Archiv für den Monat Mai 2008

Okashi – lecker!

Okashi - lecker!

Am Mittwoch hätte ich schon wieder eine „komplizierte und schmerzhafte“ Kazari Tee – diesmal eine Chawan-Kazari (Einweihung für eine bedeutungsvolle Teeschale) machen müssen. „Zum Glück“ gab es andere Ablenkung und ich sparte mir die Knieschmerzen.

Madeleine merkte es bestimmt und schickte mir das Foto, um mir ihr Schadenfreude zu zeigen…

Hallo liebe Menglin

Wir haben dich gestern vermisst beim Teeunterricht. Wie gerne hätten wir einen Koicha von dir getrunken oder einer wunderschönen Kazari-Zeremonie zugeschaut…. Aber ein bisschen anwesend warst du trotzdem. Im Anschluss an den Unterricht hat uns Miya zwei Tees von dir aufgegossen und wir konnten uns einer Degustation hingeben. Der eine Tee war aus einem Teeziegel, der uns übrigens ganz gut gefallen hat, aber der andere war eine absolute Köstlichkeit. Miya meinte, es sei der Oolong Dongding Original. Der Geschmack und Duft dieses Tees geht mir nicht mehr aus dem Kopf/dem Gaumen/der Zunge und, und, und;-)

Ich freue mich auf das nächste Treffen
Herzliche Grüsse
Madeleine

unsere gestrige Süssigkeit – ichigo-daifuku! Oishikatta!

Miya bietet auch Kurse für die japanische Süssigkeit an. Kontakt hier.

Der Garten im Wistaria Haus

紫 藤 廬 Das Wistaria Haus
委託經營台北市文化局  承辦單位紫藤文化協會

地址:台北市新生南路三段16巷1號
電話:02-23637375        02-23639459
服務時間:10:00-23:30
網址:http://www.wistariahouse.com

Das Haus ist wie eine halboffene Tür,

Hinter dieser Tür versteckt ein Garten.

Manche passieren vorbei und bemerken es nicht.

Manche bemerken den Garten, haben aber keine Zeit.

Manche gehen endlich hinein und realisieren, dass es Türe hinter den Türe, Gärten hinter den Gärten liegen…

Dieses Jahr regenet es zu oft, zu lang und zu viel in Zürich, während Wistaria blühte. Am letzten Samstag sah ich die kargen Zwerge und auf dem Boden verstreuten welkende Blüte. In diesem Moment fühlte ich mich etwas für immer verloren zu haben. Wistaria blühen jedes Jahr, während Menschen kommen und gehen. Die Tür des Gartens wird wohl im Kommen und Gehen übersehen – ähnlich wie das Leben und Tod im Kommen und Gehen. Der Duft von Wistaria konnte die verblendeten Köpfe leider nicht wach rufen -ebenfalls die Seele, die das Kommen und Gehen des Lebens schleichen läßt.

Aber Chou, Yu ist nicht so pessimistisch, er glaubt an die Wiedergeburt seines Teehauses. 2007 wurde das Haus von Abriss bedroht und geschlossen. Nun sollte das Haus unter Denkmalschutz renoviert werden und im Juni wieder geöffnet. Er freut sich auf die Mutigen und Mussigen, die Zeit haben, die Tür zum Garten zu schieben.

Ein Haus der Protestbewegung ist nun ein Haus unter dem Denkmalschutz Taipeis. Eine Ironie oder ein Fortschritt des demokratischen Verständnis Taiwans? Ein Haus vom geistigen Eingentum mit Materialismus zu schützen ist eine moderne Erfindung. Ich glaube nicht an ihn, sondern an den Zyklus des Wistarias.

Wistaria Teehaus

Zi Teng Lu 紫藤廬 war das „Teehaus“ in Taipei. Das Teehaus war klein und eine kleine Abbildung Taiwans – eine Insel, die stets unter fremden Einflüssen, unter fremden Herrscher und unter fremden Einwanderer steht. Es ist schwer zu beschreiben, wie das Zi Teng Lu eigentlich war. Ein Haus auf Formosa im den japanischen Stil integriert mit einem europäischen Kamin. Eine Kreuzung von Cross-Culture, eine Kreuzung von Begegnungen.

