Der Geschmack von Oolong

Fortsetzend mit dem Beitrag am 18.02.

Als ich Camelia kaufte, fragte mich der Verkäufer, ob ich von dem Schliessen von Teehaus Würle erfuhr. Ich erfuhre es vor paar Tagen durch Joseph.
http://www.nzz.ch/aktuell/zuerich/uebersicht/das-ladensterben-macht-vor-der-teekultur-nicht-halt-1.18248905

2013 wurde ein Teegeschäft im Bankviertel geschlossen. 2014 wird das alte Teehaus schliessen. Ich weiss aber, dass es auch immer wieder neues aufmachen wird.
Wie lange wird noch Shui Tang geben?
Wie lange würde ich noch in Zürich bleiben?
Wer weiss?

Der erste Geschmack, den ich von Oolong kenne, lerne ich über meinen Grossvater kennen. Es war der geröstete Tie Guanyin aus Muzha. Mein Grossvater trank ihn vor 40 Jahren in Taipei, während ich den Tee heute in Zürich trinke. Es ist nicht so, dass ich diesen Tee besonders schätze. Es ist nur einfach so, weil ich ihn als Kind trinke. Es ist ein Geschmack, der von Zunge zur Zunge weiter gegeben wird. Ein Geschmack, der mir viel Geborgenheit und Ambivalenz vermittelt, was das Heimat wahrscheinlich bedeutet.
Als Kind glaubte ich der schönste Ort der Welt liegt in der Ferne. Ich hatte stets Fernweh. Und die rote Rose mit Dorn im Europa ist schöner als die Camelia, die im Teefeld nur weiss blühen.
Der traditionelle Tie Guanyin hat einen malzigen fruchtigen Geschmack wie Tabak. Ein Geschmack, das die moderne Zeit nicht mehr richtig trifft und der Tee, den man heute auf dem Markt findet, ist grün, blumig und leicht – so leicht wie der Wind, der von irgendwo her kommt und irgendwohin weht.
Was ist, wenn der Vater seinem Sohn nicht mehr das gibt, was er als Kind gerne isst?
Was ist, wenn die Mutter ihrer Tochter nicht mehr das kocht, was sie als Mädchen bekocht wurde?
Was wird aus unserer nächsten Generation, die gerne Ketchup überall sprühlt und Fusionsfood als Normalität gewöhnt ist?
Was wird aus dem Oolong?
Ich weiss nicht, wie lange ich Shui Tang noch weiter mache. Aber solange ich es tue, wird dieser Tie Guanyin aus Muzha immer geben. Immer. Es ist ein Geschmack, der einen verpflichtet, von Zunge zur Zunge weiter zu geben. Ein Hinternis, Seite zu wechseln. Ein Pflicht, diesen Geschmack weiter zu geben.
Ich weiss nicht, wie ich meinen Engels, die zu Shui Tang kommen und dort Tee lernen und tragen wollen, es zu erklären. Das, was ich machen kann, ist nur den Geschmack einen Raum zu geben, damit sie ihn selbst entdecken. Ein Geschmack von Zunge zur Zunge, vom Herz zum Herz. Und diese Engels, die in Shui Tang waren und sind, werden vielleicht selbst diese Person werden, die ihn weiter tragen.
Das ferne Land wurde irgendwann vielleicht ein Zuhause werden. Aber das Heimat ist immer in eine andere Richtung – und das wurde so traurig bewusst, seit 09.02. nach der Abstimmung in der Schweiz. Ich fühle mich zutiefst betroffen als ein Ausländer in diesem Land zu sein.

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