Archiv für den Tag 22/05/2008

Tai He 2006 und etc.

Ein Bericht über Tai He zu schreiben, fällt nicht schwer. Es ist insofern schwer, wenn man das Unsichtbare von Chou Yus Text und Vorstellung wörtlich materialisieren möchte. Es ist oft so, dass viele Beschreibung sehr esoterisch klingt, wie „die Bewegung des Qis“ und „Ganzheit mit dem Kosmos“. Man könnte alles behaupten, was einer glaubt, es bei sich zu spüren. Andererseits ist man keiner Rechenschaft schuldig, was man bei einem Tee empfindet. Jeder Duft, jeder Tee und jeder Geschmack ruft unterschiedliche Reaktionen und Assoziationen bei Menschen hervor. Was gäbe es denn da zu diskutieren?

Manchmal bin ich mit der Frage konfrontiert, warum der beschriebene Geschmack bei dem Fragenden nicht zutrifft, wie könnte er denn überhaupt etwas unternehmen, um ihn zu schmecken. Manchmal frage ich zurück, „Wenn Du/Sie Dich/Sich nicht begeistern lässt, wie so der Tee Dich/Sie begeistern?“

Wenn Du Dich nicht berühren lässt, wie möchtest Du andere berühren?

Mein junger Schauspieler-Freund Dirk, fast ein Ersatzbruder für mich, verlor gerade seine Freundin. Sie ist nach Europa gekommen, um eine Geschichte zu vergessen. Nach ihrem Heimat zurückgekehrt, um eine andere Geschichte zu vergessen. Er sagte, dass er nicht wirklich traurig sei, weil die Distanz zu groß sei, um überwunden zu werden. Es ist nicht die Distanz der Liebe, sondern die Distanz zum eigenen Selbstvertrauen. Er kämpft um seine Karriere und wurde gesagt, dass er stets eine Schleie trägt, seine Schauspielkunst die Menschen nicht erreicht. Er fragte mich bedrückt, was das bedeuten sollte.

Wenn Du Dich nicht berühren lassen könntest, wie könntest Du andere Herzen berühren? Wenn Du Deine Trauer nicht kennst, wie möchtest Du  anderen mit Freude anstecken?

Unsere Erziehung zeigt uns, wie wir einen guten und besseren Menschen sein können, um Anerkennung und Akzeptanz zu erhalten. Immer fit, in Topform und leistungsfähig. Verpflichtungen, Schuldgefühle und das Gefühl des Opfers hängen mit der Erwartung zusammen, anerkannt und akzeptiert werden zu wollen. In diesem Mechanismus hat ein wahres Ich kaum einen Raum. Darum könnten viele Menschen nicht riechen, nicht schmecken und nicht fühlen. Ihr Sehen und Denken fixieren nur auf sich selbst, nur ihre eigene Probleme zählen zu wichtigsten Ereignisse der Welt – wie oft muss ich Frage und Emails beantworten, die nach Hilfe schreien, aber erhalte selten nach dem Antwort einen Dank. Zum Glück mache ich diese Arbeit für mich selbst, nicht für die anderen oder für einen Dank.

Mit Vero konnte ich den Tai Ho zusammen „erforschen“. Sie hat eine gute Nase, eine geschulte Wahrnehmung und beherrschte hervorragende Präzision des Benennens. Der trockene Tee duftet in seiner trockenen Form leicht nach getrockneten Zwetschgen, leicht nach Teer und nach dem Holz. Sie sagte, dass die holzige Note eine Art von Lebenskraft in ihr erweckte. Im Aufguss schmeckte er anders. Ich sagte wieder – wie Blumenwiese. Eine Blumenwiese nach dem ersten Frühlingsregen auf einer subtropischen Insel. Es ist feucht, duftend, leicht nach Moor nach Waldboden. Leicht nach Algen, fügte sie hinzu, aber nicht nach dem Meer, sondern nach den feuchten glitschigen Urpflanzen der Erde. Der Aufguss war ergiebig. Die aufgegossenen Blätter sahen wunderschön. Keine Verletzungsstelle, sorgfältig verarbeitet. Das Gefühl des Paradieses – das Gefühl voller Dankbarkeit. Kein Verlangen und keine Erwartung. 

Einen Dank an Chou, Yu, einen Dank an alle Wesen, die es ermöglichte, dieses Moment zu erleben.