Frage beschäftigt mich seit langen, „wer bin ich?“ und „wie kann ich einfach so sein, wie ich bin?“
Wie kann man für Menschen da sein, ohne etwas zu erwarten?
Wie kann man einfach für etwas einsetzen, ohne etwas zu bekommen?
Wie kann man einfach nur da zu sein, ohne etwas zu wollen?
Diese Fragen konfrontiert einen auf den Teeweg und auch im Leben.

Ich wurde eingeladen von Romeo und seinen Freunde. Dort begegnete ich ihren Lehrer. Ein kranker Mann, der nicht so aussah. Prächtig, aber unscheinbar zugleich. Ich sass dort. Manchmal wechselte er paar Worte mit mir. Die kleine Gruppe unterhielten sich und die Atmosphäre war entspannt. Plötzlich merkte ich wie verloren ich war – in dieser Harmonie fühlte ich einmal verloren. Verloren, weil ich den Raum nicht füllen kann. Dieses Erkenntnis wirkte wie ein Blitz. Auf einmal verstand ich, worum die Liebe geht – einfach da zu sein. Was dieser kranke Mann macht ist nicht anders als nur für diese Menschen zu sein. Er redete nicht viel, lachte ab und zu und hörte zu. Ich bekam ein glückliches Gefühl, einfach dabei zu sein, beziehungsweise war es egal, ob ich geachtet wurde oder nicht. Ich sass einfach dort und war da. In jenem Moment drehte er seinen Kopf zu mir und schaute mich in die Augen. Ich erwiederte ihm ein Lächeln.

Ich erinnere mich an ein Gedicht, als ich anfing mit meinem Teeweg. Als ich mühselig lernte zu knien und übte als Gast zu sein, drehte stets eine Frage in meinem Kopf, ob ich alles richtig oder falsch mache. Wie verhält man sich wie ein Gast? Wie verhält man sich wie ein Gastgeber? Wie verhält man sich, zu sein?

Wind und Regen könnten mich nicht beeindrücken.
Die Hitze des Sommers und der Schnee könnten mich nicht aufhalten.
Ich nehme meinen Teelöffel (Chachaku),
Tag für Tag mache mir eine einfache Schale Tee.
Wenn die Sonne scheint,
Putze ich den Raum,
Bei dem kalten Winter,
Spalte ich im Wald Bambus.
Auch wenn ich als verrückt gehalten und isoliert werden,
will ich anderen Menschen nicht gefallen.
Wenn ich Hauptgast bin bei einem Tee, sorge ich lebendige Atmosphäre,
Wenn ich Nebengast bin, schaue ich einfach zu.
Wenn ich Gastgeber für Tee bin, opfere ich mein Leben – mit meinem Herzen.
Ich möchte so einen Teemensch werden.

In diesem einfach Sein, spüre ich meine Flügel und Freiheit und umarme das Leben.

2 Gedanken zu „Zu Sein

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