Archiv der Kategorie: Chinesischer Oolong Tee

Abschied nehmen – um zu verändern

Manche Leute schreiben, damit die Vergangenheit nie wie ein Rausch vergeht, damit sie nicht vergessen.
Ich schreibe das Blog, um zu vergessen.

Ich denke an eine Person.
Ich denke an meine Mutter.
Ich denke an Anxi Tie Guanyin 2006, der üer Holzkohle geröstet ist.
Ich höre Das Alte Schloss von Mussorgsky.

Was kann man machen, wenn Ereignisse einen überrollen?
Was sollte man tun, wenn man Nachricht von Tod erfährt?
Ich glaube an das, dass was passiert, gut ist.

Meine Mutter bekam vor zwei Monate einen Hirnschlag. Diese Krankheit hat das Leben der Familie wesentlich verändert. Wir haben unser Leben so radikal verändert, weil wir dieses Ereigniss eigentlich nicht wirklich akzeptierten. Wir wollten es durch radikale Veränderung ES als eine Sonderheit im Leben markieren anstatt es in unserem „normalen“ Leben zu intergrieren.
ES hat mein Leben verändert.
Vor einem Jahr entdeckte ich diesen Anxi Tie Guanyin aus dem Jahrgang 2006 und verwechselte ihn mit dem aus Muzha. Als Atong, mein Lehrer mir es aufklärt und diesen beiden Oolongs parallel nebeneinander zeigte, war es klar, dass es fast unmöglich ist diesen beiden Tees zu verwechseln. Ein Tie Guanyin aus Anxi, ein Tee aus der Taufe von langer kalter Fermentation behält stets seine Distanziertheit und Kühle. Auch wenn er geröstet wurde? Ja.
Er wurde geröstet und bekommt daduruch wie nach einer Prüfungen einen Mantel von kompakten Aromen und Stärke. Durch langen anhaltenden Kälte und wiederholten Hitze wird dieser Tee so verändert wie durch einen Transformationsprozess. Er war frisch wie Frühling, flora wie Alpenwiese und freundlich wie eine junge Schönheit. Nach der glühenden Röstung und Reifung durch die Jahren entdeckte ich heute ein anderes Gesicht aus diesen Blätter. Gereift, geprüft und erlebt. Er hat eine Veränderung durchgezogen und ist immer noch bereit für die Unbeständigkeit des Lebens. Bereit für Veränderung.
Ich roch an diesem Mantel von reifen Früchte, von malzigen Parfüm einen Kern von einem differenzierten und klärenden Klang. Nach all dieser Veränderung und Tranformation bleibt der Tie Guanyin aus Anxi immer noch selbst treu. Seine Frische, die Schönheit von Lebensfreude und floralen Charm bleiben ihm im Herzen erhalten.

Ich flog heim. Meine geliebte Mutter ist nicht mehr dieselbe. Aber doch – sie ist für mich immer dieselbe auch wenn ihre Erscheinung anders wurde.
Wenn Du kommst, bin ich hier.
Wenn Du gehst, bin ich immer noch dort.
Im Kommen und Gehen verändert sich das Herz nicht.
Ich freue mich, wenn es Dir gut geht.

Mussorgsky schimpfte, als er von dem Tod des Viktor Hartmann erfuhr: „warum leben nur Hunde und Katze?“ Er fluchte, aber flüchtete nicht. Er macht aus diesem Abschied zur Liebeserklärung an seinem Freund. Abschied nehmen um zu lieben. Bilder einer Ausstellung ist eine meiner Lieblingskompositionen! Ich höre darin nicht nur Erinnerungen und Abschied, sondern ein gewaltiges Schrei aus dunklen Herzen in uns nach Freiheit und Liebe. Eine Lebesnbejahung zur Veränderungen.

Tie Guanyin

Auf die Frage von Tobias möchte ich hier paar Dinge erörtern.
Obwohl ich bereits viele Beiträge über diesen Tee geschrieben habe, ist es mir wichtig, noch einmal kurz darüber zu sprechen. Denn dieser Tee ist für mich, einen Oolong-Liebhaber fast wie ein Heiligtum. Ich habe mit diesem Tee angefangen, Oolong zu lernen.

Seit mehr als Hundertjahren trinkt man in Fujian und Taiwan diesen Tee. Seit mehr als Hundertjahren wird dieser Tee zwischen den beiden Seite der Taiwanstrasse angebaut, hergestellt und genossen. Tie Guanyin ist heute fast Synonum von Oolong. Aber was ist ein Tie Guanyin?