Der Hausherr Chou, Yu 周渝 erzählte, dass das Haus seit den 20er Jahren des letzten Jahrhunderts bereits existierte. Es war die japanische Zeit – eine schöne Zeit für Menschen wie mein Großvater, eine schamhafte Zeit für die chinesischen Einwanderer. 1949 wurde das japanische Haus von der Jiangs Regierung übernommen und der neue Hausherr war der Vater von Chou, Yu. Der neue Hausherr war ein höherer Beamte, der in Berlin studierte und ein liberaler Patriot war. Sein Salon war voller Literaten und Intellektuellen. Die Freiheit für die Presse, für das Menschenrecht und der Liberalismus waren ständige Themen, die Mut und Aufrichtigkeit eines Menschen auf Formosa erfordert. Chou, Yu sagte, dass er als Kind den Geheimdienst aus dem Fenster beobachtete, während der Geheimdienst vor ihm nicht abscheute, ihre Notiz zu machen. Das Haus wurde spioniert, die Menschen waren stigmatisiert und die Begegnungen wurden dokumentiert.

Wistaria HausWistaria Haus noch vor 2007

1981 verlass der Vater endgültig das Haus und die Insel. Sein Sohn verwandelte es zu einem Teehaus. Weil Wistaria (Glyzinien)vor dem Haus besiedelte, wurde das Teehaus nach diesem prächtigen Pflanzen genannt. Chou, Yu beschäftigte sich mit dem improvisierenden Theater und bot sein Teehaus als Möglichkeiten für Theatergruppe und Künstler an – vor allem für die noch unbekannten unetablierten Künstler. Er selbst mischte sogar in die politischen Bewegungen mit, er kämpfte für die politische Freiheit Taiwans – ein Fremdwort für Menschen, die gewöhnt sind, Freiheit zu nehmen.

Draußen vor Wistaria Haus liegt Xinshen Nan Lu, eine Strasse von befahrenden Autos und Verkehrsknoten; innen im Haus herrschte Begegnung zwischen Menschen, die eine Zeit der Ruhe und Frieden mit einander teilten. Hier trafen Studenten, Professoren, politisch Verfolgte oder ganz normale Sterbliche, die nur Bücher lesen, Tee trinken und quatschen wollten. Als Studenten trafen wir uns gerne dort, um Sitzungen zu machen. Meistens war es Mitte Nacht, der Tee hielt uns wach und das belanglose Gespräch hörte nicht auf. Dann wurde oft Nudel noch für uns gekocht und dann Bier ausgeschenkt – der Hopfenblüte Tee. Insofern bedeutet Bier auch für mich eine Art von Anhaftung an eine verlorene Zeit. Damals wurde eine Frau in diesem Kreis nicht respektiert, wenn sie keine drei Flasche Bier (0,75 L) am einen Abend trinken konnte.

Das Wesen des Tees wurde in der chinesischen Kultur mit einem Wort beschreiben 澹Dan. Das bedeutet, Zurückhaltung, Toleranz und Integration. Tee verdrängt andere Dinge nicht und ist niemals aufdringlich. Der Geschmack des Tees ist oft so leise zu bemerken, wenn man ihn nicht bewusst wahrnimmt. Er hebt sich nicht hervor, aber ist bewußt über seine Eigenheit. Tee integriert verschiedene Elemente. In Europa wird Tee anders zelebriert und anders aufgenommen. Insofern hat Europa eine ganz neue Chance Tee anders zu erleben als in Asien, wo man bereits Tradition als mögliche Last wahrnehmen könnte. Was Asien hier überhaupt zu sagen hat, ist wohl die Vermittlung des Geistes des Tees – wie der Geist des Wistaria Hauses, Toleranz, Freiheit und Integration. Dieser Geist sollte hier weiter gelebt werden und die Form wird wohl sich langsam eine neue Gestalt finden.

Das Wistaria Haus war der Augenzeuge der politischen Geschichte Taiwans, der Pioneer und Verteidiger der Freiheitsbewegung. Nicht zufällig war es ein Teehaus. Tee hat immer einen Protest-Charakter in meinem Auge, Protest gegen den Mainstream, gegen das Statische und gegen das Gefangen-Sein im innen und außen.

Tai He 2006 und etc.

Ein Bericht über Tai He zu schreiben, fällt nicht schwer. Es ist insofern schwer, wenn man das Unsichtbare von Chou Yus Text und Vorstellung wörtlich materialisieren möchte. Es ist oft so, dass viele Beschreibung sehr esoterisch klingt, wie „die Bewegung des Qis“ und „Ganzheit mit dem Kosmos“. Man könnte alles behaupten, was einer glaubt, es bei sich zu spüren. Andererseits ist man keiner Rechenschaft schuldig, was man bei einem Tee empfindet. Jeder Duft, jeder Tee und jeder Geschmack ruft unterschiedliche Reaktionen und Assoziationen bei Menschen hervor. Was gäbe es denn da zu diskutieren?

