Meine Kindheit ist geprägt von einem grossen sehr alten Haus mit Höfen und Winkel. Ich hörte gerne Geistergeschichte und das alte Haus bot die besten Kulissen. Ein Haus, der schützende Ort und zugleich der Ort der Abscheu.
Mein Grossvater war der Hausherr, der seine Aufgabe nie wirklich wahrnahm. Er rauchte und trank. Jedes Mal schickte er uns, um Sake zu kaufen, wenn er seine Bekanntschaft zu Besuch kam. Dann tranken sie und sangen. Der Geruch der Männer assoziierte ein kleines Mädchen mit Sake. Ich wusste irgendwann, dass er ein anderes Leben führte, bevor Taiwan chinesisch wurde. Einmal erzählte er mir, während ich in unserer Küche etwas experimentierte, dass er meiner Grossmutter immer treu war, obwohl das männliche unterhaltsame Leben wie in Filme für ihn alltäglich war. Er war wahrscheinlich schon zu viel getrunken. Für mich war es nicht wirklich klar, wie wichtig er mir so etwas erzählen wollte. Es war das einzige Gespräch zwischen uns kurz vor seinem Tod. Ich habe kein Recht, ihn zu verurteilen. Treu oder nicht, ist eine Frage des Egos. Man kann eben niemanden etwas erzwingen und trägt die Last des Herzen auch für sich alleine.
Viele Leute wollen zum Tee wechseln, weil sie weg von Alkohol haben wollen. Ich erwidere immer, „Ach, wie Schade!“ Alkohol ist doch etwas Wunderbares. Eine Sucht ist eben eine Sucht. Warum sollte Tee besser als Alkohol sein? Die Abhängigkeit liegt an Menschen, nicht an Tee oder Alkohol.
Ich trinke nicht unbedingt gerne, aber bewusst. Als ein Ausgleich zum Tee gönne ich mir öfters ein Bier oder eine Flasche Champagner. Sake ist natürlich noch besser. Betrunken von Sake ist wunderbar, leicht neblig und doch fröhlich. Man macht kaum Fehler, ist nur betrunken. Dann denke ich oft an meinen Grossvater, der für mich eine andere Zeit präsentiert, die fast verschwunden ist in der heutigem so genanntem China. Wie hat er sich immer gefühlt, wenn Sake ihn betäubte? Hat er sich auch so gefühlt wie ich, wie Zhuangzi in einem Schmetterlingstraum flattert? Sich wohl und glücklich fühlt und nichts von dem Leben des jetzigen Daseins?
Macht der ewigen Wandel meinen Grossvater zu schaffen? Macht die ewige Wandlung und Wanderung mich zu schaffen? Jedes Mal trank er seinen stark gerösteten Tie Guanyin um Kater zu reinigen – ganz alleine, ruhig und unauffällig. Der ewige Wandel hat ihn im Griff, er passte sich an die neue Situation des Landes und zog sich einfach zurück in der Gleichgültigkeit. Ich kann dem Wandel auch nicht entziehen, habe nur Mühe in diesem Fluss zu bleiben. Manchmal sehne ich mich nach einem Schmetterlingstraum und vor Angst vor danch mache ich mir immer danach einen starken alten Pu Er. Er tröstet.
昔者莊周夢為胡蝶,栩栩然胡蝶也,自喻適志與!不知周也。俄然覺,則蘧蘧然周也。不知周之夢為胡蝶與,胡蝶之夢為周與?周與胡蝶,則必有分矣。此之謂物化。
„Einst träumte Dschuang Dschou, dass er ein Schmetterling sei, ein flatternder Schmetterling, der sich wohl und glücklich fühlte und nichts wußte von Dschuang Dschou. Plötzlich wachte er auf: da war er wieder wirklich und wahrhaftig Dschuang Dschou. Nun weiß ich nicht, ob Dschuang Dschou geträumt hat, dass er ein Schmetterling sei, oder ob der Schmetterling geträumt hat, dass er Dschuang Dschou sei, obwohl doch zwischen Dschuang Dschou und dem Schmetterling sicher ein Unterschied ist. So ist es mit der Wandlung der Dinge.“