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Zwischen den Trips to Asia

Vor einer Woche bekam ich eine Email-Kopie von einem Briefaustausch zwischen Josef und dem Vorstand Teeclubs. Josef fühlte sich als entschlossene Singel von der DIN4-Form unserer Gesellschaft diskriminiert. Als Paar der gleichen Postadresse könnte die Hälfte des Beitrags bürokratisch „erleichtert“ werden. Dadurch wusste ich, Josef ist wieder da.

 

Josef traf ich gestern bei Ho Pot bei Wendy. Sicher war ich zu spät und Wendy lachte und zeigte mich mit Zeigefinger an. Wo kann man denn in Zürich einfach und gut essen? Meine Empfehlung wäre Hot Pot und am kommenden Mittwoch gehen unsere Teegruppe dort Abendessen. Mir brachte Josef einen herzlich verpackten Grüntee aus Laos. Er hatte tatsächlich Bedenken, ob dieser einfache Tee mir noch schmecken würde. Selbstverständlich gehe ich davon aus, dass Geschenke liebvoll sind. Dort ist egal, der so genannte Marktwert. Er erzählte von seiner Reise, eine Reise, der von Anfang an von einer Hand geführt wurde, die wir gerne als das Universum nennen.

 

Er lass im Flugzeug den Roman „Pan Aroma“. Ihm sprach die Nachbarin aus Deutschland an, dass sie das Buch gut kennt und ganz toll fand. Dann fanden sie in der Unterhaltung heraus, dass sie ein gleiches Ziel im Auge haben. Er reiste mit diesen Paar paar Tagen und war richtig angenehm überrascht, wie Pan Aroma diese Begegnung ermöglichte. Und das Buch passt genau in seiner Reise in die Welt der duftenden Fremden.

Er kaufte im Niederdort in Zürich das Geo-Magazin über Laos etc. und lass es irgendwann auf der Reise. In Luang Prabang traf er einen Mönch, der ihn zu triefst berührte und ihn segnete. Josef schrieb mir ein SMS in dieser Zeit, dass er den Schutzpatron verlor und sehr nervös wurde. Krank fühlte er sich übrigens. Der Mönch ohne es zu ahnen, wollte ihn segnen. Der Segen spendete viel Trost und Halt. Seine weitere Reise wurde fortgesetzt und nun gesegnet. Später blätterte er irgendwann im Hotelzimmer vor Einschlafen das Geo-Magazin und sah überrascht, das Foto dieses Mönches vor sich. Eigentlich kannte er ihn ja schon, schon in Zürich! Ihn überkam eine Ohnmacht, wie alles zusammengeführt wurde und alles zusammen gefügt ist. Er schrieb dem Mönch über diese Band und diese Band verbindet zwei Menschen aus zwei Welten zusammen.

„Du bist im Rhythmus des Universums.“ Seufzte ich. Er erkundigte sich nach mir. Ich warte eigentlich auf zwei Nachtrichten. Eine kommt wohl nicht mehr. Die andere lässt sich in nächsten Tagen entscheiden und dann wird mein Leben hoffentlich in nächsten paar Jahren sehr viel verändern. Ich in bereit mich an einem Ort zu binden, meinen Traum zu verwirklichen. Ein Laden bedeutet manchmal ein Ort des Angekommenseins. Alles sieht sehr gut aus, aber ich lernte in letzten Zeit, Dinge nicht mit Wille erzwingen zu können. Ich warte einfach ab. Kosmos wird auf mich schauen. Danach gehe ich nach Bangkok, dort wartet meine Familie.

 

Bangkok! Josef schwärmte von dieser sonnigen Stadt! Massage und Essen, mmmmmm! Ja, ab dem Moment der Flugbuchung bin ich nicht mehr ML, sondern DIE Tochter. Alles ist geplant, gebucht und bezahlt. Ich bin nutzlos. Ich wollte nicht mehr DIE Tochter sein und nicht einfach DIE Frau eines Erfolgreichen sein. Wenn man mittellos ist, kann man in den Laden gehen und wieder raus. Sofern man das Nicht-Leisten-Können nicht als Mangel empfindet, ist diese Akt eigentlich einfach, klar und gut. Man hat keine Belastung, einen Platz im Schrank zu suchen und zu finden. Wenn man allerdings nur Geld rausschmeißen kann und für die vielen Dinge einen Platz irgendwo verorten muss, ist das Gefühl danach nicht mehr lustig. Der Bezug zum wahren Leben wird immer dünner und das Lachen muss erstmals wieder gelernt werden. „Lass Dich doch als Erbsenprinzessin verwöhnen! Und in Hua In gehst Du zu Sofitel und denke bitte an Josef!“ Das werde ich tun.

Hot Pot

Birmensdorfstrasse 222 (mit Tram 9 und 14 Goldbrunnenplatz)

8003 Zürich

044-4503031

Die besten kantonesischen Ente im Europa – für ML. Ente, Shaomai und Wantan alles hausgemacht und frisch!

Herbst in Berlin

Ich kann nie nein zu einem Glas Champagner sagen. Ich gestehe zu meiner Schwäche, zu allen problematischen Genüsse. Im Flugzeug war ich nur im Toilette, erbrochen und litt unter Durchfall. Mich schaute die Lufthansa Personal ganz mitgefühlsvoll an und brachte mir Kamillentee. War das Essen im Swiss Lounge so schlecht? Ja!

Mit diesem Gesicht kam ich in Berlin an und Kristine umarmte mich ganz fest! Es gab eine Fischsuppe, original nach Brandenburger Art! Ich fühlte plötzlich gestärkt, nur durch diese Fee vor mir und die Vorstellung von einer Fischsuppe!
Kristine warnte mir, dass sie einen Riesen daheim hat. Ich habe keine Angst vor deutschen Riesen, vielleicht hat er vor mir? Nein, er sei sehr gut eingeweiht mit Schlitzaugen, vor allem mit dem aus Taiwan!

Thomas war bereits mehrfach in Taiwan und befasste in seiner Diplomarbeit die Wirtschaft von den vier Tigerstaaten. Dieser Riesen war freundlich, süß und herzlich. Ein bisschen kindlich, ein bisschen streitsüchtig und ein bisschen sentimental. Ich liebe seine lebendigen farbfrohe Bilder, die ich jeden Tag an meine Tür anschaue. In den vier Tagen bei dem Teefee und dem Riesen wurde ich jeden Tag mit aussagekräftige und erzählerischen Bilder vorgeführt. Ich bewunderte und seufzte.

berlin

Neben dem Teefee und dem Riesen war noch der hübsche blonde Julian da, der sich für Tee und Fußball interessiert. Ich bin für ihn Tante Menglin. Um mich herum gab es noch eine richtig maskuline Kater und eine Mieze. Kristine behauptet, der Kater war total „verknallt“ auf mich. Ja, er verfolgte mich. Ins Bad, in mein Zimmer, oder jeder Richtung. Eigentlich nur weil ich ihm ungenügende Aufmerksamkeit schenkte.