Manchmal bin ich mit der Frage konfrontiert, warum der beschriebene Geschmack bei dem Fragenden nicht zutrifft, wie könnte er denn überhaupt etwas unternehmen, um ihn zu schmecken. Manchmal frage ich zurück, „Wenn Du/Sie Dich/Sich nicht begeistern lässt, wie so der Tee Dich/Sie begeistern?“

Wenn Du Dich nicht berühren lässt, wie möchtest Du andere berühren?

Mein junger Schauspieler-Freund Dirk, fast ein Ersatzbruder für mich, verlor gerade seine Freundin. Sie ist nach Europa gekommen, um eine Geschichte zu vergessen. Nach ihrem Heimat zurückgekehrt, um eine andere Geschichte zu vergessen. Er sagte, dass er nicht wirklich traurig sei, weil die Distanz zu groß sei, um überwunden zu werden. Es ist nicht die Distanz der Liebe, sondern die Distanz zum eigenen Selbstvertrauen. Er kämpft um seine Karriere und wurde gesagt, dass er stets eine Schleie trägt, seine Schauspielkunst die Menschen nicht erreicht. Er fragte mich bedrückt, was das bedeuten sollte.

Wenn Du Dich nicht berühren lassen könntest, wie könntest Du andere Herzen berühren? Wenn Du Deine Trauer nicht kennst, wie möchtest Du  anderen mit Freude anstecken?

Unsere Erziehung zeigt uns, wie wir einen guten und besseren Menschen sein können, um Anerkennung und Akzeptanz zu erhalten. Immer fit, in Topform und leistungsfähig. Verpflichtungen, Schuldgefühle und das Gefühl des Opfers hängen mit der Erwartung zusammen, anerkannt und akzeptiert werden zu wollen. In diesem Mechanismus hat ein wahres Ich kaum einen Raum. Darum könnten viele Menschen nicht riechen, nicht schmecken und nicht fühlen. Ihr Sehen und Denken fixieren nur auf sich selbst, nur ihre eigene Probleme zählen zu wichtigsten Ereignisse der Welt – wie oft muss ich Frage und Emails beantworten, die nach Hilfe schreien, aber erhalte selten nach dem Antwort einen Dank. Zum Glück mache ich diese Arbeit für mich selbst, nicht für die anderen oder für einen Dank.

Mit Vero konnte ich den Tai Ho zusammen „erforschen“. Sie hat eine gute Nase, eine geschulte Wahrnehmung und beherrschte hervorragende Präzision des Benennens. Der trockene Tee duftet in seiner trockenen Form leicht nach getrockneten Zwetschgen, leicht nach Teer und nach dem Holz. Sie sagte, dass die holzige Note eine Art von Lebenskraft in ihr erweckte. Im Aufguss schmeckte er anders. Ich sagte wieder – wie Blumenwiese. Eine Blumenwiese nach dem ersten Frühlingsregen auf einer subtropischen Insel. Es ist feucht, duftend, leicht nach Moor nach Waldboden. Leicht nach Algen, fügte sie hinzu, aber nicht nach dem Meer, sondern nach den feuchten glitschigen Urpflanzen der Erde. Der Aufguss war ergiebig. Die aufgegossenen Blätter sahen wunderschön. Keine Verletzungsstelle, sorgfältig verarbeitet. Das Gefühl des Paradieses – das Gefühl voller Dankbarkeit. Kein Verlangen und keine Erwartung. 

Einen Dank an Chou, Yu, einen Dank an alle Wesen, die es ermöglichte, dieses Moment zu erleben.

Tai He 太和 2006

Tai He 太和 2006

Tai He 太和 2006 – kosmische Harmonie, eine Pu Er Kreation von Chou, Yu

Ein loser Pu Er ist nicht eine Rarität. Diesen losen Tai He würde ich als eine Rarität bezeichnen. Wie stellt Chou, Yu seine eigene Kreation selbst dar? Was möchte er mit den Teeliebhaber austauschen – durch diese Kreation?

Tai He, ein Tee aus tausendjährigen alten Teebäume im Hochland Yünans.

Die uralte Teebaum-Gruppe beheimatet im Gebirge von ca. 2000 Meter ü. M. Die Ernte fand im frühen Frühling statt – vor dem 4. April (Ming Qian). Seine Tee-Tipps sind zart, anmutig und lang. Sein Wesen ist voller Reinheit der Frühlingskraft.

