Archiv der Kategorie: Blätter vom Teeweg

Ein Nachwort

„Ich möchte Maler werden. Hilf mir, Mama. Komm mit mir. Komm doch, komm! Es gibt in der Satdt eine Stelle; wenn ich dort zugelassen werde und dann fertig bin mit den Kursen, gehe ich als vollendeter Künstler ab. Ich würde so glücklich sein!“ Marc Chagall, Mein Leben

Einen Kindheitstraum hatte ich auch. Verwirklicht wurde es nicht. Später wollte ich Professorin werden. Mein Vater fand die Idee gut und schickte mich nach Europa. Professorin bin ich nicht geworden, sondern eine Teehändlerin. Dies fand mein Vater nicht besonders toll.
Was ich wollte, bin ich nicht geworden. Was ich nicht wollte, wurde ich. Das ist ein Streich, was das Leben mit mir macht. Oder besser gesagt, das ist so im Leben. Wenn der Weg nach links führt, dann biegt man eben nach links anstatt auf den Boden zu landen.

Stets habe ich Vertrauen in all das was geschieht und geschah. Auch wenn Zweifel immer deneben steht. Ich war eine junge Frau an der Uni Konstanz, fing gerade mit meiner vielversprechenden Promotion an. Nur weil ich zufällig in Bern war und bei Länggass Tee zu Besuch war, nur weil Kathrin Lange eine gute Nase hat, mich zu fragen, ob ich nicht Lust hätte, für sie Tee in Taiwan einzukaufen. So bin ich in die Teewelt reingerutsch, ohne ich es geplant und gewollt hätte.
Als ich immer mehr Aufträge bekam, die Aufgabe immer ernster nahm, begann ich mich selbst hinterzufragen, was tue ich denn da eigentlich? Freizeitsbeschäftigung mit Tee oder eine Professionalität ernsthaft zu erlernen?

Ich bin nicht perfektionistisch veranlagt. Zu faul, zu chaotisch und zu frech. Aber ich habe ein großes Respekt vor den Dinge, die ich tue. Ich habe Demut. Ich begann einen Lehrer zu suchen und fand endlich einen.

Meine Forschung an der Uni und mein vermeintlicher interkultureller Austausch wurden immer fragwürdiger für mich. ZUfällig begegnete ich Roger Fischer, der Chef von Kaywa, ein Mensch mit Visionen und Weitsicht. Er bat mir ein Teeblog zu schreiben – es war 2005. Irgendwann ist es so weit für mich, in die Schweiz zu gehen und meinen Traum und den Traum meines Vaters aufzugeben. Ich sage zu meinem Vater – nur provisorisch. Ich begann ein Leben als Teehändlerin im Großhandel und schrieb gerne Texte über Tee. Das Teeblog von Kaywa gewinnt immer mehr Aufmerksamkeit und stösst an eine TEE-Ressonanz.

Sommer 2008 bekam ich eine Hinweise von einem guten Freund Hubert, dass es eine Lokalität an der Spiegelgasse frei wird. „Du hast doch immer von einem Teehaus gesprochen, nicht wahr?“ Das stimmt. Aber will ich es auch unbedingt umsetzen? Vielleicht wollte ich nur „davon sprechen“? Ich gab mir Zeit, mich selbst zu fragen, ob ich es wollte? Nein, ich brauche es nicht für mein Ego. Aber ich kann und will es tun, wenn das Kosmos mir eine Chance gibt! Ich sagte, JA!

