Ein Tee wie die Abendsonne.
Eine Blüte wie der Abend duftet.
Am einen Abend roch ich den leisen Duft eines Abend und erinnerte mich an den Gegenwart. Nicht mein Leben wie das Zeitgefühl am Abend zu sein, sondern die Gesellschaft, in der ich lebe bereits am Abend angekommen ist.
Wie vital kann ein Tee sein, wenn er aus einem Garten, der zum ersten Mal geerntet wird? Atong scherzt und bezeichnet so einen Tee als Jungfrau-Tee. Meine Gäste lachen immer sehr verlegen, wenn ich das Wort „Jungfrau“ ausspreche. Warum lachen sie denn so? Ist Jungfrau etwas Seltsames hier? Oder spricht man von Sex nicht aus, weil es bereits zu dominant ist? Auch wenn das Wort Jungfrau etwas Verlegenes auslöst, löst dieser Jungfrau-Jinxuan trotzdem Neugiere aus. Wie schmeckt denn eigentlich ein Jungfrau-Tee?
Für Atong und Teebauer Taiwans bedeutet dieser Jungfrau-Tee, nicht etwas, was unerfahren und unschuldig ist. Es ist vielmehr das – was das erste Mal kennezeichnet!
Das erste Mal die Welt zu blicken können wir uns leider nie erinnern, aber wir können uns wohl noch sehr gut erinnern, das erste Mal…
Frisch, blumig und anmutig lächeln die Teeblätter in der Tassen. Alle sind verzaubert von der Unbeschwerheit dieses Tees! Eine Woche lang stand immer dieser Tee auf meinen Teetisch und verführt meine Gäste mit ihrem Charme. Was für ein frischer Wind? Was für eine Schönheit! Der Tee ist wie die Mut selbst, als wir viele neue Dinge des Lebens zum ersten Mal beginnen. Plötzlich sah ich mich selbst im Flur der Universität und ich musste das erste Referat im Seminar halten. Nervös, unerfahren und mutig… Mutig lief ich in den Raum, mutig redete ich das erste deutsche Wort und mutig geht das Leben weiter bei den Fremden. „So ein zarter Tee.“ seufzt jemand. Zart? Ich kenne den Tee inzwischen besser. Er ist nicht nur zart. „Dieser Tee ist powervoll, hat Aggresion und zäh.“ lächelte ich. Seine Vitalität und Kraft verbergen sich hinter dem süssen zarten Duftmantel – wie eine junge Frau, die einmal beschloss, aufs anderen Ufer zu gehen. Und diese junge Seele hat jeder in Herzen.
Bevor diese Regentagen kamen, fuhr ich nach Seleger Moor. Ich mag nicht Mittag, unternehme selten irgendetwas gegen den Mittag. Morgens bin ich zu faul und zu passiv. Der Abend und die Nacht sind die besten Uhrzeiten für meine Unternehmung. Gegen Abend waren sehr wenige Menschen wie ich erwartete in Seleger Moor. Die Vögeln und Tiere beginnen wie ich sich zu bewegen. Es ist die beste Uhrzeit, auf etwas vorzubereiten, weil die ungewisse Nacht sich nährt. Laut, scheinbar fröhlich und ganz beschäftigt hörte ich Biene summen, Vögeln klatschen und Tierchen suchen. Ich realisierte, dass sie bewusst sind, die Akktivitäten am Abend so zu gestalten, um ihren Tag entsprechend zu beenden.
Es war ein Abend im Mai. Rhodedenrom und Azaleen blühten auf den Höhepunkt. In alte China war diese Blume ein Symbol der Traurigkeit. Auf diesen Hügel hinter Zürich sind diese Blumen mehr als eine Ansammlung von Poesie. Anmutige Farbe, zwarte Blüte und der Duft, der mich beim Flanieren immer wieder rief, erzählen uns eine Welt voller Schönheit. Unter dem grossen Eichen, neben den blühenden Strauchen spürte ich eine Brise, der im Duft wehte. Ich drehte mich zu dem Wind, sah in den Dämmerung herrlichen gelben Blüten. Unter dem Abendsonne roch der süsse Duft immer distanzierter und wahrscheinlicher. Wahreinlicher – der Duft ist nur wage zu verorten. „Es ist Abend“ dachte ich und es ist der Duft von über Holzkohle gerösteten Lishan. Das ist ein Tee am Abend, den ich alleine hier trinken würde. Nicht diese Mut, nicht diese Vitalität und nicht diese Zartheit des Jungfrau-Jinxuans, die mich jetzt bewegen würde, sondern diese Wahrscheinlichkeit des Abends – etwas Uneindeutiges und Distanziertes. Es sind vieles vergangen und die Zeit ist gekommen, Abstand zu nehmen. Die Vögeln und Tieren wissen, was sie am Abend tun, und wir? Machen wir es weiter so mit uns bis es nicht mehr weiter geht?
Eigentlich geht es schon lange nicht mehr so weiter.