Zuerst ist Tie Guanyin ein Name von einem besonderen Oolongbaum. Um den Geschmack von diesem Baum richtig zum Ausdruck zu bringen ist ein besonderer Herstellungsprozess entstanden. Ein Tee aus diesem Prozess heißt heute auch Tie Guanyin. Aber ein originaler Tie Guanyin heisst auf Chinesisch: „Zhengcong Tie Guanyin“. Außer dem Baum Tie Guanyin gibt es noch beliebte Bäume wie Benshan etc. Solche Bäume liefern leider keine fesselnde Aromen und Geschmackserlebnisse wie der originale Baum. Für chinesischen Teeliebhaber lebt ein Tie Guanyin von dem typischen Abgang / Nachklang dieses Tees. Balsamierend, Duft wie Orchideen und der Aufguss so geschmeidig wie Seide. Wir nennen es auf Chinesisch „Guanyin Yun“!

Was macht den Guanyin Yun aus? Wie entsteht es? Tee lügt eben nicht. Wenn ein Tie Guanyin diesen typischen Geschmack hat, ist er eben eine Fälschung. Dieser typischen Geschmack kommt nicht nur aus dem originalen Baum, sondern durch eine sehr aufwendige Fermentation und Röstungsprozess!
Man muss sich so vorstellen, wie man ihn vor 30 Jahren Tee produzierte: ohne technische Kühlung und elektronische Hilfe! Das heisst, im Frühling zitterten Teemaker vor Regen und Wolken; im Herbst vor plötzliche Hitze und Feuchtigkeit. Die Fermentation fand ohne künstliche Kühlung im Zimmertemperatur statt oft über 22 Grad – das bedeutet dunkle Aufgusse und fruchtige Geschmäcke. Dann wird dieser Tee richtig geröstet, um ihn haltbar und stabil zu machen. Also der „wirkliche“ nostalgische Tie Guanyin ist von dunklem Aufguss, malzig fruchtig. Die blumige Note schwebt in der Nase, wird getragen von dem starken Körper. So ein Tee kann Jahre lang gelagert werden!

Heute, seit Teebauer in Anxi/China sich leisten können, seine Arbeitskollege in Taiwan nachahmen zu können, gibt es so gennanten „Grüner Tie Gaunyin“. Durch küsntliche Kühlung können Teemaker die Bedingung für Teeproduktion kontrollieren. Ein Sucht zur Kontrolle. Ein Tee zu produzieren mit Kalkül und Berechenbarkeit. Tee ist immer ein Spiegl unserer Gesellschaft. Wenn Du heite siehst, dass junge Mädchen immer mehr sexy werden wollen, und ältere Frauen immer jüngerer bleiben wollen, weiß Du, dass unsere Gesellschaft sich einseitig entwickelt. Tee ebenfalls. Der Trend zu so genannten „Frischen“, „Grüner“ und „WoW“ ist bei Tie Guanyin eindeutig zu beobachten! Der grüne Tie Guanyin ersetzt den traditionellen und ist heute „der Tie Guanyin“ geworden. Aber dieser grüne Variante hat eben sehr wenig von dem Guanyin Yun!
Im Westen, aufgrund von fehlendem Hintergrundswissen und mangelten Interesse von Orginalität glaubt man dass der Tie Guanyin ein „grüner“ sei.

Noch klarer ausgedruckt: all diese so genannte moderne Oolong wie Hochlandsoolong, Baiya Qilan, Zhangping Shuixian, Tie Guanyin können nicht mehr ohne küsntliche technische Geräte produziert werden! Nun beeinträchtigt dieser Trend Dancong, Yancha und Dongding! Es ist immer ein kopfzerbrechender Versuch, einen guten Dancong Shuixian und Yancha zu finden! Nur Dank dieser Entwicklung, Tee immer grüner trinken zu wollen!