Die beiden Katzen erinnerten mich an meiner Zeit am See. In der Dachwohnung am Bodensee hatte meine Vermieterin zwei Katzen. Ihre Herrin war meistens nicht da und ich war die Ersatzpflegerin für Streicheinheiten. Der Mogli, ein wahrer König mit einer würdigen Haltung und liebvollen Zuwendung. Er hat Charakter und respektiert klare Grenze. Er gab mir viel Trost und Wärme in der kalten Zeit. Das Ende der Geschichte war, dass er Flöhe bekam. Ich war das Opfer. Meine Wohnung musste vollständig geräuchert werden und meine Haut war kaputt. Ich war zu eitel und wollte diesen Schaden nicht noch einmal haben. Ihn sperrte ich vor meiner Tür. Ich war entschlossen und er war entschlossen. Er stand drei Tage und drei Nächte vor meiner Tür. Wahnsinn! Meine Tür war fest geschlossen und ab dem vierten Tag war er weg. Seitdem verschwendet er nie mehr einen Blick. Dieser Kater gab mir dem Laufpass. Wie könnte so etwas passieren? Ausgerechnet von einem Kater! Dann rief mein Nachbar mich an und wollte über den Kater Mogli reden. Er war verknallte auf diesen Kater, der nun einen neuen Schwarm fand. Er bat mich einmal Mogli zu besuchen, weil es ihm schlecht ging. Ich kam in dem schön eingerichteten Salon und sah den Mogli auf dem Louis-Philippe-Sessel zum letzten Mal. Sein Blick ließ mich verstehen, dass er nun ein anders Leben anfing und ich bei ihm nichts mehr zu suchen hatte. Anders als meine schwankende Natur, er ist tatsächlich fest entschieden. Seitdem verbrannte ich meine Finger und wollte keine Katze mehr lieben.

Kristines Kater war anders, aber nicht ohne Weisheit. Ich packte meine Sache heute aus und merkte, dass er seine Spuren überall an meine Kleider und Bücher hinterließ. Während ich die Dinge packte, versteckte er sich in einer Tragtasche. Er ließ mich wissen, auch wenn ich ihn im Moment ablehnte und ihn beiseite schob, werde ich noch einiger Zeit sich mit seinen Spuren beschäftigen. Ich werde ihn nicht so schnell vergessen bis ich ihn wieder begegne.

Vergessen werde ich auch nicht an dem schönen Abend nach dem Seminar. Mit der Familie sind wir zusammen richtig deutsch essen gegangen. Einfach und gut! Ich aß hungrig meine Brat-Kartoffel und Leberkäs, während Julian seine Sparribs knabberte. Natürlich zu einem Glas Bier! (Thomas lästerte über meinen Kölsch – es sei abgestandenen Waschwasser und typisch weiblich.)

Am nächsten Tag traf ich Stefan, den ich seit mehr als zwei Jahren nicht sah. Zu viele Dinge standen dazwischen, zu viele Zweifel hätte einfach verschwinden müssen. Die Zeit war einfach nicht reif und es war stets ein Stein im meinen Herzen. Er holte mich ab, sagte er. Wir kennen uns zu gut. Er weiß, dass ich Nord und Süd nicht auseinander halten kann, Hausnummer immer verwechsele und Straßenname immer falsch buchstabiere. Die einzige Aufgabe von mir sei, pünktlich zu sein. Auf den gold gefärbte Blätter wartete ich auf ihn an dem Straßerand. Die Zeit spielte keine Rolle. Die Ruhe strahlte auf diese Strasse. Plötzlich drehte ich mich um und sah ihn vor mir. Wie lange schon? Seine Augen waren voller Schalk. Dann übernahm er die Regie. Ich ließ mich gerne führen. Ich bin gerne ein Touri und liebe die Berliner Schick.

Herbstlich

碧云天 Bi Yun Tian  – Der blaue Himmel, so blau wie Jade

黄叶地 Huang Ye Di – Der von fallenden Blätter bedeckte Boden, so gefärbt wie im Herbst

 

Die Fahrt war unangenehm. Ich musste meinen Platz drei Male wechseln, nur wegen meiner Bindungsunfähigkeit an einem festgelegten Zug. Entscheidungen zu treffen fällt mir immer schwer, vor allem sich für einen festgestellten Zug oder für einen Gericht aus einer Speisekarte zu entscheiden. Typisch ML, sagen Freunde. Meine Freundin Wendy von Hot Pot bezeichnete meine Eßgewohnheit – immer die gleiche Speise zu bestellen, als typisch schweizerisch.

Innerlich schimpfte ich und hinterfragte, weshalb ich mich auf so eine sinnlose Fahrt nach Frankfurt eingelassen habe. Nur weil ich nett sein wollte, oder weil ich gerne patriotisch aussehe? Paar Exil Taiwanese in Frankfurt zu treffen, über die Lage der Insel zu diskutieren und über die jetzige Machthaber zu lästern erschienen mir so schwachsinnig. Heimweh spielt doch keine Rolle für eine Heimatslose. Die Fahrt war wie ein Jammertal bis ich Marco traf. Ein gesprächiger, unkonventioneller und lebenslustiger Deutsche, der wegen Geld in die Schweiz kam und in Zürich glücklich lebt. Die letzten zwei Stunden nach Frankfurt wurde erleichtert durch seine Lebendigkeit. Ich lachte und lachte. Ich bewunderte ihn, wie er innert kurze Zeit alle meinen Daten sammelte, ein Ente-Essen bei Wendy verabredete und alles ohne das Visitenkarten-Theater.

 

Wenn Leute mich fragten, was ich so treibe, antwortete ich, dass ich Tee betreibe. Die urigen Gesichter der alten Exiltaiwanese, viele sind erfolgreich, meistens Unternehmer in Hamburg, waren immer erstaunt, wie so eine kleine Frau wie ich Tee in Europa betreiben kann. Das Treffen lief gut außer der Auseinandersetzung mit den neuen Botschaftern aus Berlin. Ich lernte viele interessanten alten „raren“ Typen kennen, die ihre Vergangenheit nicht vergessen wollen, nun im fremden Norden leben und eine harte spannende Exilgeschichte wie Krimi hinter sich hatten. Z. B. Dr. Wu, der im 50er Jahren in der Türkei promovierte – wer promovierte überhaupt in dieser Zeit in der Türkei (?), und dann im Museum Berlin landet. Am kommenden Wochenende muss ich ihn unbedingt in Berlin besuchen. Er sammelte Theater-Puppen. Als er seine Sammlung auspackte, war ich verzauberte von der Schönheit der Puppen, die aus verschiedener Epoche stammen und ihr Glanz nicht verliert. Was ist denn überhaupt Kunst? Was für eine ansteckende Kraft hat diese winzige Puppe, die trotz der Zeit immer noch leuchtet und eine Geschichte erzählt? Auf der Insel gehören die Puppen und diese Kunst zur Vergessenheit. Dr. Wu ist ein Mensch, der die Vergessenheit dokumentiert und das Vergessene archiviert – in seiner Zeit im Berliner Musuem und in seinem Leben für die Insel. Junge Menschen auf der Insel schauen nach Morgen anstatt nach der Gestern. Meine Faszination begeisterte und erfreute Dr. Wu, dessen Tätigkeit wohl einen einsamen Weg bedeutet. Ich verstehe es nur zu gut.