Dann bekam ich tatsächlich das Ladenlokal bei den mehr als 40 Bewerber. Keine Ahnung, weshalb die Familie Tobler einem Fremden so eine Chance schenkte, etwas Ungewöhnliches zu ermöglichen. Nachdem es klar wurde, lernte ich bei einer Pu-Er Degustation dem Verleger Martin Frischknecht kennen. Er entdeckte das Blog!
Er wollte ein Buch aus den Texten von Blog machen. Es war anfangs 2009. Ich lächelte, aber nicht zustimmend. Ein Buch? Das brauchte ich wirklich nicht!
Mein Leben ist so schön, wozu schreibe ich ein Buch? Doch mein schönes Leben verändert sich.
Als ich merkte, dass meine Leben nun sässhafter wurde und ich nicht mehr beliebig reisen kann, verstand ich die Funktion eines Mediums! Ja, ein Buch! Ich bin nun gebunden an diesem reichen Ort, wo Menschen das Teehaus vielleicht kennen und auch nicht kennen. Aber die Teeliebhaber anderswo kann der Geist des Tees, so wie ich es verstanden haben, erreicht werden. Mein provisorisches Dasein vergeht, aber der Geist des Tees und der Tee nicht.
Dass dieses Buch „Blätter vom Teeweg“ entstanden ist, ist ein Augenzeuge einer Entwicklung des Tees im deutschsprachigen Raum. Ein Augenzeuge meiner Entwicklung im Tee. Viele Teefreunde haben mich und das Blog begleitet. Wir haben uns mit Tee entwickelt. Das Blog ist ein fester Bestandteil der Teegeschichte im Mitteleuropa, auch wenn das Blog gerne bescheiden und unauffällig bleibt. Das kann nur funktionieren, weil ich mich nicht als Schriftsteller betrachte und nicht als eine Autorität auftreten möchte. Und das Bekannt-Werden oder sich selbst zu vermarkten entsprechen gar nicht meiner Natur. Das Blog muss niemanden gefallen. Ich schreibe gerne und das stimmt für mich.

Ich pfelge Dinge, die für mich stimmen. Das ist mein Pfad des Lebens. Menschen zu gefallen ist mir nicht wichtig. Das Wichtigste ist, ob ich mit meinem inneren Selbst und meiner Umwelt in Einklang bin.
In diesem Buch habe ich zwei sehr wichtige Menschen meines Lebens verwickelt. Zuerst war es Hanspeter. Er ist für mich ein väterlicher Begleiter auf diesen Weg. Von ihm lerne ich nicht nur etwas von Tee und Geschmack, sondern das Gesetz zwischen Menschen im Handel. Ich bat ihm um ein Vorwort. Ehrlich zugegeben war ich wie ein schüternes Mädchen, das Angst hatte, wenn der Vater Nein sagte… Aber er sagte zu!
Die zweite Person war meine Tee-Ältere in Bodman. Mit Ingrid übte ich Tee seit Jahren. Sie und ihr Gatte begleiten mich auf den Weg des Chanoyus. Wir scherzen immer, sie seien meine Teeeltern. Sie malte jedes Jahr eine Tuschzeichnung, wenn der Teevater Detlef Geburstag hatte. So sind die Zeichnungen entstanden. Sie ist bescheiden und findet die Bilder gar nicht schön. Nicht so schön, um gedruckt zu werden. Wer kümmert sich um das, ob die Bilder schön sind oder nicht? Sie und Ihre Bilder bedeuten mir sehr viel. Das ist alles!
Wenn jemand es unbedingt gewollt hätte, mit Willen erzwungen hätte, dieses Buch zu machen, wäre es schon längst gescheitert. Dieses Buch ist ein Kind der Absichtlostigkeit. Es hat sich so entwickelt.
Ob das Buch viele Liebhaber findet? Ob das Buch etwas bewegen kann?
Das ist nicht mehr meine Aufgabe. Das stimmte für mich, das Buch zu veröffentlichen. Wenn das Buch auf Ressonanz stösst, dann ist es wunderbar. Wenn nicht, dann gibt es Altpapier-Sammlung, die in jeder Stadt monatlich stattfindet. Um das kümmert sich nur meine Eitelkeit.

Eine wahre Überraschung!

Hanspeter und ich gehen immer Essen, wenn wir eine Antik Teekanne verkauft haben. Da schrieb er mir, ob wir am Donnerstag essen wollten. Weil am Donnerstag das Lichtfest im Quartier ist, verschoben wir es auf Heute. Er kam wie immer so gegen 18.20.