Man könnte mit Teekanne oder mit einer Schale zubereiten. Die Menge wäre nur von der Hälfe des normalen Gebrauchs. Normalerweise spürt man nach drei oder fünf Tasse einen sanften Fluß der Energie (Qi), die unseren Körper belebt. In diesem Moment versüßt unseren Mund das Speicher aus unserem Zungewurzel. Der Duft des Tees bleibt an unsere Zähne haftend. Unser Gaumen wird balsamiert und der Abgang hinterlässt Spuren im ganzen Tag… Dann verschließen Deine Augen, (wo gehst Du noch hin?) Du bist schon im Paradies!

Ein Degustationsbericht wird in nächsten Tagen folgen.

Düfte der Städte

Beim Begrüßungskuss machte sein Duft seine Präsenz bemerkbar. Ich ahnte eine schöne Duftmischung: erfrischend, natürlich und anziehend. Er sagte zu mir, dass ich so hübsch sei. Ich erwiderte ihm, dass er wunderbar duftete. Das machte Hubert leicht verlegen. Der Duft sei aus einer individuellen Parfümerie aus Paris, sonderbar und kostbar. Den Duft findet wohl sein Partner auch als sonderbar und rar. Das Gespräch zum Frühstück im Theater Cafe fing beim Duft an.

Durch meinen Beruf und meine komische Nase vertrage ich kein Parfüm auf meine Haut, nicht einmal normale Creme mit Düften. Sie irritieren mich so stark, dass ich nicht mit Tee arbeiten kann und darunter leide. Duft auf dem Körper ist ein Thema, das mich an einen Film (Hold you tight 1998) Stanley Kwan erinnert. Es handelte sich um einen jungen Mann, der sich in einem Mann verliebte und ein Verhältnis mit dessen Frau anfing, um den Duft dieses Mannes zu erfahren, um das Gefühl zu erhalten, nah an ihm zu sein. Es war eine Aufrührung im Filmfestival Rotterdam 1999. Es erinnert mich ebenfalls an dem mitgereisten Stefan, an seine Studentinnen vor seiner Sprechstunde, sein Duftwolken im Büro und sein schweigendes Gesicht, wenn ich mich darüber beschwerte.

Hubert liebt Paris. Eine Stadt für Verliebte und unglücklich Verliebte. Er erinnert sich immer an den Duft des frisch gebackenen Brots und an den Duft des Metals, wenn er an diese Stadt denkt. Paris bin ich immer nur im Transit, kurz und eilig. Es war allerdings immer im frühen Sommer, im schönen Wetter zwischen den Menschenmenge. Für mich duftet Paris nach Flieder! Insofern schmeckt diese Stadt nach Sijichun! Oder Anji Baipian. Blumig, duftend und in einer Eleganz verpackte französischen Aggression.

London? „Oh, es ist schon lange her, als ich in London war.“ Er suchte seine Bilder im Speicher. Eine Stadt mit Parks und Squares. Eine Stadt meiner ersten nicht asiatischen Erfahrungen. Als ich 18 war, brachte bzw. zwang mein Vater mich nach London für eine kurze Zeit zu verbringen. Sein indischer Freund Mr. Khan sollte sich um mich kümmern. Der alte strenge indische Gentleman immer im Oxford-Hemd und Anzug rief mich am jeden Sonntag an und brachte mich zum Essen. Das Essen glich einer Erfahrung von 1001 Nacht! Der Himmel war oft grau und ich war allein. Trotzdem liebe ich das Englische und die Gentlemen. Als ich zum ersten Mal Deutschland besuchte, war ich zu triefst enttäuscht von der Kölner Vorstadt. Für mich duftet London nach Pfingstenrose. Fein und zugleich herausfordernd. Ähnlich wie beim Lapsang Souchung! Er kann schwer sein, kann beflügelnd und zugleich stechend.

Was ist dann mit Zürich? Wir lachten. „Die Stadt ist klein und fein.“ „ Ja, wie Maiglockchen.“ Die Düfte von Maiglockchen schmecken intensiv, zitrusartig und süß – wie der Jadeoolong, den ich neulich mitbrachte. Intensiv, blumig und fruchtig zugleich! Klein – nicht spektakulär, aber fein. Ich fange nun an, diese Stadt zu mögen. Morgens aus dem Dojo von Neumarkt aus, mache ich den Sparziergang durch den Gemüsebrücke, zur Stehlgasse, dann Rennweg zur Löwestrasse. Ich fange an, mit dieser Stadt zu „befreunden“ – aus dem kleinen Mosaik-Stein: mein Restaurant, meine Atelier, meinen Bäcker, meinen Markt und mein Schuhgeschäft. Reine materialistische Anhaftung.

