Archiv für den Tag 31/10/2009

Der Zauber von Shui Tang

„Ich weiss nicht, ob ich vor Weihnachten noch einmal nach Zürich schaffe – aber vergessen Sie mich bitte nicht!“

Wie könnte ich es? Wie könnte ich einen Unikat vergessen? Nicht nur ich, sondern auch die Teefreunde in Shui Tang, die letzten drei Tagen diese besondere Person kennen lernten.

Er sagte, dass er bereits im Sommer 2 Male vergeblich vor der Tür von Shui Tang stand und erst bei drittem Mal rein spazieren dufte. Unsere erste Begegnung war ein provokatives Gespräch. Er wollte Sencha und ich fragte ihn, ob er nicht eine andere Herausfforderung annehmen würde – ein merkwürdiges Kundegespräch bei Menglin, nicht wahr?

Er nahm die Herausforderung an und trank den Qilan Dancong Shuixian 2008. „Was für einen widerstandsfähigen und verbindlichen Tee!“ rief er. Was für eine Sprache? Was für eine Analogie?

Diesmal sprachen wir über die Unterscheidung zwischen Kunst und Handwerk. Das Thema interessiert mich im Moment inbesonders, da ich das Buch von Yanagi „Die Schönheit der Einfachen Dinge“ lese. Die besonderen Klienten von Shui Tang, die besondere Ansprüche haben, erlauben mir nicht einzuschlafen. H. sagte mir ganz klar, dass die Kunst nichts mit Handwerk zu tun hat. Kunst hat etwas, was mein Großvater einst versuchte zu pflegen – Nutzlosigkeit. Kunst hat keinen Gebrauchswert. Die Kunst steht für sich selbst allein und spricht für sich selbst.

Das Leben ist schön, weil es nicht ein Nutz geben muss. Der Tee ist schön, weil Tee uns nichts bringt, sondern Anstrengung. Wir müssen uns anstrengen, um Tee zu verstehen, um Tee für sich sprechen zu lassen. Nutz hat er nicht, nur Schönheit…. Ist es nicht ähnlich wie die Liebe? Die Liebe bringt einen durcheinander und verursacht Ärger und Anstrengungen. Darum haben wir so viel Angst, vor Verletzung und Abweisung. Darum lieben wir lieber nicht. Liebe ist nur zu lieben schön. Es ist schön, weil es kein Nutz und keine Bedingung existiert. Wenn man eine Bilanz ziehen will, dann lieber liebe es nicht.

Mein Besucher aus fernen Osten, kommt ursprünglich aus hohen Norden. Wir haben alle nicht daran geglaubt, weil ein Hamburger – es ist doch trocken, distanziert und langweilig, nicht wahr? Aber unser H. ist brilliant, schlagfertig und humorvoll. Wir lachten ununterbrochen am Tisch und wurden bestens unterhalten. Seine Kommentare zum Tee ist druckreif. Der Sijichun sei so versöhnungsvoll – lieb und nicht abweisend. Da es am Freitag neblich kalt war, war dieser Tee die Versöhnung des Tages.

Er lobte meine Kleidung, meinen Stil und meine Anmut – wer hätte nicht gerne Komplimente – vor allen eine älternde Frau? Er bewunderte die Mayou, die Orgel- und Pianistin von Frauenmünster. Mit jedem Anwesenden entstand ein geistreiches und spannendes Gespräch. Die vorher unbekannten Menschen wurden später Vertrauten. Mit Chragi wußte er über Kunst und Design zu unterhalten. Mit Sandro und Mayou über das Cocktail der Religionen und die Wege der Moderne. Mit Josef und Michel über die Verwahrlosigkeit der deutschen Sprache. Was bedeutet „geil“? Wir wußten nun ab heute besser! Michel sagte, es hat sich gelohnt, so früh aufzustehen!

Aber wer diese Person ist? Hubert fragte mich am Donnerstag, ob ich nicht schon gegooglt habe? Sicher…. Aber ich finde einfach nichts! Das macht die ganze Geschichte noch spannender!

Er sagte einfach nicht sehr viel über seine Herkunft, seinen Werdegang und wo er sich in diesen Tagen in Zürich aufhält, antwortet er nur, „Im Zürcher Berg.“ Josef fragte ihn, ob er einmal tätig war an der Uni. Er sagte, „Ja, so etwas Ähnliches.“ Spannend.

Am Ende sagte unser Besucher, dass er 3 Sessionen gesessen hat. Es war für ihn ein Erlebnis. Wie schön, dass es Shui Tang gibt!

Was für ein Zauber ist es in Shui Tang, unbekannte Menschen zueinander zu führen?

Wie schön, dass es Menschen gibt, die Shui Tang besuchen, diesen Ort bereichern und beleben! Eine starke Dankbarkeit spüre ich im Herzen und freue mich, auf jeden Besuch!