Archiv für den Tag 27/03/2023

Gesang der Sternen

Mit Martin, Steve und Cathy fuhr ich am vergangenen Montag nach Colmar. Weil Steve ein amerikanischer Autor ist, wurde die Unterhaltung auf Englisch eingestellt. Ich hätte nie gedacht, dass meine Zunge englisch überleben würde. Doch. Vom Geist zu Geist ist die Sprache oft überflüssig.

Vendier ist eine besondere Kalligraphin. Koreaner und Japaner adaptieren die chinesische Kalligraphie seit Tausenden Jahren, aber die Werke sind immer noch sehr eng an das chinesische Vorbild geknüpft. Aber von den Werke Vendiers spüre ich eine Erweiterung und Gegenfrage an das traditionelle Vorbild, „Meister, wie findest Du es? Warum nicht so?“ Als ich den Raum „Weisse Energie“ eintrat, wurde ich von der prächtigen Energie des Wassers, der Pinselns oder den Strichen überwältigt. Tradition und Modern, Ost und West, Hier und Jetzt… alles in eins.

Ehrlich gesagt, als nicht Christ habe ich schon sehr Mühe durch das Museum zu spazieren. Viele mittelalterliche Bilder über Christus sind mir zu makaber. Grausam, gewaltig und dogmatisch. Aber es war so in diesem Kontinent. Die Bilder von Dix schockierten mich, beeinflussten mich und regten mich stark an, nachzudenken. Ich fühlte mich fragil, verletzlich und traurig. Ich bin so blöd, dass ich nicht verstehen kann, weshalb man zu diesen Altar pilgerte und pilgert.

Als wir endlich vor den singenden Bilder von Fabienne standen, fand meine Seele ein Zuflucht. Ich sass dort und versank in die Stille. Vielleicht war ich zu müde. Ein Tag vorher hatte ich erst die beiden Friedensteekonzerte organisiert. Aus der Müdigkeit rutschte ich ins leichten Schlaf. Ich träumte von einer warmen weissen Energie oder von einer Figur, und dachte, als ob Christus sich haben offenbaren könnte.

Sie sprang, kreiste und flog.

Wie Wind, wie Klange und wie die Striche – oder wie die Liebe.

Die Liebe kreist im Universum.

Ich hörte die Sterne singen? Nein, ich hörte die Wirbel – die ewige Wirbel kreisen. Die Urknall schreien. Ich hörte die Seufzer des Blattes im Ofen, bevor ein Muye Tianmu entsteht. Ich hörte die Wirbel der Staubkörner im Feuer. Ich hörte Rhythmus des Windes im Ofen – oder war es im Universum? Jedes Planet oder Gestern sind wie ein Staubkörn im All. Und jedes Staubkörn im heissen Feuer Ofen verwandelt sich wie in einem alchemistischen Prozess zu einer Tianmu Schale. Sind diese Staubkörner tot? Was passiert, wenn ein Gestern stirbt?

Wie der Klang der Musik sterben kann, stirbt auch jede Teezusammenkunft. So wie das Leben, und so wie die sterbenden Teeblätter, die nach dem Pflücken am Sterben liegen, wenn sie immer mehr Wasser verlieren. Der Teemaker verwandelt ihre Schmerzen des Todes zu Essenz – unsere Teeblätter. Ein Tod und zugleich ein Geburt. Die trockene Teeblätter sitzen in unserer Teedose wie der Philosophen Stein, der uns in richtigen Moment zu richtigen Menschen führt, um das Richtige geschehen zu lassen – alle Dinge gehen aus ihm hervor und sind durch ihn. Solche magische Momente des Tees geschehen, ein inspirierende Gespräche beim Tee, die Funken über den Teetisch (Siehe Heinrich Heine – der ästhetische Teetisch) und Poesie aus einer Tasse Tee. Wenn der junge Teeliebhaber die gelagerten Teeblätter aus der Dose nimmt, wie ein Schamane, giesst er die Blätter mit der Energie des Lebens – Wasser, auf. Die Teeblätter werden wieder zum Leben erweckt. Wir trinken das Wasser von der Essenz, einmalig und nie wiederholbar, werden wieder mit dem Universum vereint.

Und im Gesang der Sternen – ich vergass, was zu sagen.

Weiße Energie oder Die Kraft des Wassers?