Hubert plant mit seinem Freund ein Event am kommenden Samstag nachmittags: „Die Kunst und der Esel“. Die Galerie seines Freundes sei „die Kunst“ und sein Laden sei „der Esel“. Es sollte Prosecco ausgeschenkt werden und ich mache aus diesem charmanten Getränk zu einem richtigen Hexen-Trank: Matcha im Prosecco!

Eine Einladung zum Frühlingserwachen! Grün und prickelnd.

 

Von

Limited Stock

Spiegelgasse 22

8001 Zürich

Hanami-Päonie 牡丹花见

Hanami-Päonie 牡丹花见

Hanami-Päonie auf dem Zürichberg 2008.

Wilde Päonie,

Jetzt auf dem Höhepunkt

Ihrer herrlichen vollen Blüte:

Zu kostbar, sie zu pflücken,

Zu kostbar, sie nicht zu pflücken. — Ryokan

(Wenn es nach mir gehen würde, würde ich die Päonie pflücken und neben meinem Computer hinstellen.)

Löwe – Päonie 牡丹狮子

Päonie, ein König der Blume in der chinesischen und japanischen Kultur. Päonie sollte der Löwe eingeweiht sein.

Päonie blühen, wenn es so weit ist – im Mai. Gerne nahm ich die Einladung von Päonie Hanami an. Eine Tasse Tee, dazu wunderbare Madeleine von Confiserie Baumbaum (die beste neben Honold in Zürich würde ich behaupten) neben dem blühenden Blütemeer der Päonie. Selbstverständlich sollte ich die neueste Errungenschaft Hannes noch bewundern, die erste und eine nummerierte Anlage von Accuphase in der Schweiz!

In der Legende aus Tang-Zeit 唐 (680-970) sollte es eine im Wind irrende Löweseele geben, die sich unsterblich an der Klang eines Mädchens beim Löwentanz verliebte. Löwe gab es in altem China nicht. Der König des Tiers sollte über die Fremden aus Kleinasien nach China gebracht werden – ebenfalls das Löwetanz und die meisten musikalischen Instrumenten Chinas. Die fremden Musiker kamen von der windigen Wüste, überschritten über die Grenze und starben in dem fremden Palast eines fremden Landes. Dessen Träumen sollten sich an einem Ort versammeln, nachdem die heimatlosen Seele diese Welt verließen und ihre Sehnsüchte nach dem Heimat heimatlos wurden. Dieser Ort ist ein Ort außerhalb Heimat und Gegenwart, ein Friedhof der Träume. Der mitgekommene Löwe, der aus seiner Heimat abgerissene König bleibe in unserer fassbaren Welt als eine gekränkte Seele, die sich von Fressen der anderen Seele nähre. Dieser herumirrende Löwe suche in dieser Welt stets nach der Begegnung des heimatlichen Klangs, der ihn einst so verführte und Ruhe schenkte. Wenn man ihn zwischen dem Traum und der Gegenwart sichten würde, sei er in der Legende, wie eine blühende Päonie in dunklen rot und purpur mit goldener Flamme in der Mitte der Blüte.

Mudanshizi

Die Abbildung von Löwe und Päonie findet man überall in Keramik, Tempel und Textilien, die man in der Chanoyu (der japanische Teeweg) häufig verwendet. Diese Abbildung sollte die Majestät des Inhabers signalisieren – durch die Vereinigung der Könige: Blumereich und Tierreich.

Arita PäonieEin Beispiel dieser majestätischen Kombination von Arita-Porzellan (alte Imari)伊万里

Päonie blühen nur vier Tage. Das Hanami (Blumenfest) gleicht ein Luxus. Auf dem schmalen Gartenpfad stehen blühende und verblühte Schönheiten nebeneinander. Eine Blüte welkt ohne dass wir den Wandel ihrer Farbe bemerken… „Und das ist die Herzens der Menschen dieser Welt!“ sang eine Dichterin aus dem 9. Jahrhundert. Ich spürte die Lebenshunger und Freude der Blumen. Eine Spur der Trauer merkte ich nicht. Alle tun ihr Beste, das Beste den anderen zu geben. Nach dem Vergangen der Blüte fängt wieder ein neues Zyklus an – ohne die menschliche Wille.