Manchmal denke ich, wie wird sich Oolong entwickeln? Wird Oolong überhaupt noch geben? Oder gibt es am Ende nur noch Grüntee…

Lieber Tobias, der Pingling Tie Guanyin ist ein Kompromis zwischen Tradition und der Moderne. Er ist mindestens so gut fermentiert wie einst, aber nicht so stark geröstet wie es einmal war. Es gibt regionale Unterschied zwischen Tie Guanyin aus Anxi/ China oder aus Muzha/Taiwan. Ausser diesem Unterschied gibt es natürlich noch verschiedene Interpretation dieses Tees, wie zum Beispiel verschiedene Fermentationsmethode (in Anxi in sehr kühlem Raum, in Muzha etwa wärmer) und Röstungen (in Anxi fast kaum, in Muzha je nach dem). Heute gibt es in dem originalen Anbaugebiet von Muzha kaum noch echten Tie Guanyin. Was wir kaufen und trinken können, sind aus Anxi-Cooperation! Die Touristen haben so wie so keine Ahnung und man glaubt immer, dass man selbst den richtigen direkt bei Hersteller kaufen kann! Aber Tee lügt nicht. Wenn Du einmal Guanyin Yun verstehst, wenn Du einmal die Handschrift von taiwanesichen und chinesischen Teemaker erkennen kannst, wirst Du nie mehr einen falschen Tee kaufen!

Entschuldige, dass es am Ende ein langer Beitrag geworden ist.

Frage nach dem Tie Guanyin

Liebe Frau Chou,

es ist nun schon eine Weile her, dass ich bei Ihnen einen „Tie Guanyin“ aus „Pinglin“ bestellt habe. Der Tee hat mir viel Freude bereitet. Als ich zuletzt einen anderen „Tie Guanyin“ probiert habe, musste ich feststellen, das er doch sehr „grün“ war, nur sehr wenig fermentiert wurde… diesem Tee hat auf eine gewisse Art der „Körper“ gefehlt, der den „Pingli-Tie-Guanyin“ meiner Meinung nach auszeichnet. Sind diese Tees im Allgemeinen wenig fermentiert, oder gibt es regionale Unterschiede in der Verarbeitung?

Da Sie verschiedene Varianten dieses Tees anbieten, würden mich die unterschiedlichen Schattierungen sehr interessieren.
Es wäre freundlich von Ihnen, Sie könnten mir etwas über diese Tees mitteilen.

Seien Sie herzlich gegrüsst,

Tobias

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Ich werde diese Frage nach Tie Guanyin morgen beantworten. Heute bin ich noch zu müde, der Geist ist recht benebelt wegen dem langen Flug. Also, bis sehr bald!

Qilan Dancong Shuixian, seltene Orchideen

Nach einem aufregenden Ferngespräch nach China ging ich unbewußt in die Küche, wahrscheinlich wollte mir eine Schale Tee zubereiten, oder einen Kaffee. Irgendwie fassten meine zitternde Finger meine arme Orchideen, der ununterbrochen blühte und sein Freude an das einfache Dasein hatte. Meine Finger hielten die Blume nicht und das ganze Topf ist auf dem Boden gefallen. Das zerbrochene Topf ist wie das erschüttelte selbst, alles wurde einfach konkret vor dem Auge geführt. Schmerzhaft.

Mit mir kommt nur Orchideen aus, weil sie selbstständig ist. Ich komme auch nur mit Orchideen aus, weil ich selbstständig bin. Wir brauchen uns gegenseitig nicht, geniessen auch das einfache Zusammensein. Orchideen muss mich nicht mit ihrem Duft verführen. Ich muss Orchideen nicht zum blühen erzwingen. Für Chinesen bedeutet Orchideen nicht nur die Edelheit und Aufrichtigkeit, sondern auch Einsamkeit und Reinheit. Edel und aufrichtig strahlen die schöne Blüte dieser Pflanzen aus. Sie blühen in dem Ecke mit wenige Anspruch auf Nährstoffe und Wasser. Sie beglücken unseren Anblick mit paar prächtige Blüten, weniger ist mehr. Orchideen ist gleichzeitig ein Sinnbild von Einsamkeit, weil sie anders als andere duftende Blumen, die Aufmerksamkeit erregen. Orchideen blüht meistens allein vor sich hin am Fenster – auch ohne deine Bewunderung weiß ich selbst zu schätzen. Sie ist rein.

Als Christof mir am Sonntag sagte, dass der Duft von edelen Tees eher zurückhaltend roch und ruhiger erschien, wußte ich, dass er etwas von Orchideen versteht. Viele Menschen würden einen Tee bevorzugen, wenn er sich schnell zu Wort meldet und Ach-Erlebnis erregt. Auch erfahrene Tee-Profis haben damit Schwierigkeiten, eleganten Tee zu verstehen. Weil ein schreiendes Kind Aufmerksamkeit erregt, ein ruhiges Kind oft vernachlässigt wird. Der leise präsente nachhaltige Duft kann in einer schnellen Degustation bzw. einer Gesellschaft, die stets nach Erlebnisse verlangt, selten wahrgenommen und bewundert werden.