 

Von Tee hatten sie tatsächlich keine Ahnung, wundern sich, dass man in Europa sich für Formosa Oolong interessiert. „Wer kauft denn so teueren Tee aus Taiwan?“ fragten die meisten mich. Formosa Oolong ist ein vergessener Begriff auf der Insel, wo es nun Englische Tees und Indien-Tees trendy sind. Ich bemühte mich, es zu erklären, was einem Oolong zu einem Formosa Oolong macht und weshalb der Formosa Oolong immer noch Formosa sein sollte. Ich sollte doch in nächsten Mai in Belgien mithelfen, wenn es dort ein Taiwan-Tag stattfindet. Formosa Oolong ist ja so einzigartig wie unser Land…

晓来雨过, 遗踪何在, 一池萍碎

Nach dem kurzen Regen, finde ich Deine Spuren nicht. Im Wasser ist nur gebrochene Welle.

 

Trotz dem vier-steinern Hotel war das Essen richtig zu „kotzen“. Ich litt unter Verdauungsstörung. Magenschmerzen und Durchfall liess mich nachts nicht schlafen. Ich würde gerne wieder nur Reisbrei von meiner Mutter essen oder etwas einfacheres. Als Jörg mich zu einem Apfelweinbeiz brachte und ich Sauerkraut und Püree bestellen konnte, fühlte ich mich richtig wohl. Sauerkraut! Ich weine fast. Ich fragte Jörg, „Wie so bin ich denn überhaupt in Zürich gelandet?“ Er versprach mir ein Sauerkraut-Restaurant in Zürich aufzumachen – nur wegen mir.

Vergessen ist ein grausamer Akt. Heimweh und Sehnsucht nach jemandem manifestieren sich durch Magenschmerzen. Ich spürte die Säure und Frische des Krauts. Vergessen wird es, weil man glaubt, somit weiter gehen zu können…

Boss des eigenen Lebens

Zu wenig Muße, zu wenig Aufnahmefähigkeit. So vernachlässige ich meine Teeliebhaberei. Um einen Tee kennen zu lernen, ist zeitaufwendig und der Geist muss offen sein. Letzter Zeit war kaum möglich, einen liebeswürdigen Tee zu entdecken. Schon lange wollte ich Rougui besser verstehen. Exemplare gesammelt, aber kaum etwas daran gearbeitet. Ein wahrer Faulpelz.

Ein Rougui 2005 Frühling aus Nantou. Wie alle Tees von meinem Lehrer duftet der Aufguss nach reifen Blättern. Der klare süße Duft beflügelt mit dezente Pfefferminz und Zimt. Wunderschönen geschmeidigen Abgang! Ich sehe wieder den Sonnenschein im Südtaiwan!

 

Als die Sonne im Zürcher Himmel auch schien, meldet sich Skype. Es war ein überraschender Besucher, den ich nie gedacht habe. Wie hat er denn geschafft, mich im Cyberspace auf diese Art ausfindig zu machen?

Ich kenn Shin seit dem ersten Schultag. Eine treue Seele, typisch Skorpion? Ich weiß nicht. Mit seiner Frau ist er bereits seit 22 Jahren zusammen. Für mich eine Verrücktheit! Doch ein bisschen beneidenswert. Er pflegte unseren Kontakt bis vor 4 Jahren, als seine Frau wieder schwanger wurde. Ich traf sie zum letzten Mal. Damals dachte ich, was für eine glückliche Familie! Dann hörte ich nicht mehr von ihm und ich bin ja ein Faulpelz…

Er hat sich verändert. Seine Stimme war rau und nachdenklich. Vier Jahren liegen nun dazwischen. Wovon sollte man denn anfangen zu erzählen? Was wollte er mir denn erzählen, so dass wir endlich wieder einander zuhören konnten? Er trank Tee, sagte er. Er war schon immer Teeliebhaber, vor allem Hochlandsoolong. In meinem Regal steht immer noch die rote schön Teekanne von ihm, die er mir vor 10 Jahren schenkte. „Alles hat sich verändert. Nicht wahr?“ fragte ich ihn einfach. „Ja, alles.“ Nach der Geburt von Tochter hat sich alles verändert.

 

Er lernte eine Person kennen im virtuellen Ort, aber so real, dass er glaubt, nie so real gelebt zu haben. Diese Person lehrte ihn das Leben anders zu sehen, wahrzunehmen, indem sie sich einfach in ihm verliebte. Zuerst gechattet, dann geschrieben und dann werden Gefühle gespeichert und ausgetauscht. Ganz trivial. Das kennen wir. Er erfuhr zum ersten Mal, sagte er, dass man für etwas bedingungslos tut, ohne an sich selbst denken zu müssen. Da er eine Familie hat und gebunden ist, ist der Ausgang wohl ziemlich klar. Wenn er sich nicht für diese oder für jene entscheidet, hat jeder Beteiligte nur unbefristete Schmerzen zu ertragen. Er hat sich nicht entschieden. Also hat die andere Person sich entschieden. Sie nahm einen liebvollen Abschied und überließ ihn seiner Familie. „Dann ist es wohl ein Happyend?“ „Nein. Ein eiskalter Stillstand.“ Kein Sturm, nur einfach eiskalt. Seine Frau verschließt sich in Bitterkeit. Ein Stillstand voller Verletzungen. Nur die Kinder werden immer größer, wacher und lauter. Ihn quälen moralische Vorwürfe, die er von aller Seite und von seiner Erziehung bekam. Das Leben wurde Pflicht und Schuldabzahlen. „Ich bin ein schlechter Mensch.“ glaubte er. „Auch ein schlechter Mensch hat Recht, sein Glück zu suchen!“ „Was?“ „Auch ein unmoralischer Mensch kann nichts dafür, dass der Andere sein Glück nicht sucht und holt.“ ich lachte im Skype, „Jeder muss selbst schauen, dass er zu seinem Glück findet, nicht wahr? Manchmal ist es auf Kosten des Anderen. Darum bist Du unmoralisch. Aber auch der Andere ist selbst verantwortlich. Deine Frau kann sich auch entscheiden, zu leiden oder zu lachen.“ „Das höre ich zum ersten Mal seit Jahren, dass ich auch Recht habe, auf Glück.“ Er lachte.

