Archiv für den Tag 26/11/2008

Sein Besuch

Er wollte Menschen prortraitieren, zu den er seit mehr als zwangzig Jahren als Teemensch zwischen Orient und Okzident Beziehungen pflegt. Als eine Art von Abschluss moechte er seine Arbeit abschliessen und sich danach zurueckziehen. Er selbst, sei nicht erwaehnenswert.

Weil er selbst nicht erwaehnen wollte, schreibe ich diesen Beitrag um diesen Tagen mit ihm zu widmen. Die sieben Tage, in den wir zusamme verbingen, waren ein Punkt oder eine Koma meines Lebens.

Hanspeter Reichmuth kenne ich seit paar Jahren. Von ihm und von seinem renomierten Geschaeft horte ich zu oft. Fast alle Teeliebhaber in der Schweiz, die ein bisschen unzufrieden mit dem herkoemmlichen Sortiment sind, sind seine Kundschaft. Verehrt und geehrt ist dieser Mann in vielen Augen und Munde des gesellschaftlichen Lebens. Ich dachte, ich sollte Nervoesitaet in meinem Schweiss spueren, als ich ihm zu ersten Mal traf. Es war ein sonniger heisser Tag im Juni und ich machte ihn eine Schale Matcha – einen Tee, den er nicht mochte. Naiv insistierte ich darauf, diesen Tee zu servieren. Er liess es geschehen. Als er die Schale in der Hand hielt und einen Schluck trank, sagte er, „was fuer einen wunderbaren Tee!“ Ab diesem Moment dutzt er mich. Naiv betrachtete ich es als selbstverstaendlich. Tee sprach zu ihm und er verstand die Sprache des Tees. Auf diese Ebene war er fuer mich ein Teemensch, nicht ein besonderer Mann im oeffentlichen Leben. Er war ein grosser Mann fuer mich, weil er sich traute, nur durch eine Schale Tee seine Meinung zu veraendern und vor einer scheinbar Unbekannte die gesellschaftliche Grenze zu ueberstreiten.

Fuer ihn gibt es keine gesellschaftliche Grenze, die Menschen behindern, selbst zu sein. Zehn Jahren Afrika veraendern einen gut buergerlichen Schweizer zu einem Menschen, der wahrhaftig zu seinem Leben steht. In Wystaria Haus, in Musik von Bach vor einer Schale Liu An erzaehlte er mir ein wenig von seinem Leben. Mitte Dreissig hatte er satt mit dem Leben eines gut gebildeten, gut situierten Schweizer. Er entschied sich in die Luft zu springen und merkte, dass die Luft ihn trug. Ohne die Jahren in Afrika waere er ein gewoehnlicher langweiliger Schweizer, der in 80er Jahren ein Vermoegen erreichte, geblieben. Afrika mit seiner Unberechenbarkeit und Schwierigkeiten des alltaeglichen Lebens schenkte ihn die Freiheit eines gewoehnlichen Menschen, anders zu sehen und zu handeln. Er war niemand mit vielen Moeglichkeiten, anders zu werden und an selbst zu erfahren. Er fragte mich, wie waere unser Leben ohne Spiegel? Als ich ihm von meiner Kindheit erzaehlte, wie ein Maedchen mit Junge-Uniform in die Schule gehen musste und ausgelacht wurde, nur weil die Mutter es verwechselte, falsche Uniform kaufte. Das Maedchen fuehlte sich seitdem nicht schoen und nicht akzeptiert. Er sagte, dass die schoensten Frauen, die er jemals erlebte, war in Afrika. Dort fehlte Spiegel, weil das Mittel fuer eine Spiegelung von gueltier Schoenheit fehlte. Die Frauen waren dadruch natuerlich und sie sind sich selbst ohne Korrektur und Kuenstlichkeit. Ihnen fehlt ein Schoenheitsspiegel, der Groesse und Fehler spiegeln sollte.

„Denn der wahre Spiegel liegt an die Reaktionen der Menschen, wie sie mit uns umgehen.“ Natuerlich und sich selbst sein machte eine Frau zu einer Schoenheit, sagte er und ploetzlich war er leicht verlegen, als ob wir nun ein Geheimnis miteinadner geteilt haetten. Er bewunderte die Xingzhong, die uns im Wistaria Haus bediente. Ihr sauberes ernstes Gesicht, ungeschminkt und unkompliziert strahlten ihre dunklen Augen – ehrlich und liebvoll wie ein Licht in diesem alten Haus. „Wie schoen!“ Ich schaute ihn an und hatte fast zu weinen – ein Gefuehl sehr nahe der Schoenheit des Lebens zu sein…

Obwohl er kein Chinesisch spricht, versteht er meinen Lehrer. Er ist ein scharfer Beobachter. Er wusste von der Reaktion des anderen zu lesen, was jeder Mensch um ihn in seinem Leben zu beschaeftigen hat. Er wusste von der Aussage des anderen zu verstehen, ob er selbst verstanden wurde. Als er meinen Lehrer begegnete, sagte er, es sei ein De Ja vu. De Ja Vu? Nein, ich schuettelte meinen Kopf. Sie haben sich bereits mehrmals begegnet und sich vertraut gemacht – im Tee und durch Tee.

Obwohl ich kein Kavalier kenne, koennte ich mir ungefaehr so vorstellen, was ein Kavalier bei einem auswirken koennte. Er trug die Tasche fuer mich, hielt mir die Tuer und er gab mir ein Gefuehl, geschuetzt und gehuetet zu sein. Als er mir half, die Jacke anzuziehen, spuerte ich die Blicke des Neid im Haus Wistaria. Beneidet war nicht die gehuetete Person, sondern die Moeglichkeit, die eigentlich niemals wahr ist, gehuetet und geborgen zu sein.

Kurz vor seiner Abreise erzaehlte er mir von seinem Gedanke ueber mein Leben – ein Versuch zwischen zwei Welten zu leben. Bist Du wirklich geluecklich? Deine Stimme ist doch ganz anders, wenn Du Chinesisch sprichst – tief und weich. Dein Wuensch ein Zuhause zu haben koennte es im Europa niemals erfuellt werden – denn die Menschen dort kennen diese vertrauensvolle Emotionalitaet nicht. Ich bin gluecklich ueber das, was ich mich entschieden habe. Ich bin nicht mehr das Maedchen aus Taiwan, und werde niemals deutsch. ich bin das, was ich bin.

Er seufzte und erzaehlte mir von seinem Vorhaben in nahen Zukunft des Alters. Ein Projekt aus einer emotionalen Begegnung mit einer entzueckenden Person, die einfach das Goettliche im irdischen Leben lebt und das Irdische zum Paradies verwandelt. Vertrauensvoll sagte das junge Maedchen zu einem alten Mann, „If you take care with me, I will go with you.“ Sie koennte niemals mitkommen. Sie sei ein Blume in ihrer sonnigen Welt. In dem kalten Land der Bergen wird dieser Blume verwelken. Das Goettliche ist niemals durch die Grenze des Raums vergesslich. Das Goettliche ueberschreitet den Schranken der Zeit. Menschliche Begegnung bringen das Goettliche zum Vorschein und zu erleben, wenn wir es wollen…

„If you take care with me, I will go with you.“ Du bist ein Zugvoegel, nicht wahr? Wie es weiter geht, weiss ich auch nicht. Eins weiss ich – I will take care with myself.