Qilan Shuixian, auf Chinesisch seltene Orchideen habe ich selten richtig gut erlebt. Oft schmecken Sie schwer und herb. Die Leichtigkeit und Edelheit der Orchideen blieben mir immer nur in der Vorstellung. Seit paar Tagen bekam ich 10 Qilan zu degustieren und entdeckte darin eine seltene Schönheit, wie die seltene Orchideen! Diesen Tee goss ich in meinem Seminar am Sonntag, es war für die Teilnehmer ein Erlebnis. Das schöne Parfüm nach Melone, nach Freesie, wobei Freesie für mich schwerer und süsser duftet wie der Qilan, nach Jasmin und nach Citrusblüte!

Der Duft süss, aber leicht, ein Hauch der Kühle anstatt der Wärme, eine Spur der nordischen Schönheit als der verwirrende Zauber. Stets klar und präsent im Aufguss. Ein klarer geschmeidiger Körper fliesst in die Kehle ohne Spuren hinterzulassen. Ein Tee bei der Einsamkeit. Der Tee wird dich begleiten in der einsamen Stunde. Auch wenn die Welt runtergeht, bist Du allein, aber nicht einsam.

Von einer lieben Freundin bekam ich paar Zeilen, die ihre Einsamkeit schildern. Jeder hat einen inneren Garten und in diesem Garten gibt es immer Ecken, wo niemand zugelassen wird. Gewollt oder ungewollt. Einsamkeit ist ein Phänomen, das uns begleitet, auch wenn wir davor fliehen. Je mehr man Dinge von aussen oder von selbst wahrnehmen kann, desto weniger man mit anderen Menschen austauschen kann. Nicht alle Menschen können sich gemeinsam entwickeln, nicht alle Menschen können alles teilen. Mein Garten gehört mir und muss von mir gepflegt werden. Die Einsamkeit gehört wohl dazu, damit ich meine Liebe meinem Garten widmen zu können. In diesem Garten wächst eine seltene Orchideen. Wenn ich will, trete ich auch aus diesem Garten und schaue mir die Welt an.

Zhangping Shuixian III

Seit gestern Abend bekam ich Anfrage wegen diesem selten gesichteten Oolong.

Ich habe diesen Tee erst kennen gelernt. Die Wünsche der neugierigen Teeliebhaber kann ich leider noch nicht erfüllen. Ich verspreche, diesen Tee in diesem Frühling zu finden. Aber das Versprechen einer Frau sollte „man“ nicht zu ernt nehmen, oder?

Zhangping Shuixian kommt aus Fujian Zhangping. Nach der Herstellung des Tees werden die Teeblätter im Holz-Modell gepresst. Samt dem Papier im 80 Grad getrocknet. Die Trocknungszeit beträgt 35-40 Stunde.

Seit 80er Jahren ist der Tee langsam bekannt. Bekannt mit schönem Duft, aromatischen Tassen und nachhaltigem Körper. Qualitäten sehr verschieden. Ich habe auch viele schlechte Beispiele erhalten. Dieses Exemplar von letztem Freitag war eine seltene Schönheit. Mein Lehrer war sehr begeitert von diesem Tee, aber etwas bedenklich wegen der Lagerung dieses „wenig stabile“ Mode-Tee.

Ob dieser Tee als eine modische Erscheinung bleibt, oder ein Klassiker werden kann, lässt sich Tee trinken und abwarten. 

Zhangping Shuixian II

Einen Duft des Frühlings und einen Geschmack des Frühlingswindes möchte X. mir schenken. Am vergangenen Freitag erhielt ich ein kleines Paket aus Paris. Ein Abschiedsgeschenk eines langjährigen Freundes, der diese Stadt verließ. Nicht nur Abschied von dieser Stadt, sondern auch von seinem Jungentraum, von einem Kontinent und von ein Stück der eigenen Identität.

Er sagte, ich soll mich aufraffen, auch so einen Tee finden zu können, ihn in meinem Laden zu verkaufen. Aber er glaubt es mir nicht, dass ich es schaffe. Versprechen muss ich trotzdem.