Wir haben einen Garten in uns, dessen Tor verschlossen oder zugänlich bleibt, bewußt oder unbewußt wahrgenommen werden könnte. In meiner Kindheit hatten wir mehrere Gärten im Haus. Meine Großmutter pflegte nur Orchideen in ihrem Hof. Die Kinder spielten im hintersten Hof, wo nicht gepflegt wurde. Heimlich und unheimlich zugleich. Heimlich fühlten wir, wenn die Erwachsene in ihrer Verstrickung verhackt waren; unheimlich fühlte ich mich, wenn ich zu viel Geistgeschichte von Cousins mitbekam. Wir duften dort austoben und Kräutersud herstellen, weil der Garten niemanden relevant war. Der Garten war der Spiegel der Seelen in diesem großen Haus – im Verfall und vergänglich. Ich kann mit Haus und Garten nichts anfangen, vielleicht deswegen.

Meine Familie lebt immer noch auf demselben Grundstück wie meine Vorfahren, während ich mich im Europa herum irre. Das Grundstück sollte ein Drachenhöhle sein – laut ein Fengshui Meister. Ich denke, dass mein Vater der letzte Drache ist. 

Päonie

Das Haus auf dem Zürichberg pflegt ihren Garten liebvoll. Zufrieden und stolz. Eine frische Tasse Dianhong 滇红 wurde in einer schönen alten Kanne serviert. Auch ohne den Tee versetzte die Madeleine von Baumann uns in eine andere Wirklichkeit. So eine Madeleine – aus Mandelbiscuit, köstlich! Hannes war sehr glücklich, dass seine Auswahl mich beglückte. Zweifellos. Zweifellos fesselnd war auch die Klänge von Accuphase – so fesselnd wie einst beim Löwentanz.

„Jetzt muss es einfach regnen.“ sagte Maya, sie dachte an ihren Garten. Noch einen Blick auf die Päonie werfen, dessen Heimat in fernem Osten liegt und hier ihre Wurzel eingeschlagen haben. Noch einen Blick oder ein Seufz für die vergängliche Schönheit, die mich an ihre Legende erinnerte. (Danke für Hannes Fotos von seinem exklusiven Fotoapparat!)

„Wohin Du schaust,

Die purpurroten Blätter

Sie verstreuen sich –

Eins ums andere,

 Hin und her.“

Gedicht von Ryokan an Totenbett

Lishan 2007 梨山碳培 – Duft der Holzkohle

Stephan rief mich morgens an und fragte, ob ich mich gerade von Pfingsten erholen musste. Erholen von Feiertagen? Nein, ich arbeitete über die Feiertage. Freizeit? Ich habe keine Freizeit. Ich mache das gerne, was ich mache. Eigentlich habe ich nur Freizeit.

Das Leben meines Lehrers in Taipei bestehe nur aus Freizeit, behauptete seine Frau auf der gemeinsamen Reise nach Mingjian. Ich war nicht sicher, ob sie sich über ihn beklagte.

Auf der Reise hatten wir einen wunderschönen Tee, der mir unbekannt war und deswegen noch spannender schmeckte. Sein Name wurde nicht verraten. Ich weiß immer mehr, dass es viele versteckte Geheimnisse des Tees in diesem Menschen gibt. Er erzählte es nicht und ich musste es auch nicht ansprechen. Ich sagte ihn, „Oh, ich schmeckte Honig, Blumenwiese und Hochlandsluft! Aber die Holznote ist so dominant, war es ein Fehler!“ „Nein, nein. Das ist Holzkohle-Geschmack!“ er schmunzelte. „Eigentlich ist er mein privater Tee! Unverkäuflich!“ Selten findet man solch Material aus Lishan – Qingxin Oolong von Insekten befallen! Das ganze wurde noch an einem sonnigen Tag gepfückt und verarbeitet! „Solche Dinge darf man im Leben nicht verpassen.“ sagte er am Steuer, „Irgendwann muss Du so weit sein, wenn Du einen Tee trifft, weiss Du, was aus ihm werden kann. Dann behandelst Du ihn entsprechend.“ Er behandelt ihn entsprechend dirket über glühende Holzkohle über 120 Grade! Er bat mir, ihn aufzubewahren, seine Reife zu erleben.

„Mein Mann hat nur Freizeit,“ erzählte seine Frau mir, „er ist ansonsten so lahm. Nur wenn er mit Tee und Photographieren zu tun hat, ist er wieder ein Mensch.“ Er brauche keine Freizeit, weil er immer frei sei. Sein Ruhm und Bekanntheit bringe ihr nichts, weil er diese Welt spielend durchquere. Sie verdient ihr Geld, zog den Sohn auf und sah zu, wie er in der Teewelt sich frei spielend bewegt, wie ein Narr.