Seit Tagen wurde ich immer unruhiger, weil eine wichtige Entscheidung im Leben zu treffen ist und weil ich sehnsüchtig wie ein Kind auf den Weihnachtsmann wartet. Wann wird das Buch „Blätter vom Teeweg“ endlich erschienen? Am Mittwoch schrieb Martin mir ein mystiöses SMS, dass der Eintritt von „Weihnachtsmann“ irgendwie verhindert wurde und ich den Grund doch verstehen wird. Ich antwortete „Wann bringt verdammt noch einmal der Weihnachstmann das Buch?“ Kein Antwort kam danach.

ich schleppte mein Ungeduld in diesen Tagen bei mir herum und schaute immer wieder nach dem Fenster und Tür… Oder vielleicht haben wir an der Spiegelgasse 26 einen Kamin?

Hanspeter kam und ich bediente die letzten Gäste. Er war schweigsam, aus irgendeinem Grund. Ich sollte einen Tisch in seinem lieblingslokal für 3 oder 4 Personen reservieren. Wahrscheinlich kommen seine Freunde dazu, dachte ich. Plötzlich kam Hannes noch kurz vor 18.30. Er holte seine zwei Honig. „Jetzt muss Du die Tür aber schliessen.“ sagte Hanspeter. Ich wollte mich umdrehen, um die Tür zu schliessen. Dann sah ich Martin!

Was! So spät! Ich schrie! Er grinste. Ich habe noch nich richtig verstanden. „Du hättest früher kommen sollen“, beschwerte ich mich. Die beiden Männer lachten. Plötzlich verstand ich, dass sie mich im Hier und Jetzt überraschen wollten!
Ich bekam ein eingepacktest Buch in die Hand, reiste es aus und konnte das Buch, das sonst nur im Internet als Buch abgebildet war, zu berühren! Ach! tatsächlich, so glücklich wie ein Kind. Tatsächlich so schön.

Im Restaurant sagte ich, dass ich zuerst das Vorwort von Hanspeter „verkosten“ wollte. Das habe ich so lange gespart. Ich wollte es nicht vorher lesen, sondern mit dem Buch zusammen! Meine Tränen tropfen während des Lesens fast auf meinen Beinen. Vor Glück war ich sprachlos.
Er sagte mir, dass er sehr skeptisch war. Blog, was ist denn das? Das Medium gefiel ihm gar nicht. Aber das Manuskript war spannend und er liess sich begeistern. Mit zunehmender Spannung las er das ganze Manuskript und war positiv überrascht. Und so entsteht das Geleitwort von ihm.
Beim Abschied sagte Martin zu mir, „Buchautorin!“ Buchautorin? Ein neuer Titel? Für wen?

Blätter vom Teeweg

Auf die neugierige Frage, was mit dem Buch „Blätter vom Teeweg“ weiter geht, kann ich nur sagen, „ich bin so gespannt!“
Das Buch ist bereits im Druck.
Zwei sehr wichtige Menschen auf meinen Teeweg beschönert das Buch und schreibt das Vorwort. Ich habe das Vorwort selbst auch noch nicht gelesen und weiß gar nicht, was alles darin steht. Eine echte Überraschung!! Ich warte genau so gespannt wie ein Kind vor Weihnachten am Weihnachtsbaum…
Eine Geduldsprobe für Menglin!
Bestellung kann man natürlich bei Amazon in Deutschland. In der Schweiz geht es noch einfacher bei Verlag Spuren, bei Shui Tang oder bei allen Buchhandlungen.

Notizen von einer Teeliebhaberin

G. hinterlässt nach seinem Tod zwei seinen berühmten Sprüche, die seinen Freunde immer wieder an ihn erinnern. „Für wen sollte es ein Problem sein? Meins oder Deins? Meinst ist es sicher nicht.“ Der andere Spruch war: „Warum soll ich um mein Geplapper von gestern kümmern?“

Wir nehmen uns Gesplapper sehr wichtig. Vor allem wir nehmen uns für sehr sehr wichtig.