Zynisch und direkt ist unsere gewöhnte Umgangsart. An der Uni fingen wir an den ersten Tag bereits zu streiten. Für irgendeine Kleinigkeit. Wir fanden es lustig und taten es weiter. Wir haben gemeinsame Hobbys – essen und trinken. Wir tranken gerne Kaffee, gerne Bier, gerne Ente, gerne Kuriositäten. Wir streiten oft, wer den besten Kaffee fand. Total kindisch. Als ich an der Strasse für die vermeintliche Demokratie kämpfte und schlechte Note hatte, belächelte er mich. Als ich heiß verliebt in einem Medizinstudent war, lachte er über mich aus. Als mein Herz gebrochen war, brachte er mich nach Jinshan zum Enteessen. Ich aß vier Entekeulen. Allein. Als ich nach Deutschland ging, ging er nach Paris. Seitdem gehen wir auf den getrennten Weg.

Als er mich in Deutschland besuchte, wollte er meine Kürbissuppe nicht essen. Lieber Pizza holen, das tat er. Ich sei nicht fraulich, meinte er und darum kann er mich gut leiden.

 

1994 brachte er mich zu den noch kleinen und unscheinbaren Laden von Frau Tseng in Paris. Er sagte, wenn Du Dich langweilst, dann mache doch auch so etwas auf. Er lachte über meinen Unitraum. Am liebsten möchte er Filmkritiker werden.

Filmkritiker ist er leider noch nicht. Paris war ein Fluchtweg für einen Stammhalter einer Oberklasse-Familie Taiwans. Wegen seiner Verpflichtung und seiner Gesundheit muss er sein Exil aufgeben.

Wie soll ein Heimkehrer, der inzwischen Fremde geworden ist, sich wieder heimlich aneignen?

Leicht verschnupft öffnete ich den klein verpackten Teebeutel. Ein Shuixian duftete unglaublich nach Frühling. Es waren Maiglöckchen, Hyazinthen und Flieder! Es war ein seltener sonniger Tag in Zürich. Eine Ankündigung von Frühling? Eine frische Brise wehte meine Haare. Ich roch den Frühling. Ein leises Flüstern eines alten Freundes, weiß Du, Du bist wie eine Blume an einem entfernten Ort. Auch über Dich strahlt die Frühlingssonne. Das Licht wird Dich hüten bis wir uns wieder sehen.

Wir gehen getrennt auf die selbst gewählten Wege. Vor der ungewissen Zukunft hilft uns nichts anders als Vertrauen. Vertrauen in Menschen, die uns von Bedeutung sind. Ich sollte ihm versprechen, dass ich nicht weniger wiege, wenn wir uns wieder sehen. Ich sollte ihm versprechen, dass ich ihn in Taipei zum besten Restaurant einlade. Ich sollte ihm versprechen, wenn er mich einmal besuchte, nie Kürbissuppe zu kochen, sondern zum Dolder einzuladen. Wenn ich mich nicht melde, weiß er, dass es mir gut geht.

Was muss er mir denn versprechen? Er wusste es nicht. Einfach gut essen und trinken, meinte er.

zpsx

Versprechen ist die Farbe der Zukunft. Versprechen ist der Bogen der Regenbogen. Ich werde ihm versprechen, wie eine Blume an einem entfernten Ort zu blühen. Entfernung ist manchmal nur eine Vorstellung. Der Bogen der Regenbogen kennt Entfernung nicht und unvorstellbar breit. Breiter als die Zeit zwischen des Wiedersehens.

Ein unglaublich schöner Shuixian, tatsächlich wie die Frühlingsblume! Schöne klare Farbe im Aufguss. So federleicht wie die Brise. Blumig, süß und elegant. Ich weiß nicht, ob ich in diesem Frühling so einen schönen Tee finden kann! Aber ich verspreche mir selbst, es zu schaffen!

Röstung II (Hongpei)

Röstung II (Hongpei)

Dieses Foto ist mit Blitz. Zwei Fotos von dem gleichen Shuixian Dancong Milanxiang 2008 vor und nach der Röstung.

Foto links vor der Röstung. 

Foto rechts nach der Röstung.

Man sieht, dass die Farbe von der gerösteten Shuixian dunkler aussieht als der ungeröstet. Die Teeblätter im Aufguss von der ungerösteten Shuixian sich besser entfaltet als der geröstete.

Röstung I (Hongpei)

Röstung I (Hongpei)

Gewiss duften die meisten Orchideen in meisten Nase nicht.