In chinesischer Vorstellung würde man nie Paare auseinander zu raten, weil man glaubt, schlechtes Karma zu bekommen. Karma hin und Karma her. Aufrichtig zu meiner Freundschaft sagte ich ihm, „Wenn Du glücklicher wirst, wirst Du ein glücklicher Vater. Deine Frau kannst Du nicht verändern. Du hast allerdings noch viele Jahre zu leben und Deine Kinder sollen einen glücklichen Vater erleben.“ Wiederholte ich. „Du muss glücklicher werden.“ „Würde es gehen?“ Er bemitleidete selbst. Diese dritte Person hinterließ ihm viele Fragezeichen. „Ich habe sie bestimmt verletzt. Sie hat ja keine Hoffnung mehr bei mir gesehen.“ Dass sie keine Hoffnung sah, war es wohl von Anfang an klar. Was hätte sie von einem gebundenen Mann erwartet? Wenn sie verletzt wäre, wäre der Abschied vorwurfsvoll und zäh. Wenn sie nur ein Kopfmensch wäre, hätte sie sich nie auf ihn eingelassen. „Sie möchte, dass Du ein glückliches Leben führst – auch ohne sie. Weiß Du? Wenn sie Dich tatsächlich liebte, wollte sie Dich nicht in der Klemme sehen. Also machte sie Dir Deinen Weg frei. Wenn diese Liebe kein Geschenk wäre, was wäre es?“ als Außenseiter kann man die Handlung gut nachvollziehen. „Du bist reichlich beschenkt worden. Was willst Du denn mehr?“ Ich hörte nur schluchzen. Ich seufzte. „Du muss einfach glücklicher werden. Du hast ein Geschenk erhalten. Es ist ja wirklich ein Glück.“

Es war ein Gespräch vor knapp zwei Stunden. Es war gegen Abend in Taipei, während es in Zürich ab und zu Sonne schien. Seine Tochter rief ihn an und fragte ihn, wann der Papa nach Hause kommt. Sie sei stolz, dass ihr Vater der Boss ist. Der Boss in eigener Firma, aber nicht der Boss in eigenem Leben. Zumindest bis jetzt.

ZeitPhänomen

Zeit ist ein Phänomen. Ein gelagerter Tee ist ein Phänomen. Die Liebe zwischen Menschen ist ein Phänomen. Die Liebe zwischen Menschen und Tee ist ebenfalls ein Phänomen.
Zeit kann man messen, mit Uhr. Ein gelagerter Tee kann man messen, mit Nase (für manche mit der Jahreszahl). Die Liebe zwischen Menschen kann man vielleicht nur mit Schmerzen messen. Was bedeutet schon die Dauer, die man einander kennt? Was bedeutet schon die Zeit, die man gemeinsam verbringt? Wie willst Du die Distanz und den Prozeß messen, zwischen der Vergangenheit und der Gegenwart, zwischen Gestern und Heute?
Für  alte chinesische Tradition verschenken Liebende gegenseitig nie die Uhren. Es würde bedeuten, die Zeit zu messen.

Zu Mondfest rief mein Teelehrer in Taipei mich an. Er hatte eine besondere Bitte. Er wollte eine Teeuhr, sagte er. Ich verstand, dass er eine Kücheuhr meinte. Er sagte, schlicht, aus Edelstahl, elegant, nicht zu teuer. Paar Tage später rief er mich wieder an und fragte, „Und?“ Mir ging nicht gut und nahm diese Aufgabe nicht besonders ernst. Was ist denn schon eine Kücheuhr, die man überall kaufen kann. Ich sagte ihm, dass ich in Zürich nichts Gescheites fand. Ich werde ihm eine Teatime-Uhr mitbringen, mit digitalen Ziffern. Er wurde plötzlich wütend und warf mir vor, dass ich ihn nicht ernst nahm. Ich erwiderte seinem Vorwurf mit dem Argument, dass er ein Fossil sei. Wer benutzt heute noch solche komische mechanische Teeuhr. Die Firma, die er unbedingt wollte, produziert es schon lange nicht mehr. Er legte seinen Hörer einfach ab. Ich bin zu weit gegangen. Er nahm meinen weiteren Anruf nicht ab.
Seinen Partner rief ich an, den Onkel Zhong. Er lachte sofort, als er mich hörte. Mein Lehrer sei sehr enttäuscht. Er meinte, er sei in den Wechseljahren. Warum denn? Was ist passiert? Er erzählte mir, dass alles mit dem Typhone zusammenhing. Mein Lehrer verlor eine wertvolle Ladung gelagertes Dongding und seine komische mechanische Teetime-Uhr. Es tat ihm so weh und hatte ein Streit mit seiner Frau, die angeblich verursachte. Tee ist kaputt. Die Jahren, die Suche und die Zeit, die man wartet, sind verloren, vergeblich und vergangen. Aber die Uhr wollte er wieder unbedingt haben. Eine deutsche Produktion, die Menglin wieder gut machen kann, hofft er.

Irgendwann rief er mich wieder an und sagte mir, dass seine Frau sagte, er solle eine Alessi-Uhr kaufen für Tee zu messen. „Ich bin ein Fossil. Ich gehöre eigentlich zum Museum. Für eine Fossil spielt die Zeit keine Rolle mehr.“

Er hängt sehr an diese Uhr, eigentlich hängt er an seinem Zeitgefühl, das mit dieser alten Uhr verbunden ist. In Mingjian sagte er mir, dass wir keine Uhr brauchen, um Tee zu messen. Unsere Nase ist der Messer. Wenn die Teeblätter bereit sind, uns zu erlauben, einen weiteren Schritt zu beginnen, verkünden sie uns mit Düften. „Merke Dir die Düfte, wie der Takt der Sekundenanzeiger.“ Nun bei einer Tasse Nostalgie Dongding neben dem Bildschirm schmecke ich die Reife der Teeblätter, wenn die Deckel der Teekanne abgedeckt werden. Die Reife der Blätter ist mit der Nase zu messen. Diese Messung lernte ich mit der Zeit, die ich vergaß zu messen. Ich speicherte es nur mit meinem Körper.
„Weiß Du, ein gelagerter Tee ist auch eine Uhr. Eine unsichtbare.“ Ein gelagerter Tee ist ein Uhr, die Reife der Blätter, die Intensivität der Arbeitszeit und das geduldige Warten des Liebhabers, messt, speichert und anzeigt. Die pflaumigen, süßen und fruchtigen Aromen sind die Speicher der Zeit.

Für mich ist eine Uhr nicht ein Messer der Zeit. Die Uhr hat mir immer etwas anzuzeigen, eine neue Epoche, eine Ära oder ein abzuschliessendes Ende. Komischerweise erlebe ich eine Zeitabschnitt immer durch den Stillstand der Uhr. Wenn etwas zu Ende geht, stand meine Uhr unbeweglich, als ob meine Uhr einen anderen Takt folgen würde, als die Zeit. Wahrscheinlich verweigere ich bewußt, einen Anfang oder ein Ende wahrzunehmen, so dass das Kosmos mir durch die Weigerung der Uhr anzeigt. Ich kaufe gerne Uhren und schaue gerne Uhren. Die Schönheit, die Vereinigung von menschlichem Willen und komischen Takt einer schönen Automatik-Uhr fasziniert mich immer wieder. Ein Arm mit einem maskulinen schlichten IWC Uhr ist richtig hinreisend erotisch. Aber leider keine feminine Auswahl. Seit Wochen suche ich wieder nach einer Uhr. Aus irgendeinem Grund zögere ich und warte. Bis jetzt keinen Beute.
Zeit läuft unabhängig von menschlichen Willen. Menschlicher Wille läuft oft gegen die Zeit.
Wer interessiert sich heute noch die Zeit zu messen? Wir wollen doch nur die Ziffern der Messung ablesen und weiter im Rad laufen.

