Archiv für den Tag 30/11/2007

Der Mond, das Glück und der Tee

Der Mond, das Glück und der Tee

Der Tag hat zuerst chaotisch angefangen. Ich wusste, dass ich um 2.47 in Radolfzell sein musste, damit Mein Teevater mich abholen konnte und er sich nicht auf einen Zwischenfall einlassen möchte. Blitzschnell packte ich meine Sache undd musste an alles denken, was man als ein Teemensch nicht vergisst: orbigatorische saubere weisse Socken, Fukusa, kaishi, Fächer und den Kopf. Blitzschnell packte ich noch alles, was ich glaubte innerhalb einer Stunde in Konstanz erledigen zu können. Blitzschnell verliess ich die Haustür und war bereits im Zug auf dem Weg nach Konstanz. Der Zug hielt im Flughafen und ich atmete ganz tief aus, plötzlich: „Der Pass, mein Pass!“ Der Pass war irgendwo zu finden. Bevor der Zugtür wieder verschloss, sprang ich aus dem Zug. Fast weinend rief ich meine werte Schwester Antje an, „ich habe meinen Pass vergessen… ich komme zu spät… ich bin so blöd.“ Sie versuchte mich zu beruhigen und verprach mir, mich in Singen abzuholen, nachdem mein Pass meine Identität und meine Gültigkeit bei der Grenze wieder garantieren konnte. Ich ging wieder nach Zürich und fuhr mit dem Tram zu meiner Wohnung. Dann noch einmal mit dem Tram nach Zürich und fuhr mit dem Zug nach Singen.

Als ich in Bodman ankam, war bereits warm im Haus. Hell, unbekümmert und ruhig. Eine Ruhe, als ob die Zeit stehen bleiben würde. Im Teeraum wartet auf der Tokonoma bereits das Fächer von Urasenke: „Trotz der räumlichen Entfernung sind wir eine harmonische grossen Familie.“ Die Holzkohle-Temae sollte als erste geübt werden, dann Koicha und Usucha. Ich bereitete mich vor. Trotz der Hetik und Ärger des Vormittags möchte ich JETZT HIER sein.

Die Holzkohle aufeinander einrichten, die Neriko (Duftmischung aus Honig, Harz, Kohlepulver und Holz) kneten. Begrüssen, Verbeugen, Schritt für Schritt in den Teeraum eintreten, Knien… Der Körper übernam die Regie und die Hände bewegten sich nach dem natürlichen Ablauf. Als das Kama (Wasserkessel) summte, der Duft im Raum verströmte, floss ein Strom durch meinen Wirbelsäule. Jedes Zell schrie vor Freude. Ein glückliches Moment, das man nie missen würde und mit jedem teilen möchte! Das Glücklichsein ist so einfach, niemand kann es wegnehmen und kann nur geteilt werden.

Ohne es auszusprechen teilten wir zu Dritt eine Schale Tee. Ohne es auszusprechen teilten wir das Glück in seiner einfachsten und reinsten Form. Wo muss ich noch hin? Ich bin bereits angekommen. Dieses Praxis führt mich zu mir selbst - in einer Einheit mit der Welt. Nichts trennte mich vom Anderen. Die Zeit und der Raum verschwanden. Die Ewigkeit herrschte. Ich sass wie ein Stein und fühle mich wie Ryokan – nein, als ob Ryokan neben mir gesessen hätte.

le voleur                                   Der Dieb ließ ihn zurück

a tout pris sauf                                  den Mond

la lune a la fenetre                          Im Fenster

Ein Haiku von Ryokan, 1758-1831, japanischer Dichter und Mönch

Ryokan verlor sein letzes Hab und Gut, nachdem ein Dieb ihn heimsuchte. Nur der Mond am kaputten Papierfenster wurde sein einziger Begleiter, den der Dieb ihm zurückliess. Ryokan sass und seufzte vor dem Fenster: hat der Dieb es vergessen, den wunderschönen Mond mitzunehmen? Oder war der Mond das wahre Glück, was der Dieb von ihm nicht mitnehmen konnte?

Der Mond und das Glück, der Mensch und sein Gegenüber, ein Koan oder ein Myterium? Eine Aufgabe.

Ich bin sehr glücklich, jetzt immer noch.