Was mache ich mit meinem Geplapper von gestern?

Martin Frischknecht ist mutig. Er fand mein Geplapper von gestern so sinnvoll, um die Worte tatsächlich zu materialisieren. Gerne würde er ein Gebinde daraus machen. Die Notitzen über die Teeblätter könnten dadurch nicht nur in einem visuellen Ort sichtbar sein, sondern konkret fassbar werden.
Wenn ich nicht dadurch viel Arbeit habe, warum nicht?

Als ein Kind in einem traditionellen konservativen Familie in Taipei aufgewachsen wurden wir nicht viel extra Raum gewährleistete. Für das Lernen waren wir selbst verantwortlich. Wir lernten auf dem Tisch im Wohnzimmer vor dem Ahnentafel. So bekomme ich eine Gewöhnheit in einem bewegenden Umgebung zu lernen, lernen für meine Prüfung, meine Seminarbeit. Gerne lerne ich im Cafe oder Kneipe. Ich fühle mich geborgen unter Menschen, ünter Lärm und unter Chaos. Als Martin mir die korrigierten Texten zum Gegenlesen gab, fand ich keine Ruhe in meiner Wohnung zu lesen. So ging ich zum Cafe. Und in diesem Cafe lass ich meine alte Texte, meine vergessene Sprüche und Eindrücke und mein vergangenes Ich. Meine Tränen flossen, meine Gedanke schwebte und das Ich verlor plötzlich seine Grenze. Das Objekt und das Subjekt haben die gleiche Identität.

Neulich plagte mich eine Sache. Immer wieder beobachte ich wie ich „falsche“ Dinge aus mir rausgeplappert wurden. Da ich durch den Laden Shui Tang ein bisschen in der Öffentlichkeit stehe, fühle ich mich verantwortlich für das, was ich sage. Aber falsche Worte zu falschem Zeitpunkt und falscher Situation ist einfach – peinlich! Diese Peinlichkeit plagte mich und hörte nicht auf. Meine innere Zeigefinger schonte mich nicht. Es plagte. Ich suchte Hilfe, ich musste mit jemandem sprechen. Ich erzählte Erika. Sie gab mir eine einfache Antwort: „Hast Du vergessen, was G. uns immer sagte? Liebe Menglin, nehme Dich einfach nicht zu ernst!“

Nehme mich einfach nicht zu ernst! Das kann eine Befreiung sein. Ich muss mich selbst nicht mehr ernst nehmen, so dass ich über mich selbst lachen kann. Vielleicht entsteht in mir ein Mitgefühl für mich selbst. Das kann der Konflikt zwischen mir und meinem Ego entspannen. Ich will mich selbst nicht mehr verurteilen…

Als ich Texte lass, wußte ich, dass ich mit großem Ernst die Frage des Anderen beantwortete und ich selbst sehr ernst meinte. Ich begegne mein einstigen Ich mit einem großen Ernst, muss ihn allerdings nicht mehr verurteilen. Ja, das war so und das war ich. Kann ich noch dazu stehen, was ich einmal schrieb? Wenn ja, dann ist es in Ordnung, heute es so drücken zu lassen. Ich bin in Entwicklung, mein Blogleser auch. Und Tee ist stets im Wandel.

Ich sage und schreibe oft, dass die Sache mit Tee ein Spiel ist. Wenn wir Tee spielen, spielen mit einem großen Ernst. Weil es ein Spiel ist, ist es nicht ganz ernst zu nehmen. Das Leben ist leicht und der Tee ist nicht schwer. Dies im Alltag wahrhaft umzusetzen kann ich jedoch nicht wirklich. Nun bin ich an dem Punkt gekommen, mich selbst nicht mehr ernst nehmen zu wollen. Und eine große Hoffnung habe ich, dass die Menschen mich auch nicht so ernst nehmen. All was ich schreibe und behaupte hat keine allegemeine Gültigkeit. Es sind bloss Begegnungen mit Teeblätter des Teewegs und von Notizen von einer Teeliebhaberin.