Als ich Hanspeter von dieser Geschichte erzählte, lachte er. Er verstand meinen Lehrer sehr gut, sagte er. Er ist ebenfalls ein Fossil, ich weiß. Ein seltenes Exemplar, darum verstehen die Beide über Tee gut ohne sich wirklich kennen lernen zu müssen. Was bedeutet schon die Zeit? Was könnte eigentlich die Messung der Zeit für das bedeutet, was zwischen Menschen gespeichert wird?
„Ich kaufe Dir eine schöne Teatime-Uhr in Berlin. Eine mechanische. Da habe ich Zeit und Ruhe, eine zu suchen. Eine Made in Germany.“ versicherte ich ihn heute morgen. „Eine Alessi aus Italien passt nicht zu einem Fossil.“

Erbsenprinzessin

Tom fragte mich, wie ich zum Tee gekommen bin. Ich antwortete ohne zu überlegen mit Schicksal und Zufällen. Aber wenn ich in der Ruhe während den Ruhetagen darüber nachdenke, stelle ich fest, dass alles mit meinem gleichgültigen Großvater zusammenhängt. Man wird gleichgültig, weil man sich nicht mehr verletzten lassen will. Man wird gleichgültig, weil das Herz bereits starb. Als mein gleichgültiger Großvater vor 10 Jahren endgültig starb, fing ich mit Tee an. Damals wurde ich Erbsenprinzessin bezeichnet – von Freundinnen.

 

Seit ich mich erinnern kann, saß mein Großvater immer allein in der Dunkelheit und trank ruhig seinen Tie Guanyin aus Muzha. Als ob der Tee, das einzige Wahre in der Wirklichkeit gewesen wäre. Fernsehen verstand er nicht, mit seiner Frau sprach er nicht, uns interessierte er nicht. Mit meiner Schwester sprach ich gerne Chinesisch, eine Sprache, die mein Großvater nie lernen wollte. „Otosan“ rief mein Vater ihn ab und zu und dann sprachen sie kurz miteinander. Seine Kommunikation beschränkte sich mit Zeitungen. Wenn er manchmal gut drauf war, zog er seinen schönen Anzug an, trug einen Filzhut und seine IWC-Uhr. Mit einem Hinoki-Stock nahm er uns ans Meer. Wir gingen große Schiffe anschauen! Auf der Strasse war er wieder ein Mann, ein gut aussehender charmanter Mann. Alle grüßten ihn und riefen ihn. Ich realisierte plötzlich, dass er nicht der Trottel ist, den ich zu Hause kenne. Wenn wir am Hafen waren, in Keelung. Er brachte uns zum alten Teehaus und Läden in der Altstadt. Er wurde gegrüßt und würdig empfangen. Mein Großvater war jemand, den wir daheim nicht kannten.

Selbst seine Töchter respektierten ihn nicht wirklich. Sie hatten alle das Trauma von seinem Bankrott. Außerdem war er für sie ein Feigling, der nicht für sein Besitztum kämpfte. Als andere Hausbewohner, die wegen der Großzügigkeit meines Großvaters bei uns leben duften, aus Gewohnheitsrecht bezog, Anspruch auf das Grundstück zu nehmen, blieb mein Großvater schweigend. Er sagte, das Land gehört so wie so allen. Mit diesem Spruch verlor er Respekt von seiner eigenen Familie. Meine Tanten erzählten mir sehr gerne, wie sie einmal lebten und wie großzügig alles war. Nur mein Vater lachte darüber. Er ist in Augen meiner Tanten die rettungslos geizige Ausnahme im Haus.

Ob mein Großvater nur ein Hobby als Teetrinken hatte, wusste niemand. Nach seinem Tod erbten wir eine Sammlung von Kalligraphie, eine vielfältige wertvolle sogar. Monaten lang standen die Kalligraphie in dem hintersten Haus, die nicht abgeholt wurden. Meine Onkels fragten einmal meine Mutter, ob sie darauf verzichten konnten. Ich würde sie gerne nach Europa bringen, nicht im Ebay zu verkaufen, aber in meinem Speicher aufzubewahren. Aber ich habe das Recht nicht, da ich eine Tochter des Hauses bin.

Als die Großmutter starb, dachten alle, dass er auch nicht mehr lang lebte. Aber er lebte, weiter mit einer Gleichgültigkeit. Eins war ihm nicht egal. Er braucht immer Diener. Für ihn wurde Mary aus Manila geholt. Eine schlanke Krankenschwester mit dunkler Haut und langen dunklen Haar. Zuerst schlief sie in seinem Zimmer, Monate später bestand sie ein eigenes. Mein Vater verstand es nicht. Für ihn war mein Großvater viel zu alt. Meine Mutter stimmte ihr zu und räumte ihr ein Zimmer frei. Meine Schwester erzählte mir einmal, dass mein Onkel die schönen Haare von Mary streichelte – in der Anwesenheit seines Vaters. Ich verstand plötzlich, wie das Mädchen sich vor diesem alten Mann fühlte. Schutzlos. Paar Jahre später verschwand sie. Dann wurde eine chinesische Malaysierin geholt. Meine Mutter verlangte von uns immer höflich mit den Menschen zu sprechen, die für uns arbeiten. Also wir redeten sie mit Tante Hua (Blume) an. Tante Blume war nicht blumig und lieblich. Sie war anders als Blume. Mein Großvater war gleichgültig mit ihr zufrieden. Seine Gleichgültigkeit ist manchmal ein Mantel, denke ich. Damit er nicht mit der Welt auseinandersetzte, in der er nur vorüber reiste. Als ich ab und zu jemanden aus Deutschland nach Hause mitschleppte, als meine Eltern deswegen wütend waren, redete mein Großvater sogar mit dem Fremden, der ihn jedenfalls nicht verstand. Es war meinem Großvater gleichgültig, ob das Verständnis da war. Es war gleichgültig, wie andere auf diesen Fremden reagierten, er hatte ihn gleichgültig gerne.

 

Als er wirklich starb, war das schlimmste Erdbeben in Taiwan, das wichtigste Teeanbaugebiet wurde dadurch zerstört. Ich hörte diese Nachricht mit einer Gleichgültigkeit, die ich gut von meiner Familie kenne. Plötzlich überwältigte mich eine Ohnmacht. Ich rief meinen damaligen Partner an. Er hatte wichtige Experimente und Studenten im Labor. Abends hatte er noch Sitzungen und Verpflichtungen. Meine gute Erziehung erlaubte mir nicht noch mehr zu sagen. Er verstand meine Weinerei nicht, da er meine Gleichgültigkeit zu meinem Großvater kannte. Verständnislos legte er den Hörer ab. Er verstand wohl bis heute nicht. In diesem Moment realisierte ich die Gleichgültigkeit des Großvaters und meines. Sein Herz starb bereits vor 40 Jahren und meins seit paar Jahren. Um die gewünschten Bahn nicht zu verlassen, um Ideal des anderen nicht zu enttäuschen, um ein bequemes Leben zu bewahren muss man manchmal mit einem schweren Herzen als Preis bezahlen. Das Herz wird immer schwerer und irgendwann ist es tot.