Ich hörte plötzlich den Ryokan (ein japanischer Dichter) leise singend:

„Spielend, ja spielend,

Durchquere ich diese fließende Welt…

Ist es da nicht gut, die bösen Träume anderer Menschen zu zerstreuen?“

Er und ich hörten ihr zu und schwiegen. Den Tee wurde immer wieder serviert – von ihr. Sie interessiert sich nicht für die Namen des Tees, nur für diesen Tee, den er für sie macht. „Einen guten Tee.“ sagte sie. Süss wie honig, elegant wie die Höhe des Berges und holzig wie der Duft des feuchten Tannenwalds. Diese Kombination ist einzigartig. Ich hätte nie gedacht, so etwas zu begegnen.

Als ich zum ersten Mal seine Frau sah, konnte ich nicht fassen, wieso eine so schöne Stadtdame mit einem „Bauersohn“ verheiratet sein kann! Diese Kombination war mir geheimnisvoll. „Er dachte, dass ich in ihn verliebt sei, weil ich ihm gegenüber immer sehr freundlich war – dabei war es meine Erziehung.“ Als sie zum ersten Mal mit seiner Schwester Mingjian besuchte, war sie verliebt in diesem Ort, sagte sie. Er war ein guter Fremdenführer. „Ich sehe ihn so gerne hier. In Taipei bleibt er wegen mir und unserem Kind. Aber er ist hier sich selbst.“ Sie lächelte wieder und zeigte mir das alte Haus, wo sie ihre Hochzeit verbrachten. Ein typisches Formosa-Haus, wie das von meiner Großmutter auf dem Pamelo-Garten aus roten Backstein und roten Ziegel. Die Sonne schien.

Das alte Haus in Mingjian

Während wir in Mingjian unterwegs waren und beschäftigt hin und her rannten, sass sie geduldig im Wohnzimmer von Aming und wartete. „Langweilst Du Dich nicht?“ fragte ich mit einem schlechten Gewissen. „Nein, ich bin glücklich.“ das erzählte eine wartende Frau? Sie wartete, weil er das tat, was er gerne machte. Sie strahlte Ruhe und Zufriedenheit aus bei einem Tassen von Insekten befallenden Lishan 2007, der auf Holzkohle behandelt war. Ein Tee, eigentlich schwer zu verstehen ist. Süss, elegant aber holzig. Nach Karamel, nach Blüte, nach Kardamon und nach Waldholderbeeren (die leichte anfängliche Duftnote von Waldholder) oder nach Muskat. Zugänglich und abweisend zugleich. Wer will schon so eine komische Kombination probieren, wenn man einen richtigen Hochlandsoolong Lishan hat? Ich verstand ihn nicht wirklich, wollte unbedingt welchen mitnehmen. Weil ich dachte, dass ich auf ihn warten kann und ihn auch verstehen könnte. Vielleicht erst in paar Jahren.

Als Jörg aus Frankfurt kam, als Jürg und Carola zum Essen waren, als Romeo vor seiner Abreise mich besuchte, waren sie alle entzückt von dieser Kombination. Eigentlich habe ich nur für mich gekauft um auf ihn zu warten und für die Besucher aus der Ferne aufgegossen ohne ein Gedanke zu haben. Sie wollten unbedingt ein bisschen von ihm. Ein bisschen von meinem seltsamen Lehrer, der spielend in dieser Welt mit Tee durchquert. Oder ein bisschen von dieser liebvolle sonderbaren Kombination…

Nachtrag: dieser Tee hat vier „Extreme (Raritäten)“: die höchte Lage des Teeanbaus auf Formosa – 2600 M.ü.M.; von Fruchtfliege befallenen Blätter, die sonst aussortiert werden. Denn es erschwert die Herstellung, diese Art von Blätter zu verarbeiten; einen sonnigen Tag im Hochlandgebirge im Oktober 2007; Übers Holzkohle geröstet von einem von den „besten“ Tee-Önologen auf Formosa.

Teeschüler

Als sie mir schrieb, dass sie ein Teeschüler werden möchte, war ich richtig überrascht. Ich bin weder Lehrer noch Meister. Eigentlich bin ich nur ein einfacher Tee-Verkäufer. Ich schrieb Ihr, dass ich hier bin und ihr eigentlich nichts zeigen könnte. Als sie die Distanz zwischen Nordsee und Zürichsee überwand, war ich richtig beeindruckt. Der Nordwind trieb sie an diesen Platz zwischen den Bergen. Wozu?

