Archiv für den Tag 22/01/2011

Alte Blätter aus Yiwu

Als ein junger Mensch wollte ich immer weg. Weg von meinem Zuhause. Das heißt nicht, dass ich mein Heimat nicht liebe. Ich wollte bloss weg. Das heißt, dass ich mit dem Ich in dem Spiegel sehr unglücklich war.
Später merkte ich, dass ich nicht nur weg von Zuhause rennen wollte. Ich renne auch vor Unangenehmigkeit, vor Problemen und vor mir selbst.
Nun bin ich in Shuitang gelandet. Ich wurde ein Haustier. Weg rennen geht nicht mehr. Ich will nicht mehr vor mir weg rennen.
Das Leben wurde nun einfacher.

Ich besuchte Zhou Yu. Am einen kalten Tag.
Das Haus Wistaria war angenehm besetzt. Ich brachte ihn die Matcha-Praline. Er konnte nicht bis nach Hause warten. Wie ein Kind öffente er das Schachtel und schluckte das ganze Stück. „Ach, schön!“ er seufzte. Wir verabredeten uns zur eine Degustation.

Für mich ist er ein Tee-Philosoph aus der alten Schule – genau vor dieser alten Schule wollte ich nach Europa fliehen.
Wir vergleichen zwei alt gelagerten Tees – einer aus einer Blend von 60er und 70er Jahren und einer aus der 60er Jahren. Er sagte in seinem Haus degustiert man immer 4g in einer kleinen Gaiwan und 6g in einer kleinen Yixing Kanne.
Die Farbe des Tees verraten uns sehr schnell seine Herkunft. Ist er ein Blend!
Der Blend war sanft und intensiv. Die Intensivität des Aufgusses offenbarte mir der Sandelholzduft aus feuchtem und dichtem Wald! das Holz ist noch nicht ganz trocken. Sehr intensiv, aber nicht so rein, so frei, um zu schweben. Die zarten 70er PuEr verleiht ihn Spuren der Leichtigkeit und der reifen Blätter der einfachen 60er Pu Er bildet einen soliden Körper. Ich roh die Lichtung in dichten Laubbäumen. Der Geruch der Sonne nach dem tropischen Regenguss. Ich erinnere mich an meine Kindheitstage auf dem Land. Unter dem Pamelo-Bäume meiner Großmutter sammelte ich die Laubblätter und kleine Holzstücke, um mein Zuhause zu bauen.

Der andere Tee… nur aus alten reifen Blätter. Zhou Yu sagte, „Weiß Du, so einen einfachen Tee machte der Teebauer für sich selbst.“ So alt. Die Blätter waren so alt, dass man sie nicht wollte. So alt, dass die Teebauer selbst trank. Er kaufte diesen Tee damals im Esstrich eines alten Restaurant in Hongkong. Ihn hat seine Einfachheit nicht gestört.
Aber in der Jugend der alten Blätter aus Yiwu hat für ihn etwas gefehlt. So mischte er ihn mit den zarten Blätter von späteren Jahrgang um ihn aufzupeppen. Ist er durch diese Mischung bereichert?

Wir schüttelten unseren Kopf. Dieser reinen Aufguss aus nur reinen alten Blätter von Yiwu-Bauer ist so einfach und rein geblieben. Sein Wesen öffnete sich sofort, aber Schicht für Schicht, ein Wort nach dem anderen. Er hat keine Eile, er hat keine Zeit – nein, er hat kein Zeitgefühl, weil er ein Teebauer ist. Er erzählte beständig, die Aufgüsse sind reich, ein Aufguss nach dem anderen. Die Erzählungen reichen von puren eleganten Sandelholz, zu vegitalen Feinheit und der duftende Erdetöne. „Menglin, er kann so rein und einfach schön, weil er aus einer reinen Natur stammte. Ach, es war eine andere Zeit!“ er fuhr fort, „das ist das, was wir in der chinesischen Kultur von Zeit und Raum sprechen!“ Endlos und undefiniert. Ein Tee in dieser Art kann Dich zu einer anderen Zeit tragen und versetzen. Was bedeutet schon die Zeit und der Raum? Tee selbst ist Zeit und Raum zugleich.
Die Zeit hat die einfachen alten Blätter aus Yiwu zu einer Schönheit verwandelt. Er ist treu zu sich selbst geblieben. Was ist denn das, was die Zeit überdauert?
Vor was bin ich aus dieser Kultur geflohen?

Zhou Yu erzählte mir, dass er wohl im Sommer im Westeuropa sein wird. Ich rate ihn nach Zürich zu kommen. Ich sollte frisch umgezogen sein und er kann so lange aufhalten wie er will. Ich bat ihn einen Vortrag in Shuitang zu halten. Ein Vortrag nicht nur über Pu Er und Tee. Ich werde der Übersetzer sein, auch wenn es bestimmt nicht einfach wird!