 

Damals bezeichnete mich eine Studienkollegin als Erbsenprinzessin. In ihren Augen hatte ich alles, was eine sich wünscht. Es war Projektion des anderen. Mein Großvater ist endgültig tot, aber ich muss noch ein paar Jahre leben und zwar glücklich. Ich musste mein Leben verändern. Ich flog in jenem Frühling nach Brüssel und bin zum ersten Mal Nojiri Sensei begegnet. Seitdem bin ich in einem Weg gelandet, der kein Ziel hat. Seitdem stand ich vor einer Tür, die keine ist. Nur eine Schwelle, die ich selbst bin. Manchmal suche ich noch Bruchstücke dieser Prinzessin. Ab und zu bin ich ihr noch begegnet. Dann streichele ich sie. Auch eine Erbsenprinzessin kann lernen, dass man alles von Null Schritt für Schritt anfangen kann. Auch eine Erbsenprinzessin kann lernen, dass man Verantwortung für sich selbst übernehmen kann, sich zu entscheiden für Scheintod oder für das Leben. Eine Erbsenprinzessin kann auch lernen, dass sie so ist, wie sie ist. Und es ist so in Ordnung.

Das war mein Weg zum Tee.

Life Balance

Als das älteste Kind einer konservativen Familie wurde ich geboren. Dass es kein Sohn war, war sicher schwer für meine Eltern. In der Schule staunten allen, wenn man meinen Name rief, aber ein Mädchen erschien. Für meine Mutter war es ein unbewusstes Wiedergutmachen mit meiner Vatersfamilie, obwohl ich kein Junge bin, aber einen Name trage wie ein Junge. Als mein 6 Jahre jüngerer Bruder gebar, waren alle erleichtert. Der Stammbaumhalter ist endlich zur Welt gebracht.

Mein Bruder wurde von allen geliebt, an der Strasse von dem Fremden, in der Familie von allen Sippen und sogar von meiner Hauslehrerin, die mir zu Hause Unterricht erteilte und sein Foto vergrößerte. Er hatte eine Pflegemutter, sie vergötterte ihn. Wir spielten mit ihm, verkleideten ihn als Mädchen, malen mit Lippenstift in seinem Gesicht. Er lachte immer wie ein Prinz, wenn wir kriechend über ihn lachten. Später untermauerte ich mich in dem Elfenbeinturm, die chinesische Erziehung war mir zu wider und lebte in meiner eigenen Welt. Es war eine Flucht gegen meine kühle dominante Mutter, nur mein Vater zeigte sein Gefühl, wie sehr er seine Tochter liebte. Mein Bruder lebte auch in einer anderen Welt, in der Sonne und Liebe fluchten.

 

Ich schaue selten zu meinem Bruder, nur einmal und es war eine einmalige Erinnerung zwischen Bruder und Schwester. Meine Eltern waren in Japan oder vielleicht in Hongkong, ganz selten zu zweit. Ich nahm meinen Bruder mit zum beliebten Ausflugziel wie Disneyland. Ich war 14 und mein Bruder 8. Wir hielten unsere Hände stets zusammen, ganz selten und wahrscheinlich war es das einzige Mal. Er wollte Hot Dog, und ich kaufte ihm Hot Dog. Er wollte mit dem Riesenrad fahren, also wir fuhren Riesenrad. Er wollte Eis essen, also wir aßen Eis. Er wollte essen, während wir liefen, also wir aßen während wir liefen. Das war alles eigentlich von unserer familiären Erziehung nicht erlaubt. Wir taten es und hielten unsere Hände immer zusammen. Er war glücklich und ich war glücklich. Zum Schluss fragte er mich, wann meine Eltern wieder fort gingen, und ich ihn wieder mitnehmen konnte. Es war aber das einzige Mal.

 

Später hielt ich immer nur im Ausland auf und mein kleiner Bruder geriet in der Schulsystem-Schleuder. Wenn ich ab und zu zu Hause war, sah ich nur einen gequälten Jungen, der nachts noch lernen musste. Allen sagten ihm, Deine Schwestern schafften es und Du muss es auch. Er blickte zu zwei dominanten Schwestern und fühlte sich wohl ohnmächtig zugleich. Später ging er nach London und absolvierte zwei Master, nur um länger in London unter den Fremden allein aufzuhalten. Unfreiwillig ging er nach Hause und wurde Manager eines traditionellen japanischen Unternehmens. Er hat kaum Zeit. Sein Zuhause ist das Flieger und der Firmwagen. Selten ist er zu Hause. Er heiratete eine wunderschöne Frau, eine Tochter eines chinesischen Soldaten. Sie kam mit unserer traditionellen konservativen Familie nicht klar. So viele Namen, so viele Fest und ständige Versammlungen überfordern diese junge Frau aus einem anderen Verhältnis. Mein Bruder lebt zwischen seiner jungen Familie und meiner Familie, zu der er eine Verpflichtung schuldet, denn er ist der Prinz der Hoffnung. Meine Schwester beschwerte sich oft über die Zustände. In dieser Angelegenheit gibt es keine Opfer und Täter. Es ist nur ein Lernprozess für allen Beteiligten. Ich schweige meisten.

 

Heute wutet Taiphone in Taipei. Sturmisch und regnerisch, ich bekam zufällig ein Email meines Bruders. Er machte sich Sorge um mich, schrieb er. Denn mein Vater jammerte vor meinen mangelnden Nachrichten. Wir skypten ein wenig. Er erzählte von Streitigkeit meiner Eltern, von unserem Verwandten und von seiner Firma, nur nichts von ihm. Ich fragte ihn direkt, wie es ihm geht. Er schwieg kurz und sagte mir, dass er nun anfangen will, mehr Oolong zu trinken anstatt Coke. „Weiß Du, ich bin älter geworden. Ich muss auch schauen wegen life balance!“ Life Balance? „Life Balance.“ Wiederholte er noch einmal. Er fragte mich, ob ich mich erinnern könnte an unseren einzigen Ausflug, nur Bruder und Schwester. Ja, meine Tränen tropften schon vor Bildschirm. Er sah mich aber nicht. Als Prinz der Familie lebt er immer im Traum des anderen. Life Balance bedeutet für ihn den ersten Schritt nur als ein Mensch zu leben. Als Protest gegen unsere strenge Erziehung hasste er gesunde Getränke. Nun entdeckt er, dass er auch lernen kann, nur aus seinem Impuls zu handeln anstatt aus Protest. Er lernte neue Menschen kennen, meinte er. Coke macht viel Blasen im Glas, es bleibt aber nicht viel übrig, lachte er. Er lernt, Zeit zu nehmen, auch für seine Schwester, die selten auf ihn schaut. Er lernt, sagte er, nicht als Sohn oder als Ehemann zu leben. Er lernt, dass andere auch lernen müssen, mit neuer Situation selbst zu Recht zu kommen. Er lernt, dass er nur die Hände ausstrecken muss, um Freiheit zu nehmen. Freiheit zu nehmen, um optimistisch zu sein. Er fragte mich, ob ich jemals das Gefühl hätte, dass es eine Freiheit ist, nur Entscheidung für sich selbst treffen zu können? Er lernt, Entscheidungen zu treffen aus einem freien Willen anstatt aus einer Abhängigkeit.

