Vor paar Minuten ist etwas passiert. Etwas Ähnliches, was wie in Solln bei München passiert war.
Am den schönen Sonntag, der Bundestagswahltag, fuhr ich nach Bodman. Ein seltener Ruhetag für mich. Wir schauten zusammen das Ergebnis der Wahl an und seufzten. Bei Rückfahrt sagte mein Teevater zu mir, was die Wahl ihn enttäuschte. Keiner von den Politiker hat das Thema in Solln thematisiert. Die Menschen interessieren sich scheinbar nur für die scheinbaren Zahlen, scheinbaren Erfolge und scheinbaren Wohlstand. Das tatsächlichen Moral, das das menschlichen Leben im Alltag regelt, ist eine Untat! So schauten die Münchener Städter zu, wie ein Mann von zwei jungen Männer zum Tod verprügelt wurde. Und was dieser Mann erhielt, war nicht die sofortige Hilfe und die nötige Unterstützung, sondern das verspätete Verdienst der staatlichen Verdienstorden…
Eine Wegschau-Gesellschaft – so hat man vor paaren Jahren bereits in Deutschland thematisiert.
Gerade kam ich aus Shui Tang auf dem Rückweg nach Hause. Bei Stauffacher stieg ein betrunkener Mann ein und wollte unbedingt neben mir sitzen.
Ich hatte keinen Grund, ihn es abzulehnen. Schliesslich gehört der Platz jedem. Er war betrunken. Ich habe nichts gegen betrunkene Menschen. Jeder hat seinen eigenen Abgrund – ich kenne meinen. Manche fliehen in die Arbeit, manche zum Alkohol, manche zum Sex. Unsere Gesellschaft ist so zivilisiert, dass wir nicht mehr wissen, wie wir mit unserer Aggresivität umgehen – ich einschliesslich.
Der unbekannte Mann war nicht sehr angenehm. Er wollte mit mir sprechen. Ich nahm es einfach so an, wie es war. Irgendwann ist Goldbrunnenplatz angesagt und ich wollte aussteigen. Er verweigerte mir den Weg. In diesem Moment sah ich meinen Fehler – ich hätte wohl ihm nicht am Gang sitzen lassen sollen. Nun war ich angewiesen von ihm. Ich stand einfach am Platz. Alle im Tram sahen es. Ich hatte nicht wirklich Angst. Es geschah zu schnell und ich war konzentriert auf jeden nächsten Schritt. Im Grunde genommen hatte ich keine Angst vor einem betrunkenen – denn ein Betrunkener hat ein weiches Herz – ansonsten würde er nicht selbst zerstören und zur Scheinwelt fliehen…
Ich schaute mich im Tram um. Die Passanten registrierten es. Zwei Männer nickten ihren Kopf zu mir. Sofort kam einer aus der linken Seite, während der andere aus rechten Seite kam. Einer sprach dem betrunkenen Mann ruhig an, während der andere ihn härterer anfasste. Sekundenlang und blitzschnell… Ich konzentrierte mich auf meinen nächsten Schritt. Wie komme ich aus diesem Sitz? Das Tram hielt, die Tür öffnete. Plötzlich stieg der Betrunkene aus dem Tram – fluchtartig und mein Weg wurde gleich frei.
Voller Dankbarkeit schrie ich „Vielen Dank“ in die Luft, zu den beiden unbekannten Kavalier in Zürich! Zwei Kavalier mit Immigrationshintergrund haben mich gerettet. Es ist mir nicht so passiert wie der 50jährige Mann in Solln, nicht weil ich Glück habe, sondern weil die Menschlichkeit hier gelebt wird! Vielleicht ist Zürich tatsächlich nicht wie eine Grossstadt, sondern wie ein Dorf…
Ich fange an, Zürich zu schätzen.