Was lernt man von einem Teelehrer?

Ich war sehr nervös. So nervös, dass ich nach diesem Vortrag verschnupft wurde.
Am Montag staunte ich in dem Raum vor der regen Teilnahmer an unserer Tee-Triologie. Ursprünglich sollte doch nur 12 Anwesenden sein. Das Vortragssaal war voll! Kaum Stuhl war frei.
Ach, was machen die Leute bloss hier? Ist Tee tatsächlich trend geworden?

Meine akademische Sprache ist nicht mehr so gut wie vor drei Jahren. Ich bemühte mich, die Kulturgeschichte des Tees so vielschichtig erzählen zu lassen. Aber eigentlich hat es mir der letzte Teil am besten gefallen, als ich mit Frage konfrontiert wurde.
Ich wurde gefragt, was man eigentlich vom einen Teelehrer lernt?

Meine Augen wurden feucht. Ich erinnere, was Atong mir vor meiner Abreise sagte, „Menglin, Du kannst Menschen und Tees nie von einem jetzigen Zeitpunkt beurteilen…“

Was habe ich von einem Teelehrer gelernt? Ich erinnere mich, wie ich anfing, nach einem Lehrer zu suchen. Überhaupt spürte ich in mir ein Drang nach einem Lehrer zu suchen, denn ich wußte, mein Wissen basiert bloss auf Literatur und Geschwätz. Ich brauche einen Spiegel, ich will korrigiert werden. Ich will weiter kommen – mit Tee.

Durch Landschaft der Scharlatanen begegne ich viel Möchte-Gerne-Menschen, die versuchen mich einzubinden. Sie gab mir kein Werkzeugt, weil sie meine Autorität bleiben wollen. Diese Abhängigkeit ist für mich kein Weg. Ich will Freiheit, will nicht manipuliert werden. Ich möchte selbst Tee erfahren, und nicht nur wissen, dass dieser ein guter Tee ist, sondern selbst erfahren, wie ein guter Tee sein kann!
Bis ich Atong gefunden habe. Ich habe ihn zu meinem Lehrer gemacht. Als mein Lehrer zu sein war er nicht scharf.
Was heißt ein Lehrer und was heißt ein Schüler?

Damals sagte er mir, ich sollte diesen und jenen Tee als Referenz-Tee kaufen, um zu lernen. Ich tat es bloss aus Respekt. Ich dachte, es ist schon komisch, dass die Tees von Atong immer süss schmeckt. Ich kaufte damals paar Spezialitäten aus seinem eigenen Garten. Überzeugt war ich nicht wirklich. Weil ich nicht wirklich überzeugt war, lagen sie im Schachtel.

Vor einem Jahr entdeckte ich sie wieder bei der Inventar. Ich entdeckte eine Schönheit voller Überraschung. Die fünf Jahren sprachloser Vergessenheit brachten die beiden schönen Tees zur einer staunenden Sprachlosigkeit. Was für eine Verwandlung, oder Transformation? Der Tee oder ich?
Meine Augen werden feucht, wenn ich diesen Tee heute trinke. Ich sehe meine eigene Entwicklung und meine Entwicklung mit Tee und mit meinem Lehrer.
Ich erzählte Atong als ich diesmal bei ihm war.
Er sagte in dem Moment nichts, aber ich hatte das Gefühl, dass er feuchte Augen bekam.
Ach, auch ein Lehrer kann nicht immer verstanden werden!

All diese kostbaren Tees wurden in kürzesten Zeit in Shuitang verkauft, ohne ich viel dafür sprechen musste. Der Rougui 2005 war so rasch weg, dass ich schmerzhaft vor der leehren Dose stand. Ich hätte gerne welche für mich behalten!

Diese Tees sind nicht nur eine Schönheit zu bewundern, sondern auch eine Dokumentation. Er sagte mir, dass er sich heute häufig fragt, wie der Tee 30 Jahren später werden kann!
„Weiß Du, ich mache, sammele und verkaufe seit 30 Jahren Tees. Ich habe beobachtet, wie ein Tee sich entwicklen und verändern kann! Du kannst nie festlegen, was für einen Menschen oder einen Tee so ist oder so sein wird! Wir können sie nie nur von jetztigen Zeitpunkt beurteilen. Aber wenn Du das Gesetz der Entwicklung verstehst, dann weiß Du wie ein Tee werden kann. Und wenn Du das Tao verstehst, wirst Du ungefähr wissen, wie das Leben sich verläuft.“
Was lerne ich von einem Teelehrer?