 

Den Life Balance Tee habe ich meinen Bruder empfohlen, einen gerösteten Tie Guanyin zu trinken. Ein gerösteter Tie Guanyin spendet Energie und Wärme. Oder einen Paochung, der Einsteiger mit Düfte und eleganten Aromen verführt. Aber Liefe Balance schafft der Tee allein nicht. Er lachte im Skype.

Wir hatten das Gefühl, dass wir wirklich Bruder und Schwester sind. Wir waren fast überzeugt, dass unser Leben in guten Bahnen verlaufen wird und alles zu Guten wenden müsste.

Das Wesentlichs ist für die Augen unsichbar

Mein junger Schauspieler Freund Dirk hat es nicht einfach als ein deutscher Schauspieler in der Schweiz. Er sollte nach Berlin gehen, rate ich ihm. Er kämpfte noch in dieser von Bergen umkreisenden Insel, betrachte es als eine Auszeit der Reflexion und hoffte auf sein Glück. In dieser Transformationszeit braucht er Menschen, die ihm zuhören, anstoßen und manchmal nur bekochen. Er meinte, dass er von Hexen umgebend ist, in positiven Sinne. Seine Chefin sei eine gute Hexe, in der ähnlichen Qualität wie meine. Diese Hexen lehren ihn viele Lebensweisheit aus der weiblichen Sentimentalität, die er sonst nie erfahren würde, wenn er sich dieser Auszeit nicht gönnen würde.

Jeden Morgen gießt er den Grüntee auf, den ich ihn schenkte als ich mich entschied, meinen Schrank zu räumen. Die Gusseisen-Teekanne bekam er als Geburtstaggeschenk von einer anderen Hexe, die ihm beruflich so viel hilft. Dieses Ritual gewöhnt er sich nun am jeden Morgen und bekam ein Halt für den ganzen Tag. Anscheinend brauchen Männer weibliche Ohren und erzählen gerne Frauen von seiner unglücklichen Lieben. Ich hörte unterschiedliche Geschichte von ihm zu. Manche Geschichte werden unfreiwillig abgebrochen und gären irgendwo in einem verlassenen Ecke im Körper und warten auf eine Chance um auszubrechen. „Ich sage es Dir einfach wie von Mann zu Mann und hoffe, Du verträgt es. Warum sehen Männer nur hübsche Frauen? Weiß Du, ich habe es so satt mit Prinzessinnen! Ich will nicht mehr komplizierten Geschichte haben!“ „Schöne Frauen sind unsichtbar.“ Das sagte P. Roth. „Warum? Man sehen sie sofort.“ „Das Wesentliche kann man nur mit Augen übersehen.“ So lief oft unser Gespräch.

Als Dankbarkeit für mein Caterinservice für ihn, lud er mich ein zur einen Kultur-Veranstaltung, in der er als Sprecher einen Text liest und gutes essen gibt. Außerdem gäbe es einen ganz tollen Pianist, den ich unbedingt kennen lernen sollte. Der Raum war bereits voller Zuschauer. Es war eigentlich ein Vernissage von einer Malerin, die in Romanshorn lebt, eine musikalische Darbietung und eine Lesung. Dazu noch ein ganz edles Cateringservice. Ich dachte zuerst, ich wäre in einem falschen Film und wollte gleich wieder raus. Doch war es diese besondere Malerin mit dunklen starken Augen, die mich anzog, dort zu bleiben. Es war viele Menschen, die mit ihr sprachen. Als Außenseiter genoss ich einfach das gute Häppchen. Die Musik war ausgezeichnet. Der Pianisten spielte nicht nur Piano, auch Saxofon und Flöte etc. Als man ihn vorstellte, wie viele Instrumente er spielt, zuckte er nur sein Schulter und sagte, er habe kein Diplom. Ein guter Typ.

 

Dann kommt endlich die andere Hexe, von der Dirk immer wieder erzählte. Die Sima, eine schöne vielseitige Schauspielerin, die Balletttänzerin, in verschiedenen TV-Serien und sich sofort für den Montag einen Besuch bei mir zum Tee anmeldete. Dirk sagte mir, dass es so sein muss. Seine Teekultur, die aus meinem Tee und der Kanne von Sima besteht, bringt uns beiden selbstverständlich zusammen! Eben eine karmische (schicksalhaft) Verbindung.

Als Besucher allmählich sich verabschiedeten, kam die Malerin zu mir, sprach mir an, dass sie von meiner Tätigkeit erfuhr. Sie wollte wissen, ob es eine Möglichkeit gäbe, etwas mit Ausstellung und Tee zusammen zu verbinden. Das würde ihr sehr gefallen. „Das Sehen des Bildes und die Teilnahme an einem Tee finden in der Wirklichkeit nicht durch die Augen statt, nicht wahr?“ Sie war berührt. Sie würde sich freuen, mich als Gast am Bodensee zu haben.

 

„Hast Du seine Visitenkarte?“ fragte Dirk mich, als wir zusammen zu Central liefen. Ich zuckte meinen Schulter. „Weiß Du, ich wäre gerne ein Schwuler – wegen ihm!“ Er schlug mit seiner Hand seinen Kopf. Ich versicherte ihn, dass ich auch gerne Schwuler wäre. Männer sind sichtbar kindisch, nicht wahr?

Vor seinem Trip to Asia

Vor seinem Trip to Asia traf ich Joseph zu einer Schale Tee in Seiundo, eine ruhige Teeoase integriert mit Galerie abseits von Zürcher Geschehnisse. Das war ein Premier für mich das Teehaus zu besuchen, ebenfalls ein Premier Joseph in einem privaten Rahmen zu treffen. Den Schulerleiter kenne ich von Teeclub und flüchtig, wie die meiste soziale Beziehungen sind.

Eine Tasse Gyokuro wünschte ich mir. Inhaberin Atsuko Ikeda, eine ruhige unscheinbare kleine asiatische Frau. Sie spricht nicht, wenn sie nicht gefragt wird. Sie lässt sich nicht merken, wenn sie nicht gebraucht wird. Aber sie ist da.