Sie meinte, die Langsamkeit des Lebens im Tee entdeckt zu haben. Sie möchte, sich in die Langsamkeit zu vertiefen. Vielleicht gibt es wirklich einen geheimen Garten in uns, einen ruhenden Punkt, wo üppige Blumen durch unsere Pflege wachsen können und von dort aus die stets bewegende Welt betrachten zu können. Tee ist weder Oase noch Tresor, er ist nur aus Blätter von einer fremden Pflanzen, an welche wir glauben, uns ein Gefühl vom diesen verborgenen Ort wieder vermitteln zu können.

Das Pendeln zwischen Hamburg und Zürich tut sie wegen einem ganz tollen Mann. Das Lernen über Tee tut sie für sich selbst. Ich nickte und verstand es sehr wohl. Ihr schenkte ich einen Sijichun ein, dessen Duft uns beide sofort in die Welt der Alice verschlug. Einen leicht zugänglichen Tee, meinte ich. Dann ein Gangkou Cha 2002 – ein Tee, der schwieriger zu verstehen ist. Die Vielschichtigkeit dieses Tees erschrak sie nicht. Sie mochte ihn. Leicht salzig, leicht sauer und fruchtig. Das Süße am Abgang gibt einen vieles nachzudenken. Ihre Augen waren verschlossen und sie war bereits von der Welle des Tee übers Ozean getrieben. Palmen, Sonne und der Ruf des Meeres auf Formosa.

Was war denn mit meiner Suche? Über den Brief von Detlef kam ich zu Nojiri Sensei (Lehrer afu Japanisch). Es war nicht schwer. Ein Flug nach Brüssel hat den Anfang geebnet, nur das Ertragen von dem ständigen mühsamem Knien und von dem schonungslosen Tadeln des Senseis waren die eigentliche Herausforderung. Ich weiß eigentlich immer, wo ich die Sensei finden kann und weiß, dass ein Stück meines Gartens wieder sichtbar wird – durch sie.

Der Weg, zu meinem Lehrer, der mir die Sprache des Tee unterrichtet, war kurvenreicher. Ihn zu suchen passierte ich an vielen Höhlen von Scharlatanen vorbei. Die so genannten Meister, die mir die Freiheit wegnahmen, mich für welchen Weg selbst zu entscheiden. Die so genannten Weisen, die sich um Schüler werben und seinen Geschmack für den einzig wahren werben und autorisieren. Als es endlich so weit kam, bin ich ihm begegnet. Mir goss er eine Reihe Tees auf und fragte mich, was ich wahrnahm. Ich gab ihm meine Antwort und er schmiss den Löffel auf den Tisch: „Bei wem hast Du es gelernt?“ „Nein, nur Bücher gelesen.“ Dann nickte er seinen Kopf, „Gut, Du hast Sense, ich kann Dir es beibringen.“ Er wollte allerdings nicht, dass ich Leute aus Ausland zu ihm mitnehme, weil es ihn Komplikation schaffe. Ich hätte gerne bei ihm gelebt wie die frühere Zeit, einem Meister zu folgen und die Welt zu erforschen. Anfang letzer Woche trafen viele wunderbare Phönix Muster ein. Als unlösbare Fragen in mir aufstiegen, spürte ich, wie sehr ich seine Hand vermisste. Vor zwei Stunde erzählte ich ihm, wie sehr er mir doch fehlt. Er lachte auf der anderen Seite der Telefonleitung„ Du muss Dich doch endlich richtig entwickeln, meisterhaft zu werden!“ „Du muss mich in der Zukunft noch mehr tadeln.“ „ Wie könnte ich Dich denn nur tadeln?“ seufzte er.

Das Tadeln vom Lehrer wird im hiesigen kulturellen Kontext oft missverstanden – natürlich gibt es unterschiedliche Art von Tadeln, viele sind einfach nur aus Emotion, die eine andere erzeugt. Wer will schon getadelt werden und andere Menschen tadeln, von denen man dadurch eine negative Projektion bekommt? Ich spüre hinter dem Tadeln meiner Lehrer oft eine Art von wahrer Liebe, die eigentlich nur die Entwicklung des anderen wünscht. Ich schaffe so etwas nicht und bleibe lieber als Teeschüler und als ein einfacher Tee-Verkäufer. Wer will schon Verantwortung für einen fremden Menschen übernehmen, der besser weiß, was er will?

Die Zeit rann davon. Ihr gab ich paar Bücher. Eine Rückgabe war mir nicht wichtig. Auch ein Gangkou Cha sollte ihr begleiten auf den Weg zwischen Nordsee und Zürichsee.