Seit letzten Februar blühen die Orchideen in meinem Zimmer ununterbrochen. Irgendwie fühlen sie sich wohl, dass sie eine faule Nachbarin gefunden haben. Ab und zu bekommen sie Wasser, wenn die Nachbarin nicht vergisst. Eine Blume, süß in ihrer Unschuld, duftend in ihrer Stille. Wie klingt denn eigentlich die Sprache, durch die Blume zu sprechen?

Ich bewundere diese Pflanzen und sprach manchmal zu ihr, wie schön sie sind. Wenn eine Blüte verwelkt, fällt sie irgendwann auf dem Boden. Anscheinend vergessen sie nicht, ihr Beste für die Welt hinterzulassen. Ich schmecke in dieser verwelkten sterbenden Blüte stets eine konzentrierte Süsse, trocken und intensiv. Ihr letzter Klang. Okakura schrieb, dass ein Mensch erst ein Mensch wurde, nachdem er mehr als nur die eigentlichen Lebensnotwendigkeiten von der Natur forderte. Ein Mensch wurde erst ein Mensch, als er ins Reich der Kunst eintrat, indem er den feinen Nutzen des Nutzlosen erkannte.

Der Mensch in Urzeit unterschied sich vom Tier, als er seinem Mädchen eine Blume brachte, in der Blume die Sprache der Liebe erkannte und durch die Blume sprach.

Wozu sollte man einen Tee rösten? Warum wird überhaupt ein Tee geröstet. Ist es nicht schön, die Teeblätter so zu belassen, wie sie unbehandelt schmecken? Ist es nicht immer besser, wenn die Natur natürlich bleibt? Weshalb kam der Mensch auf die Idee, die Teeblätter aufs Feuer zu legen, Energie und Zeit zu investieren?

Sicher war früher in China der Transportweg lang und aufwendig. Klar war die Konservierungsmethode rückständig und unpraktisch. Um die Aromen des Tees besser zu schützen und zu stabilisieren wurde diese Methode erfunden – für die Gegenden, die sich leisten konnten, den Tee übers Feuer zu behandelt. Für anderen Gegenden oder in einer anderen Zeit, wo mandas Wissen nicht hatte, wußte man nur, dass man den Tee vor der Zubereitung kurz übers Feuer rösten sollte. Dieser Vorgang hilft, dem Fremdgeruch zu beseitigen – dies standen in allen Teebücher in der Tang- und Sungzeit.

Die Rolle der Röstung beim Oolong wurde es mir zum ersten Mal richtig klar, als der Shuixian Milanxiang mir erklärte.

Milanxiang ist eine beliebte Art von Dancong Shuixian, der nicht nur leicht Note von Pfirsich oder Longgan hat, sondern auch intensive Nuance von Honig und Orchideen.

Zwei Milanxiang Shuixian aus dem gleichen Tee, der gleichen Partie. Der einzige Unterschied ist die Röstung.

Der ungeröstete Milanxiang schmeckt in den ersten 5 Minuten leichter, eleganter und blumiger als der geröstete. Nach zehn Minuten als die Aufgüsse kalt wurden, wurden die Sprache plötzlich anders. Der geröstete gewinnt immer mehr Tiefe, Intensivität und Geschmeidigkeit. Süss wie Honig, wie sterbende Orchideen und wie eine reife platzende Frucht!

Selten bekommt man solche Intensivität im Aufguss. Die Flüssigkeit fliesst wie ein guter Rotwein, ölig in der Tasse. Selbst nach 15 Minuten merkt man kaum die Herbe, nur leicht spritzige Pickel an der Zunge. Der ungeröstete Shuixiang schmeckt nach 15 Minuten bereits sehr herb und diese Herbheit ist so dominant, dass sie kaum zu überwinden erscheint. 

Kaum zu glauben, dass sie der gleiche Tee ist! Kaum zu glauben, dass Tee für sich spricht.

Nun wurde es mir auf einmal bewußt, was Okakura in seinem Buch trauert. Der Mensch vergißt immer mehr, was einen Menschen ausmacht – die Kunst aus dem Nutzlosen das Nutzliche zu erkennen, der Versuch, etwas Mögliches aus dem Unmöglichen zu ermöglichen. Röstung ist eine Kunst, einen Tee zu verfeinen, ohne etwas hinzufügen. Eine Kunst, die aus einem Tee das Beste zu ermöglichen. Eine Kunst, die das Maximal von einem Tee fördert.

Foto: links – ungerösteter Milanxiang; rechts – gerösteter Milanxiang.