Er erzählte mir, dass er eine Auszeit nimmt. Seinen Job schmiss er hin. Ein Alpha-Tier will er nicht mehr sein. Ins blau flog er in die fernen Landschaft, in der seine Andersartigkeit alltäglich sein kann und veralltäglicht werden kann. Als ein Asiat verstehe ich selbstverständlich nicht, wie man allein reisen kann. „Hast Du keine Angst?“ „Doch!“ „Ist es nicht einsam, allein zu reisen?“ „Doch! Man weint manchmal auf dem Kopfkissen und dann irgendwann ist man froh, dass man keine Kompromisse machen muss.“ Er war schon viel unterwegs, in Indien, in Kamboscha, in Japan, in Burma…, immer allein, immer unabhängig und immer abseits der Zivilisation. „Unabhängigkeit ist mir sehr wichtig.“ Er versuchte mir klar zu machen, dass unser Tee ein freundschaftlicher Tee war. Mein Kopf nickte, mein Mund schmunzelte und meine Augen schauten ihn sanft an. „Du kannst das Buch von Menschen sehr gut lesen.“ Seufzte er. Ich kenne ihn schon lange. Wir sind ähnlich. Wir wollen nicht fremd bestimmt leben und keinen Fremden bestimmen wollen. Es geht nicht nur darum, was wir wollen. Die anderen müssen auch wissen, was sie wollen. Ein Alpha-Tier sucht Untertan, für sie er schauen muss, entscheiden muss und beschützen muss. Es ist eine Abhängigkeitsbeziehung. Der vermeintliche schwache Untertan schiebt die Verantwortung dem vermeintlichen starken Alpha-Tier zu und machte ihn Vorwürfe – das erleben wir alltäglich in der Politik, in der Arbeitstelle und in der eigenen Familie. Das arme Alphatier verpulvert seine Energie für die vermeintliche Stärke, aber was will er wirklich für sich selbst? So ein Leben will Joseph nicht mehr führen. Er geht. „Hast Du keine Angst?“ „Doch, ich muss immer bei anderen Menschen rechtfertigen, warum ich es so mache. Aber Menglin, weiß Du, ich bin gut, ich bin gut in meinem Beruf. Ich muss keine Angst haben. Ich werde wieder einen guten Job bekommen. Ich bin gut.“ Großen Respekt habe ich vor diesem Teefreund. Seine Augen leuchteten voller Vertrauen. Auch wenn Angst unser Leben bestimmt, erkennt er die Angst, die sein Leben nicht mehr bestimmen sollte. „Ich muss weg.“ Er ist sicher. Es ist nicht nur ein Wünsch, es ist nun Realität. Vertrauen schenkt uns Kraft, auf eigenen Weg zu gehen. Ein Quantensprung, den Wünschen nicht mehr als verwünscht gelten zu lassen. Das Zusehen, dass Wünsche nur als Wünsche bleiben können, tut weh. Aber richtig schmerzhaft, ist es zuzusehen, dass das Bild von diesem Wünschen Tag für Tag blasser wird und für immer verschwindet. Die ewige Fragerei nach warum bloss, ist letzendlich das letzte Halt, um das Bild noch vergegenwärtigen zu wollen.

Eine leicht getrübte grüne Tasse von feinem Gyokuro stand vor uns. Bitter, süß und geschmeidig. Der Tropfen ist wie Tautropfen. Der Geschmack voller Aromen. Aromen von Wünschen werden bitter und schwermutig, wenn die Wünsche in unseren inneren Garten alt werden. Joseph macht es richtig. Er geht, um seinen Wünsch zu erfüllen. Er bat mir, für ihn anzumelden. Er wollte unbedingt bei unserem Teatrip to Asia dabei sein. Er sagte, dieser Trip ist so wichtig, dass er noch einmal sein Job hinschmeißen würde.

 

Vor seinem Trip to Asia, ein Trip in die blaue Ungewissheit, bat ich ihn, unbedingt Handy mitzunehmen. Mich sollte er anrufen, wenn ein Tiger über seinen Weg läuft. Er lachte. Er müsste doch wissen, dass es Menschen gibt – ihnen ist es nicht egal, wie es ihm geht.

Teearie in Staufen

Teearie in Staufen

Doris Federer

Kirchstrasse 11

79219 Staufen

Tel +49-76339886726

Doris sagte heute, dass es zwischen uns bereits im ersten Telefonat gefunkt hat. Sie wusste bereits, dass sie mit mir zu tun haben will. Damals plante sie gerade ein Teegeschäft in einer historischen Stadt Staufen. Über Teemeister Ulrich Haas bekam sie die Empfehlung. Eigentlich war sie ein unbeschriebenes Blatt in Sache Tee, hat anscheinend eine gute Intuition und eine gute Nase. Zuerst fuhr sie Monaten lange nach Bonn um eine Tee-Sommelier Ausbildung bei Teegschwender zu absolvieren. Danach entscheidet sie sich jedoch auf ihren eigenen Weg zu gehen. Sie wusste, dass sie trotz dieser Schulung als Teesommelier nicht die Welt des Tees fassen konnte.

Ich eilte nach dem Besuch meiner 98jährigen Großmutter weiter nach Staufen. Der neuste Sencha ist eingetroffen und muss gebracht werden. Doris rief ich nicht an. Ich lass mich gerne überraschen – wirtschaftlich sehr uneffizientes Denken. Das Leben kann nur lebendig sein, wenn man Zufälle und das Unerwatete zulässt. Termine sind notwendig, um das Wichtigkeit des Daseins zu stärken. Aber für das reale Leben empfinde ich sie oft als Last. Wenn Doris nicht da ist, ist gut. Wenn sie da ist, bin ich überglücklich.

Diese kleine Stadt Staufen strahlt voller Anmut und Charme. Der Laden Doris liegt zwischen einer klingenden Kirche St. Martin, einer hübschen Chocolatier und einer spannenden wohlriechenden Kaffeerösterei! Was für interessanten Nachbarn! Die Orgelmusrik aus der Kirche fesselte meine Schritte, Dank Gottes Gnade bekam ich den Genuss. Im Doris Laden stand bereits eine elegante Dame. Sie plauderten und ich sah, die großen Augen meiner Teefreundin. Sie glaubte es nicht, dass ich jemals vor ihrem Laden stünde. Eine echte Überraschung. Sie sagte mir, sie wollte gerade anfangen zu jammern. Die andere Dame sagte, sie jammerte bereits. Warum sollen wir denn in so einem schönen Laden jammern? Wir fingen an ein Frauengespräch zu intensivieren, wie wir unsere Stärke und Selbstliebe verwirklichen könnten. Ich bewunderte den schönen Regal und schöne alte Tische. Ich bewunderte, wie sie ihren Laden einrichtet. Die Einrichtung ist noch nicht ganz zu Ende. Es gibt noch Raum, meinte sie, den sie noch füllen möchte, wenn es so weit ist. Es sollte noch mehr Teemenschen kommen, die mitgestalten, mitwirken und miterleben. Auch wenn das Wetter leicht herbstlich und bewolkt war, fing nun die Sonne an in dem Tee Arie zu scheinen.

Natürlich musste ich meine Neugierde bei der Kaffeerösterei stillen. Der historische Riegelbau hat immer etwas Einladendes. Ein kleines Haus gestaltet mit alten antiken Möbeln. Nicht versnobt, einfach klar und elegant. Der Besitzer müsste die ähnliche Schwäche haben wie ich. Mit der Wirtin und ihrer Mittwochkundin plauderten wir über Kaffee, über Tee, unkompliziert und herzlich. Wunderbare Malabar Kaffeemischung, voller Power und Intensität, aber ohne eine mit Gewalt und Grobheit erzwungenen Röstung. Guatemala Genuine Antigua schenkte uns dagegen zuerst eine Schokolade-Note, anschließend eine leichte Säure, die sehr schnell zu einem fruchtigen Abgang umwandelte. Coffee and more, für Menschen, die mehr als Kaffee haben wollen!

Coffee and more

St Johannesgasse 14, 79219 Staufen

Ein kurzer und intensiver Ausflug in die Fauststadt. Mehr als überrascht fuhr ich glücklich weiter.