Archiv für den Tag 10/07/2013

Dichte Beschreibung

Ein Lachen ist ein Lachen. Was sagt eine Beschreibung über Asien: „das Land des Lächelns“ aus?
Ein Lachen ist bloss ein Lachen. Ein Lachen plus eine Betrachtungsweise ist nicht nicht bloss ein Lachen, sondern ein Code. Ein Code, das decodiert wird und recodiert wird – von Sender und Interpret. Dieser Vorgang beschreibt der US-Wissenschaftler sehr prägnant: „ein bißchen Verhalten, ein wenig Kultur und – voilà – eine Gebärde“.

Ein fremder Besucher am Samstag fragte mich, was ich studierte. Ich konnte nicht beantworten. Diese Frage ging zu nah an mir. Soziologie und Germanistik sind nicht schwer auszusprechen, aber was ich genau studierte…
Ich erzähle meine Geschichte immer wieder anders. Ich erzähle Tee gerne immer wieder anders. Immer wieder anders, weil ich mich immer wieder anders werde. Ich entdecke immer wieder andere Teile in mir, die mir zuvor fremd waren. Und durch jede Begegnung mit dem fremden Teil in mir werde ich erneuert.
Wer ist denn nicht so?
Alexander sollte morgen seinen Vortrag bei Teeclub halten. Ich möchte sehr gerne dabei sein. Weil diese Reise mir sehr viel bedeutet. Während ich seinen sehr gut vorbereiteten Text lass, gingen viele Lichter in mir auf. Wir waren zwei fremden Menschen die in einem fremden Land einreisten, sogar gemeinsam, aber wir würde diese Reise unterschiedlich beschreiben weil wir so geprägt sind durch unsere kulturellen Muster! Was für eine Entdeckung?
Tee verbindet uns. Aber unsere kulturelle Grenze makieren verschiedene Pfade!
Ich hasse solche Aeusserung wie „das Land des Lächelns“ oder „geheimnisvollen Tee“. Solche Sätze findet man überall in Werbungen oder Bücher. Ich bin eine Asiatin, die gerne im Europa in einem bestimmten Kontext zugeschrieben werden! Exotisch und erotisch verfügbar! Das Objekt, was zu entdecken und zu konsumieren bedeutet liegt gerade in solchen Aussage. Tee ist nicht geheimnisvoll, er spricht einen klaren Text. Was kann er dafür sein, wenn Du ihn gerade nicht verstehst?
Genau wie ich meine Reise beschreibe, wird die gleiche Reise unterschiedlich beschrieben.
Der Unterschied reflektiert die kulturelle Grenze und Haltung zu dichten Beschreibung wie wir Fremdheit thematisieren.
Im Moment bereite ich Texte vor für das Vollmondkonzert im Herbst. Da wollen wir in Shui Tang musizieren, rezitieren und erinnern. Während ich die Gedichte über fremden Frauen in für sie fremden Land – China von 3. Jh und 8. Jh. vorbereite, wurde es mir immer klarer, dass es ein Stück mich selbst reflektiert. Plötzlich wurde ich gelähmt und konnte nicht mehr weiter daran arbeiten. Ich leide über Wochen und werde krank, weil ich gegen diesen Text kämpfe. Mein Unterbewusstsein wusste, dass ich eine Geschichte über mich selbst rezitiere. Ich weiss nicht, welch Stück von mir preisgegeben werden will, welches nicht. Plötzlich wurde es mir klar, je mehr Widerstand ich gegen etwas leiste, desto wichtiger ist diesse Sache für mich.
Wie konnte ich dem fremden Besucher erzählen, dass ich Fremdheit in meinem Studium verarbeitet habe. Meine Fremdheit, die Verwirrung in einer etablierten Gesellschaft wie in Deutschland auslöst und die in mir meine eigene Selbstfindung verwirklicht.
Was heisst Kultur? Was heisst Tee?
Wie beschreibst Du eine fremde Kultur? Wie beschreibst Du Tee?
Wenn das Verstehen von Kultur über ein Bedeutungssystem in uns stattfindet, ist somit diese Artikulation eine Reflexion. Tee zu beschreiben ist genau so über die Akte des Selbstreflexions!
Ansonsten – wozu gehst Du auf Reisen? Wozu trinken wir Tee? Nur um zu geniessen? Vielleicht viel mehr…